Erschienen am: 01.02.2002

Das Tram erobert Zürichs Vorstädte

Ein von A bis Z neuer Verkehrsträger, die Glatttalbahn, soll in acht Jahren Zürich und die Flughafenregion enger miteinander verbinden. Der Bau der Bahn kostet 555 Millionen Franken. Dem Projekt liegt eine Abstimmung von Verkehrs- und Siedlungsplanung zugrunde.

Zürich. Das mittlere Glatttal nördlich von Zürich geriet in jüngster Zeit vor allem durch den Fluglärm und den Stellenabbau nach dem Swissair-Debakel in die Schlagzeilen. Dennoch handelt es sich - gerade wegen des Flughafens - um eine der wirtschaftlich dynamischsten Regionen der Schweiz. Seit den achtziger Jahren wird hier ein Büropalast nach dem anderen hochgezogen, die Bodenpreise liegen auf enorm hohem Niveau. Das Gebiet ist eigentlich die Mitte des Grossraums Zürich.

Zählt man zu den fünf Vorstädten Dübendorf, Wallisellen, Opfikon, Rümlang und Kloten ebenso Zürichs zwei nördliche Stadtkreise mit den Quartieren Oerlikon, Seebach, Affoltern und Schwamendingen dazu, leben in der so genannten Glatttalstadt rund 150 000 Menschen. Es ist planerisch betrachtet das viertgrösste Zentrum der Schweiz. Die Bevölkerungszahl wird nicht mehr massiv ansteigen. Doch rechnet der Kanton damit, dass die Anzahl Beschäftigte, 1995 noch bei 120 000, bis zum Jahr 2025 auf 222 000 steigen wird. Dann würden hier auf zwei Bewohner drei Arbeitsplätze fallen, falls sich die Schweizer Luftfahrt einigermassen von ihrer Krise erholt.

Die Folge dieser Entwicklung ist eine massive Zunahme des Pendlerverkehrs. Schon heute ist das Strassennetz im mittleren Glatttal überlastet. Seit über zehn Jahren wurden Pläne zum Ausbau des öffentlichen Verkehrs gewälzt. Futuristische Lösungen, etwa eine Hochbahn, verwarf man aus wirtschaftlichen Gründen. Die Lösung heisst Glatttalbahn, oder, etwas mutiger, Stadtbahn Glatttal. Verkehrstechnisch handelt es sich um einen so genannten Mittelverteiler: Eine Bahn mit Spurbreite einen Meter, auf der Tramwagen fahren. Anders als in der Stadt haben sie jedoch freie Fahrt auf einem eigenen Trassee.

Zwanzig neue Haltestellen

Eine Spur der Glatttalbahn führt vom Hallenstadion in Oerlikon zum Flughafen. An der Stadtgrenze biegt eine zweite Spur nach Osten ab, die durch Wallisellen bis nach Stettbach auf der Grenze zwischen Zürich und Dübendorf führt. Die Bahn verbindet auf einer Länge von 12,7 Kilometern mit zwanzig neuen Haltestellen als Feinverteiler dicht besiedelte Gebiete und sechs S-Bahn-Stationen miteinander. Auf den zwei Ästen verkehren drei Linien: Zwischen Oerlikon und dem Flughafen sowie zwischen Oerlikon und Auzelg nahe bei den Studios von SF DRS. Die dritte Linie ist eine für diese Region wichtige Tangentialverbindung von Dübendorf-Stettbach entlang der Stadtgrenze zum Flughafen.

Letzte Woche stellte der Zürcher Volkswirtschaftsdirektor Ruedi Jeker (FDP) die Kreditvorlage an den Kantonsrat vor. Insgesamt verursacht die Glatttalbahn Kosten von 555 Millionen Franken. Jeker betonte, dem Projekt liege erstmals eine systemische Abstimmung von Verkehrs- und Siedlungsplanung zugrunde. Die Glatttalbahn erschliesst mehrere Areale, die in den nächsten Jahren überbaut werden, unter anderem das Oberhauserriet in Opfikon, wo neuer Raum für 6000 Bewohner und 7000 Arbeitsplätze entstehen.

Bürgerliche drohen

Aus Rücksicht auf die Finanzlage des Kantons wird der Bau stärker etappiert als ursprünglich geplant. So wird auf den Fahrplanwechsel Ende 2005 erst das Teilstück bis Auzelg gebaut. Der Ast zum Flughafen folgt auf das Jahr 2008, jener nach Stetbach bis 2010. Ein Grund liegt ebenso in Drohungen aus den bürgerlichen Parteien, Investitionen in den öffentlichen Verkehr nur noch zuzustimmen, wenn gleichzeitig der Strassenbau forciert werde. Allerdings mutet es seltsam an, an diesem Beispiel beide Verkehrsträger gegeneinander ausspielen zu wollen. Weil die Glatttalbahn teilweise Strassenraum benötigt, enthält das Projekt für zusätzlich knapp 100 Millionen Franken Massnahmen, damit der Individualverkehr über die gleiche Kapazität wie bisher verfügt. Als Feinverteiler des öffentlichen Verkehrs, also unterhalb der Ebene S-Bahn, überqueren bisher erst einige Buslinien die Stadtgrenze von Zürich. Mit der Glatttalbahn wird erstmals ein leistungsstarkes System auf Schienen Teile der Stadt mit den angrenzenden Gemeinden verbinden. Das Tram als Kennzeichen von Urbanität dringt in die gerade im Glatttal zunehmend städtische Agglomeration vor. Und das Projekt ist ausbaufähig. Es gibt Pläne, die Glatttalbahn über den Flughafen hinaus durch Kloten, Bassersdorf und Dietlikon hindurch nach Dübendorf zu einem Kreis zu schliessen.

Von Stefan Hotz
 

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