Zürich. Das mittlere Glatttal nördlich von Zürich
geriet in jüngster Zeit vor allem durch den Fluglärm und den
Stellenabbau nach dem Swissair-Debakel in die Schlagzeilen. Dennoch handelt
es sich - gerade wegen des Flughafens - um eine der wirtschaftlich dynamischsten
Regionen der Schweiz. Seit den achtziger Jahren wird hier ein Büropalast
nach dem anderen hochgezogen, die Bodenpreise liegen auf enorm hohem Niveau.
Das Gebiet ist eigentlich die Mitte des Grossraums Zürich.
Zählt man zu den fünf Vorstädten Dübendorf, Wallisellen,
Opfikon, Rümlang und Kloten ebenso Zürichs zwei nördliche
Stadtkreise mit den Quartieren Oerlikon, Seebach, Affoltern und Schwamendingen
dazu, leben in der so genannten Glatttalstadt rund 150 000 Menschen. Es
ist planerisch betrachtet das viertgrösste Zentrum der Schweiz. Die
Bevölkerungszahl wird nicht mehr massiv ansteigen. Doch rechnet der
Kanton damit, dass die Anzahl Beschäftigte, 1995 noch bei 120 000,
bis zum Jahr 2025 auf 222 000 steigen wird. Dann würden hier auf zwei
Bewohner drei Arbeitsplätze fallen, falls sich die Schweizer Luftfahrt
einigermassen von ihrer Krise erholt.
Die Folge dieser Entwicklung ist eine massive Zunahme des Pendlerverkehrs.
Schon heute ist das Strassennetz im mittleren Glatttal überlastet.
Seit über zehn Jahren wurden Pläne zum Ausbau des öffentlichen
Verkehrs gewälzt. Futuristische Lösungen, etwa eine Hochbahn,
verwarf man aus wirtschaftlichen Gründen. Die Lösung heisst Glatttalbahn,
oder, etwas mutiger, Stadtbahn Glatttal. Verkehrstechnisch handelt es sich
um einen so genannten Mittelverteiler: Eine Bahn mit Spurbreite einen Meter,
auf der Tramwagen fahren. Anders als in der Stadt haben sie jedoch freie
Fahrt auf einem eigenen Trassee.
Zwanzig neue Haltestellen
Eine Spur der Glatttalbahn führt vom Hallenstadion in Oerlikon
zum Flughafen. An der Stadtgrenze biegt eine zweite Spur nach Osten ab,
die durch Wallisellen bis nach Stettbach auf der Grenze zwischen Zürich
und Dübendorf führt. Die Bahn verbindet auf einer Länge
von 12,7 Kilometern mit zwanzig neuen Haltestellen als Feinverteiler dicht
besiedelte Gebiete und sechs S-Bahn-Stationen miteinander. Auf den zwei
Ästen verkehren drei Linien: Zwischen Oerlikon und dem Flughafen sowie
zwischen Oerlikon und Auzelg nahe bei den Studios von SF DRS. Die dritte
Linie ist eine für diese Region wichtige Tangentialverbindung von
Dübendorf-Stettbach entlang der Stadtgrenze zum Flughafen.
Letzte Woche stellte der Zürcher Volkswirtschaftsdirektor Ruedi
Jeker (FDP) die Kreditvorlage an den Kantonsrat vor. Insgesamt verursacht
die Glatttalbahn Kosten von 555 Millionen Franken. Jeker betonte, dem Projekt
liege erstmals eine systemische Abstimmung von Verkehrs- und Siedlungsplanung
zugrunde. Die Glatttalbahn erschliesst mehrere Areale, die in den nächsten
Jahren überbaut werden, unter anderem das Oberhauserriet in Opfikon,
wo neuer Raum für 6000 Bewohner und 7000 Arbeitsplätze entstehen.
Bürgerliche drohen
Aus Rücksicht auf die Finanzlage des Kantons wird der Bau stärker
etappiert als ursprünglich geplant. So wird auf den Fahrplanwechsel
Ende 2005 erst das Teilstück bis Auzelg gebaut. Der Ast zum Flughafen
folgt auf das Jahr 2008, jener nach Stetbach bis 2010. Ein Grund liegt
ebenso in Drohungen aus den bürgerlichen Parteien, Investitionen in
den öffentlichen Verkehr nur noch zuzustimmen, wenn gleichzeitig der
Strassenbau forciert werde. Allerdings mutet es seltsam an, an diesem Beispiel
beide Verkehrsträger gegeneinander ausspielen zu wollen. Weil die
Glatttalbahn teilweise Strassenraum benötigt, enthält das Projekt
für zusätzlich knapp 100 Millionen Franken Massnahmen, damit
der Individualverkehr über die gleiche Kapazität wie bisher verfügt.
Als Feinverteiler des öffentlichen Verkehrs, also unterhalb der Ebene
S-Bahn, überqueren bisher erst einige Buslinien die Stadtgrenze von
Zürich. Mit der Glatttalbahn wird erstmals ein leistungsstarkes System
auf Schienen Teile der Stadt mit den angrenzenden Gemeinden verbinden.
Das Tram als Kennzeichen von Urbanität dringt in die gerade im Glatttal
zunehmend städtische Agglomeration vor. Und das Projekt ist ausbaufähig.
Es gibt Pläne, die Glatttalbahn über den Flughafen hinaus durch
Kloten, Bassersdorf und Dietlikon hindurch nach Dübendorf zu einem
Kreis zu schliessen.