Vorschlag für eine Einführung (ca. 15 Minuten)


Geeignet für alle drei Versionen der Oper


© Gerhart Wiesend, München



Diese Oper gehört zu den 25 beliebtesten und meistgespielten.

Die Musik wurde von Jacques Offenbach (1819 – 1880) komponiert, in Köln als sohn eines jüdischen Kantors geboren. Offenbach war begabter Cellist und wurde als Jugendlicher zur weiteren Ausbildung nach Paris gebracht, wo seine Laufbahn stattfand. Das Libretto basiert auf einem Schauspiel der französischen Bühnenschriftsteller Michel Carré und Jean Paul Barbier. Der Namensgeber dieser Oper war das deutsche Universalgenie Ernst Theodor Wilhelm Hoffmann (1776 – 1822), bekannt als E.T.A. Hoffmann, da er aus Verehrung für Mozart seinen letzten Vornamen in Amadeus änderte.

E.T.A. Hoffmann ist am bekanntesten als Verfasser von Novellen und Kurzgeschichten mit meist mysteriösen Inhalten. Goethe nannte ihn deswegen Gespenster-Hoffmann. E.T.A. war außerdem begabter Zeichner, Richter am höchsten preußischen Gerichtshof und Komponist von Barockmusik und Opern.

In Frankreich war er als Schriftsteller erfolgreicher als in Deutschland. 25 Jahre vor der Opernpremiere verfassten Barbier und Carré ein Schauspiel, in dem sie die Handlungen mehrerer von Hoffmanns Erzählungen verwendeten und Hoffmann selbst zur Hauptperson seiner eigenen Geschichten machten. Dieses Schauspiel sah Jacques Offenbach in Paris, und schließlich sicherte er sich den Auftrag, dieses Schauspiel zu vertonen.

Schicksalsschläge, Bankrotte und der fatale preußisch-französische Krieg von 1870 hinderten Offenbach immer wieder an der Fertigstellung der Oper. Mit einer anderen Oper, den Rheinnixen, war er gescheitert. Aber sie diente ihm als Fundgrube für u.a. die bekannteste Melodie dieser Oper, die Barkarole aus dem Giulietta-Akt.

Anders als oft berichtet ist diese Oper kein unvollendeter Torso und schon gleich gar kein Fragment. Wir kennen das Originallibretto, das fast 100 Jahre nach der Uraufführung von Josef Heinzelmann wiederentdeckt wurde. Offenbach hinterließ zahlreiche alternative Musiknummern und Skizzen, konnte aber keine endgültige Fassung mehr erstellen. Jedes Theater muss nun seine eigene Auswahl treffen, da für viereinhalb Stunden Material vorhanden ist. Es gibt also niemals die gleiche Oper. Alle Musiknummern Jacques Offenbachs sind bekannt, nur bei einigen konnte er die Orchestrierung nicht mehr vollenden.

Offenbach starb während der Proben. Auf seinem Sterbebett zu Hause konnte er noch eine Probeaufführung mit Klavierbegleitung erleben. Die Premiere an der Pariser Opéra Comique im Frühjahr 1881 wurde ein triumphaler Erfolg, den Offenbach nicht mehr erlebte.

Die Uraufführung war aber nun zu einem Torso geraten, denn man hatte die Oper mehrfach umgebaut, u.a. den Giulietta-Akt ganz gestrichen, und die Barkarole in den Antonia-Akt verlegt. In der Folge wurde an der Oper vielfach herumgebastelt, neue fremde Nummern wurden eingefügt, und das Originallibretto war verlorengegangen, so dass sie bis in die 70er Jahre des 20. Jahrhunderts nur als Torso gespielt werden konnte.

Da Jacques Offenbach jüdischer Herkunft war, verboten die Nazis die Aufführung dieser Oper in ihrem Herrschaftsbereich.

Erst Fritz Oeser fand neues Originalmaterial, z.B. die seelenvolle Geigenarie des Antonia-Aktes, und führte die Oper näher an ihren Originalzustand heran. .

Die Musikwissenschaftler Michael Kaye (USA) und Jean Christoph Keck stellten Ende des 20. Jahrhunderts im Auftrag des Mainzer Schott-Verlages die heute bestmögliche Fassung vor, die Offenbachs Intentionen am nächsten kommt.

Es gibt heute drei Basisversionen und zahllose Bearbeitungen.

- Die lizenzfreie Guiraud-Choudens-Version. Guiraud war ein Freund Offenbachs, Choudens der Verleger.

- Die Oeser-Version, die 7 – 11% jeder Abendkasse an den Alkor-Verlag kostet, erstellt vom Musikwisschenschaftler Fritz Oeser, der neue Nummern entdeckt hatte.

- Die teure Kaye-Keck-Version, für die zwischen 13 und 17% jeder Abendkasse an die Rechteinhaber abzuführen sind.


Nun zur Handlung:.

Die Oper besteht aus fünf Akten, zwei Rahmenakten in Lutters Kneipe, und aus drei Zentralakten, die auf verschiedenen Erzählungen E.T.A. Hoffmanns beruhen. Von Adelbert von Chamisso stammt die Episode des Schlemihl im Giulietta-Akt. Zufällig sind Chamisso und E.T.A. Hoffmann auf dem gleichen Friedhof am Mehringdamm in Berlin beerdigt. Die Rahmenakte in der Taverne Lutters wurden von Carré und Barbier gestaltet, wobei sie Elemente von E.T.A. Hoffmanns Geschichten verwendeten.


1. Akt in Lutters Taverne, einer deutschen Weinstube:

Hoffmann wurde von seiner Geliebten Stella, der gefeierten Mezzosopranistin, verlassen. Sie singt in der Oper nebenan die Donna Anna in Mozarts Don Giovanni. Doch sie bereute ihre Trennung und schrieb Hoffmann einen Brief mit dem Schlüssel zu ihrer Garderobe, in der er sie nach der Vorstellung aufsuchen soll. Doch Hoffmann hat einen Rivalen, den Stadtrat Lindorf, der auch ein Auge auf Stella geworfen hat. Lindorf besticht den Briefboten, und Stellas Brief erreicht Hoffmann nicht.

Hoffmann trifft sich mit seinen Freunden in seiner Stammkneipe beim Wirt Lutter (heute Lutter & Wegner am Berliner Gendarmenmarkt, wo es eine E.T.A. Hoffmann-Stube gibt). Hoffmann wird begleitet von seiner Muse, die sich zum Freund Niklaus umzieht und eine Hosenrolle singt. Diese Doppel-Figur stammt nicht aus den Erzählungen E.T.A. Hoffmanns, sondern wurde von Barbier und Carré hinzugefügt, möglicherweise nach dem Vorbild des Leporello aus Mozarts Don Giovanni. Die Muse bzw. Niklaus verkörpert die Rolle der Vernunft und soll den oft irrenden und labilen Hoffmann auf den rechten Weg der Kunst führen.

Hoffmann ist trüber Stimmung, denn er fühlt sich als verlassener Verlierer. Er singt die Ballade vom hässlichen Zwerg Klein-Zaches, denn so fühlt er sich auch. Für seine Freunde erzählt er die Geschichten seiner drei Lieben, die er in seiner Vorstellung in seiner Idealfrau Stella vereint sieht.


2. Akt (Olympia) in Paris:

Der erste der drei Zentralakte handelt vom Automaten Olympia, geschaffen vom genialen Physiker Spalanzani. Ein wirklicher Naturforscher namens Lazzaro Spallanzani lebte 1729 - 1799 in Pavia. Der Brillenhändler Coppelius schuf die Augen der automatischen Puppe Olympia, wurde aber von Spalanzani mit einem geplatzten Wechsel des Bankiers Elias um seinen Lohn betrogen. Spalanzani führt sein Geschöpf Olympia auf einem Fest der Pariser Schickeria vor. Hoffmann verliebt sich unsterblich in die schöne Olympia, nachdem ihm Coppelius eine Zauberbrille verkauft hatte. Niklaus warnt Hoffmann vor dem Automaten, doch vergeblich. Der betrogene Coppelius rächt sich, indem er Olympia vor den Augen Hoffmanns zerstört. Hoffmann wird verspottet, weil er sich in einen seelenlosen Autromaten verliebt hatte.


3. Akt (Antonia) in München:

Hoffmann ist verlobt mit der jungen Sängerin Antonia, die an einer mysteriösen Erbkrankheit leidet. Sie ist die Tochter einer berühmten Sängerin, die an ebendieser Krankheit verstarb. Wenn Antonia singt, stirbt auch sie. Antonias Vater Krespel reist deswegen mit seiner Tochter in die damalige Kunst- und Musikstadt München, um sie von Hoffmann abzubringen, den er fälschlicherweise verdächtigt, Antonia zum Singen verleiten zu wollen. Doch Hoffmann und Niklaus reisen ihnen nach und finden sie. In Wirklichkeit aber ist es der dämonische Arzt Mirakel (vermutlich nach dem Vorbild Samuel Hahnemanns gestaltet, der in Paris u.a. Paganini homöopathisch behandelte), der Antonia zum Singen verführt. Mirakel malt der Antonia eine glänzende Karriere als Sängerin aus und beschwört dazu Antonias verstorbene Mutter, und bringt sie so zum Singen. Antonia singt und stirbt folglich in den Armen ihres Vaters. Hoffmann hat seine zweite Liebe verloren.


4. Akt (Giulietta) in Venedig:

Die Kurtisane Giulietta betreibt ein Edelbordell. Sie ist dem Hauptmann Dapertutto hörig, der allerlei merkwürdige Dinge sammelt. So hat Giulietta ihrem Sklaven Schlemihl dessen Schatten abgenommen und Dapertutto gegeben.

Hoffmann hat im Glücksspiel all sein Geld verloren und verfällt sofort den Verführungskünsten Giuliettas. Sie bietet ihm ihre Gunst an, wenn er ihr anstatt Geld sein Spiegelbild gibt. Der verknallte Hoffmann stimmt zu, doch Giulietta hält ihr Versprechen nicht. Hoffmann hatte im Duell Schlemihl getötet, und Giulietta warnt ihn vor der Polizei. Sie nützt diese für Hoffmann gefährliche Situation und verschwindet mit Dapertutto, ohne Hoffmann erhört zu haben. Hoffmann hat sein Spiegelbild, symbolisch für seine Seele, an Giulietta verloren, aber sie nicht bekommen.


5. Akt wieder bei Lutter:

Hoffmann ist wieder mit seinen Freunden in Lutters Kneipe, stockbesoffen. Stella sucht ihn, denn er war nach dem Don Giovanni nicht zu ihr in die Garderobe gekommen. Hoffmann erkennt sie in seinem Suff nicht und fragt sie, ob sie Olympia, Antonia oder Giulietta sei. Stella ist angewidert und geht mit Lindorf fort. Hoffmann hatte seinem Rivalen Lindorf noch den Rest des Klein-Zaches hinterher-geschleudert.

Hoffmann ist sturzbetrunken, wird aber von seiner Muse wieder zum Leben erweckt und seiner Bestimmung als Dichter zugeführt.


© Gerhart Wiesend, München, 2023


Der Text dieser Einführung steht Theatern zur freien Verfügung, wenn sie pro Verwendung zwei Freikarten an jugendliche oder bedürftige Opernfreunde spendieren.





























































































































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