Lebendiger »Hoffmann« in Heidelberg

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Besuchte Vorstellung 12. Januar 2023 (D




Regie


Andrea Schwalbach

Dirigent


Paul Taubitz

Chorleitung


Michael Pichler

Bühne


Anne Neuser

Kostüme


Alexandre Corazzola

Version


Kaye-Keck

Sprache


Französisch




Hoffmann


Zurab Zurabishwili

Muse


Vera Semieniuk

Olympia


Theresa Immerz

Antonia


Netta Or

Giulietta


Zlata Khershberg

Widersacher


James Hom




Fazit Heidelberg: Ein lebhafter, kreativ und lebendig inszenierter »Hoffmann« mit einem georgischen Startenor.. Aufgeführt in einem eleganten modernen Theater und begleitet von einem Orchester, das auf in Deutschland gewohnt hohem Niveau spielte. Netta Or aus Israel, die ich schon an vier anderen Theatern in dieser Oper hören durfte, sprang für die Antonia ein. Das Bühnenbild fand in einer Art literarischem Salon statt und blieb für die gesamte Oper mit nur geringen Variationen durch Mobiliar und Requisiten gleich. Das Publikum erwies sich als wenig applausfreudig trotz guten bis ausgezeichneten musikalischen Leistungen.



Das Heidelberger Theater liegt mitten in der Stadt ein paar Meter abseits der Fußgängerzone mit ihren speziellen Geschäften. Das 150 Jahre alte Theater in Hufeisenform wurde viel zu klein für eine Stadt wie Heidelberg. Und so gelang es, neben den alten Saal einen modernen neuen in kreativer und unaufdringlicher Holzarchitektur zu errichten: den Marguerre-Saal, der gute 500 Plätze bietet. Er ist benannt nach einem Großspender und Heidelberger Unternehmer und wurde 2012 eingeweiht. Das alte Theater wird für kleinere Veranstaltungen genützt, so zum Beispiel für die kurze Einführung in die Oper, in der nur am Rande auf die Handlung eingegangen wurde.


Die letzte Aufführung wurde von mehreren Schulklassen von Heidelberger Schulen besucht, so dass ein Gegengewicht zum überwiegend älteren Publikum gebildet wurde. Die Zusammenarbeit mit der Presseabteilung war freundlich und problemlos. Im Orchestergraben zählte ich vier Kontrabässe und fünf Celli. Das Theater war voll; ein gutes Zeichen für die Qualität der Inszenierung bei einer letzten Vorstellung.



Leider hielt es mal wieder ein Dirigent für angebracht, die maestoso notierten Auftaktakkorde durchzuhetzen. Schade. Eine Art Salon mit vielen Bücherregalen wurde sichtbar. Ein gemischtes und elegant gekleidetes Publikum bevölkerte ihn. Eine lebhaft agierende und singende Muse trat auf, ebenso ein Lindorf mit voluminöser und mächtiger Stimme, der sich schon in Besitz von Stellas Brief gebracht hatte und daraus vorlas. Olympia wurde hereingebracht,.während Lindorf noch sang und sich vorstellte. .



Lebhafte Trinklieder von Hoffmanns Freunden erklangen, die eine bunte Gesellschaft bildeten. Ein gereifter Hoffmann trat auf und überzeugte sofort mit einer kultivierten und wohlartikulierten Stimme, wie man sie sonst nur an großen Häusern der Metropolen zu hören pflegt. Irgendwie erinnerte er mich an Dr. Faustus. Perfekt und routiniert trug Hoffmann den Klein-Zaches vor, und der gesamte Chor mimte lebhaft dazu. Eine Holzpuppe wurde herumgereicht, wohl den hässlichen Zwerg darstellend. Doch das Heidelberger Publikum honorierte diese Leistung nicht mit Applaus, was selten vorkommt. Auch sonst zeigte sich das Heidelberger Publikum wenig applausfreudig, so dass ich beschloss, bei passender Gelegenheit den Applaus zu eröffnen, was ich auch ein paar Mal tat.



Auf der Bühne ereignete sich Einiges. Die unbändige Olympia wurde gefesselt. Es gab viel Äksch. Zur Vogelarie kleidete sich Niklaus passend. Coppelius kam mit dämonischer Augenklappe in die affektierte und bizarre Gesellschaft bei Spalanzani. Alle hatten fanstasievolle Brillen auf, sogar Niklaus, der doch eigentlich kühlen Kopf bewahren soll. Coppelius gab sich wie ein Salonlöwe. Gut wurde die Anpreisung der Zauberbrille für drei Dukaten artikuliert. Olympia wurde hereingetragen, und superschnell erklang das Lob auf Olympias Augen. Stella war häufig auf der Bühne, sah aber gar nicht wie eine Operndiva aus sondern eher wie ein elegante Salondame.


Auf einem der Sofas sitzend trug Olympia ihre präzise artikulierte Arie vor und schwang sich locker zu brillanten Höhen auf und agierte automatenhaft dazu. Kräftiger Applaus belohnte sie. Im Vergleich zu Würzburg bot Heidelberg viel mehr Spektakel auf der Bühne. Dann saßen Hoffmann und Olympia zusammen auf der Couch, und Hoffmann schien einen Augenblick dem Niklaus zu glauben, dass Olympia tatsächlich tot ist. Sehr schnell tanzten die beiden den Walzer. Als der betrogene Coppelius hereinkam, wurde Olympia leblos, und Hoffmann musste seine Täuschung einsehen. Der hereingelegte Coppelius ging auf Spalanzani los, und der Akt endete mit einem Faustkampf der beiden.


Und schon waren wir bei Antonia, denn das Bühnenbild blieb das gleiche. Antonia spielte die ersten Takte ihres Auftrittsliedes am Klavier. Die als naives Dummchen gestylte Antonia stellte sich mit hellem Sopran vor. Ein Cello improvisierte dazu. Als Niklaus den Hoffmann ermahnen wollte, vorsichtig zu sein um nicht wieder ein Debakel wie mit Olympia zu erleben, hielt er ihr den Mund zu. Seelenvoll und dramatisch sang Niklaus die Geigenarie, die leider so oft gestrichen oder verkürzt wird. In Heidelberg erklang sie in voller Länge. Stella war auf der Bühne, und Niklaus und Stella hielten Händchen. Und es gab den verdienten Applaus. Erfreulicherweise hatten Dramaturgie und Regie den Auftritt des Franz gestrichen, und niemand vermisste ihn.



Ein gnadenloser Mirakel, der keinen Widerspruch duldete, saß lässig auf dem Sofa und rauchte eine Zigarre, wobei er Rauchringe blies. Die Szene erinnerte mich an einen Film mit Orson Welles. Als er sie fragte, wie alt sie sei, flüsterte sie im ihr Alter ins Ohr. Die Auseinandersetzung Krespel – Mirakel wurde ziemlich drastisch dargestellt. Antonia wehrte sich anfangs gegen Mirakels verführerische Einflüsterungen. Beim Terzett sang die Mutter aus den Kulissen, und Stella mimte mit., wobei sie an der Verführbarkeit ihrer Tochter verzweifelte. Antonia trank einen Becher mit Mirakels Medizin, den ihr Vater Krespel wegnehmen wollte, doch zu spät. Und schon war Giulietta da, doch vorher war Pause.



Auch im Giulietta-Akt war das Bühnenbild im Wesentlichen das gleiche geblieben. Ein Flügel hing verkehrt von oben herab. Dieser Flügel war ziemlich kaputt, denn seine Innereien quollen aus der Tastatur. Auf dem Flügel war Antonia innerhalb von weißen Blumen begraben. Wohl eine Anspielung auf das Scheitern einer Musikkarriere im Akt vorher. Leider war bei der Barkarole die Piccoloflöte wieder wie auch schon am Abend vorher das lauteste Instrument, das aus dem Orchestergraben erklang. Giulietta und Niklaus standen zur Barkarole nebeneinander. Giuliettas Salon war von eher bürgerlichen als erotischen Gestalten bevölkert. Auch Giulietta selbst war wenig kurtisanenhaft gekleidet. Ein mächtiger Hoffmann sang ziemlich früh im Akt die werksfremde Spiegelarie des Andreas Bloch, ohne die aber so mancher im Publikum nicht nach Hause gehen will.


Die Muse erweckte Olympia, Antonia und Stella zum Leben, so dass sich alle Frauen Hoffmanns auf der Bühne befanden und die Dreieinigkeit symbolisierte, Giulietta erklärte ihren Wunsch, Hoffmanns Spiegelbild zu bekommen damit, dass sie ihn damit immer sehen könne, wenn er ihr geraubt werden sollte. Gute Idee. Ein feuriges Duett Giulietta – Hoffmann folgte: Heute Tränen, morgen Freude. Dann schien Hoffmann gewahr zu werden, dass er um sein Spiegelbild betrogen worden war. Der Flügel senkte sich herab und drohte, Hoffmann und Niklaus zu erdrücken. Dann sollte Hoffmann im Namen des Gesetzes verhaftet werden, doch er tötete Giuliettas Sklaven und Schoßhündchen Pitichinaccio. Stella erschien wieder zum à cappella-Männerchor.



Antonia erschien wieder mit Vater Krespel. Alle waren wieder lebendig, als Hoffmann den Rest des Klein-Zaches sang. Das Theater und Hoffmanns Phantasien waren offensichtlich vorbei. Die Muse hielt ein Buch mit Hoffmanns Erzählungen in der Hand und sang die Apotheose auf Hoffmann vom Schmerz und den Tränen, die einen groß machen. Sie versprach, dass die Muse Hoffmanns Leiden lindern werde. Also erfreulicherweise wieder einmal ein glückliches Ende. Und zu guter Letzt versöhnte sich Hoffmann mit seinem von ihm getöteten Rivalen Schlemihl.


Spontaner kräftiger Applaus belohnte die gekonnt inszenierte und gesungene Oper. Jubel für Olympia, Applaus für Antonia und Giulietta und kräftiger Applaus für die Muse. Jubel für Hoffmann. Auch der Cellist kam auf die Bühne. Eine Verbeugung vor dem Cellisten Jacques Offenbach? Acht Minuten dauerte der Applaus.

















Alle Rechte an den obigen Szenenfotos liegen bei und beim Fotografen...... Wir danken für die freundliche Zusammenarbeit.



















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