Sympathischer »Hoffmann« in Würzburg


www.mainfrankentheater.de


Theaterfabrik Blaue Halle


Besuchte Vorstellung 11. Januar 2023





Besprechung in Arbeit

voraussichtliches Ende Montag 16.1.

Regie


Nicole Claudia Weber

Dirigent


Gábor Hontvári

Chorleitung


Sören Eckhoff

Bühne und Kostüme


Aida Leonor Guardia




Version


Kaye-Keck

Sprache


Französisch




Hoffmann


Mickael Spadaccini

Muse


Vero Miller

Olympia


Akiho Tsujii

Antonia


Silke Evers

Giulietta


Barbara Schöller

Widersacher


Kosma Ranuer






Fazit Würzburg: Ein gelungener »Hoffmann«, wie man ihn sich öfter zu sehen wünscht. Ein echtes Kontrastprogramm zum vorhergenden bizarren und verfremdeten »Hoffmann« in Göteborg. Bühnenbild, Kostüme, Stimmen und Orchester präsentierten einen erfreulichen Opernabend. Das Bühnenbild war von seltener bildhafter Klarheit und ausdrucksvoller Einfachheit und die Kostüme passend. Die Geschichte Hoffmanns wurde richtig und nachvollziehbar erzählt. Erfreulicherweise wurde auf werksfremde Bizarrerien und Verfremdungen verzichtet. Musikalisch war alles in bester Ordnung und spielte sich auf hohem deutschen Stadttheaterniveau ab. Das Orchester begleitete immer schön differenziert der jeweiligen Handlung angepasst. Das überwiegend ältere Publikum war angetan und spendete häufigen Szenenapplaus.

Intendanten, Opernchefs und kleinere Theater aufgepasst: Dieser »Hoffmann« eignet sich auf Grund seines leicht transportablen Bühnenbildes und seines klaren und verständlichen Konzepts hervorragend für Gastspiele an Orten, an denen sonst keine Opern aufgeführt werden. Das Mainfrankentheater hat gezeigt, dass man auch in einer Industriehalle große Oper erfolgreich aufführen kann.



Wegen der Renovierung des Würzburger Mainfrankentheaters wurde eine Fabrikhalle im Industriegebiet Veitshöchheims angemietet und zur vollgültigen Spielstätte umgebaut. Vom Orchestergraben über die Toiletten zur Gastronomie war alles vorhanden. Die Ausweichspielstätte Blaue Halle befindet sich auf dem Gelände einer Dämmstofffirma, bis die Renovierung in zwei bis drei Jahren beendet ist. 440 Zuschauer finden Platz, und alle sehen gut auf die breite Bühne. Die Akustik in der Blauen Halle ist erstaunlich gut. Das auf 25 Meter auseinandergezogene Orchester bietet einen hervorragenden Raumklang. Im Orchestergraben zählte ich drei Kontrabässe und vier Celli. Die Zusammenarbeit mit der Presseabteilung war freundlich und problemlos.

Würzburg gehört zu den wenigen größeren deutschen Theatern, das in den letzten 15 Jahren keinen »Hoffmann« inszenierte. Jetzt fehlen z.B. noch Nürnberg, Braunschweig und Chemnitz. Leider konnte ich aus gesundheitlichen Gründen die Premiere nicht besuchen.

Vor der Vorstellung gab es eine Einführung, in der die Entstehung dieser Oper dargestellt wurde. Eine interessante Bemerkung des Dramaturgen war, dass angesichts des reichlich vorhandenen Materials jedes Theater eine Auswahl treffen muss, was gespielt werden soll. Solchermaßen wird jede Inszernierung von Hoffmanns Erzählungen zu einer Uraufführung eigener Art.

Schön wuchtig und maestoso erklangen die Auftaktakkorde. Ganz in Schwarz gekleidet und fast vermummt stellte sich der Chor mit den Trinkliedern vor. Dieser musikalische Beginn ließ nur Gutes erwarten. Dann sang die Muse die Apotheose auf Hoffmann, wie sie in der Kaye-Keck-Version möglich ist. Die Muse war zuerst in einem Fantasiekostüm erschienen und zog sich dann zum Niklaus um. Mit gefühlvollem Mezzo stellte sie sich vor. Ausführlich wurde die Ersteigerung des Briefes gezeigt. Mit voluminösem und gut artikuliertem Tenor sang Hoffmann den Klein-Zaches und mimte dazu. Und schon gab es den wichtigen ersten Applaus. Hoffmann wurde richtig wütend auf Lindorf, so dass Niklaus dazwischengehen musste. Den ersten Akt hatte man auf passende 25 Minuten gekürzt.


Spalanzanis Salon betrat man durch ein großes Schlüsselloch in einer schwarzen Wand, die den Bühnenhintergrund bildete. Eine lebhafte Muse mit voller und dunkler Stimme warnte Hoffmann mit der Vogelarie. Die folgende Szene mit Hoffmann, der Muse und Coppelius zog sich etwas zu lange hin.

Spalanzanis Gesellschaft war weitgehend gleich in Schwarz gekleidet. Sehr schnell kam das Lob auf Olympias Augen. Olympia war extravagant gekleidet mit ausladender Schwanenfrisur. Sie wurde von Cochenille per Handyapp gesteuert. Olympia krallte sich sogar das Handy und steuerte sich selbst während ihrer lebhaft vorgetragenen Arie, Kräftiger Applaus. Dann schickte Hoffmann seinen Niklaus weg, um mit Olympia alleine sein zu können.

Doch so ganz alleine waren die beiden nicht, denn Cochenille steuerte die Olympia weiterhin per Handy von oben. Ein netter Einfall. Die Zerstörung der Olympia fand hinter den Kulissen statt, und Coppelius kam triumphierend mit je einem Auge Olympias in einer Hand aus dem Schlüsselloch heraus. Er zeigte die Augen der Gesellschaft und Hoffmann.

Sofort ging es weiter mit dem Antonia-Akt. Wieder sah man ein einfaches und klares Bühnenbild, das einen guten Rahmen für die Handlung auf der Bühne bildete: Eine Art Felswand, davor ein flauschiger Boden, eine Art Flokati. Mehr nicht, und so konzentrierte sich die Handlung auf die Akteure. Antonia erschien in einem langen roten Kleid.

Bald gab es wieder mal einen Franz, den man aber rücksichtsvollerweise nicht in voller Länge auftreten ließ. Die Dramaturgie hatte aufgepasst und ließ ihn seinen Mangel an Gesangstechnik beklagen. Kurzer Applaus. Dann ahmte Niklaus gekonnt lustig die Olympia nach, doch ohne Hoffmann zu beeindrucken. Dann kam erfreulicherweise meine geliebte Geigenarie, die auch beklatscht wurde.

Interessant, wie Hoffmann von oben zusah, wie Mirakel seinen teuflischen Plan entwickelte, die Antonia zu einer fiktiven Karriere zu verführen. Antonia wirkte in ihrem langen roten Kleid wie ein unerfahrenes junges Mädchen, das sich fremdsteuern lässt. Beschwörend malte Mirakel ihre Karriere aus. Die Stimme der Mutter erklang verhallt aus den Kulissen. Glänzend und dramatisch gesungen erklang das finale Terzett, Applaus und Pause.

Schwelgerisch begleitet und sinnlich gesungen erklang die Barkarole. Leider pfiff mal wieder eine Piccoloflöte, die zum lautesten Instrument im Orchestergraben wurde. Ein transparentes Tuch bedeckte Giuliettas Entourage und ließ sie als geschlossene Gesellschaft erscheinen. Hoffmann befand sich noch außerhalb dieser Welt, aber er trat bald in sie hinein. Eine sinnliche Atmosphäre herrschte auf der Bühne, ohne dass jetzt Laszivitäten angedeutet wurden. Giulietta wirkte eher wie eine mondäne Salondame, und Dapertutto nicht wie ein Hauptmann oder Zuhälter, sondern eher wie ein verschrobener Magier aus einem Fantasyfilm oder wie ein Edelclochard.

Gelungenes Detail: Niklaus fühlte sich in diesem Ambiente überhaupt nicht wohl, verlieh seinem Gefühl mimisch und grimassierend Ausdruck und wollte seinen Schützling Hoffmann von der Kurtisane wegreißen. Endlich wurde mal statt der angestaubten und aus fremder Hand in die Oper eingefügten Spiegelarie eine original von Jacques Offenbach stammende Diamantenarie gesungen, in diesem Fall die lebhaftere Staccato-Variante.

Ein höchst sinnliche Giulietta erfreute mit feuriger Stimme. Sie lud Hoffmann und Schlemihl zum Glücksspiel auf einem Fass (Kober): Wer gewinnt, darf mich haben. Dann erstach Hoffmann seinen Rivalen Schlemihl mit Dapertuttos Degen.

Optisch gut dargestellt wurde Hoffmanns Verlust seines Spiegelbildes: In einem projizierten Kreis fanden sich Giulietta und Hoffmann, aus dem Hoffmanns Bild schnöde verschwand. Der Kreis wurde leer. Aus Rache tötete Hoffmann Giuliettas Sklaven und Schoßhündchen Pitichinaccio. Und der Akt war aus.

Nahtloser Übergang zum melancholischen Hörnerchor, der ohne Kiekser erklang. Der à cappella-Männerchor wurde sensibel gesungen. Der betrogene und verlassene Hoffmann war wieder der Versager und Verlierer, der hässliche Zwerg.

Doch seine treue Muse ließ ihn nicht alleine. In einem bewegenden Finale versicherte sie ihrem Dichter: Dein ist die Zukunft.

Das Publikum applaudierte begeistert und bejubelte Solisten, Orchester und Chor. Bald wurde ryhythmisch geklatscht und stehend Applaus gespendet.

Der Würzburger Hoffmann wird noch in den Februar hinein gespielt und hoffentlich von einer anderen Spielstätte übernommen.


Alle Rechte an den obigen Szenenfotos liegen bei und beim Fotografen...... Wir danken für die freundliche Zusammenarbeit.



















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