Zur Geschichte der Oper
Les contes d´Hoffmann
Eine gute Zusammenfassung der Geschichte dieser Oper gab der Offenbach-Forscher Josef Heinzelmann im Internet-Magazin Klassik.Com. Hier der Link:
http://portraits.klassik.com/musikzeitschriften/template.cfm?SEITE=1&START=1&AID=851
Eine ausführlichere Darstellung der Geschichte dieser Oper gibt Josef Heinzelmann in einem Aufsatz in seinem Buch Les Contes d´Hoffmann, Seite 221 ff.
erschienen bei Reclam ISBN 3-15-018329-4
Eine ebenfalls umfassende und aktuelle Darstellung der Entstehungsgeschichte der »Contes« findet sich auf dem Internetportal Wapedia:
http://wapedia.mobi/de/Hoffmanns_Erz%C3%A4hlungen
Dieser Artikel ist identisch mit dem auf Wikipedia
Die drei Versionen dieser Oper
Aus der schwierigen und durch die Krankheit Jacques Offenbachs und verschiedene äußere Umstände bedingten chaotischen Entstehungsgeschichte dieser Oper erwuchsen drei verschiedene Versionen, die heute noch nebeneinander existieren und gespielt werden. Daneben exisieren eigene Bearbeitungen verschiedener Dramaturgen sowie Kombinationen der drei Versionen, wenn ein Theater z.B., wie am Königlichen Opernhaus Covent Garden geschehen, Teile der Oeser-Version in die Guiraud-Choudes-Version einbaut.
Die Guiraud-Choudens-Version, auch Guiraud-Version oder auch Choudens-Version genannt.
Die sogenannte Guiraud oder auch Guiraud-Choudens-Version ist die älteste Version, die heute noch gespielt wird. Guiraud war ein Freund der Familie Jacques Offenbachs und wurde nach dessen Tod gebeten, eine spielbare und den schwierigen Umständen angepasste Version dieser Oper herzustellen. Choudens war der Verleger, in dessen Verlag diese Version veröffentlicht wurde.. Dabei wurden wesentliche Intentionen des verstorbenen Komponisten verändert. Diese Version war bis fast ein Jahrhundert nach dem Tod Jacques Offenbachs die überall gespielte Standardversion, obwohl sie in dieser Form in aller Wahrscheinlichkeit nicht von Komponist Offenbach und Librettist Jules Barbierbeabsichtigt war. Sie wird heute noch gespielt, weil sie frei von Lizenzgebühren an einen Musikverlag ist, was besonders für solche Theater von Bedeutung ist, die nur wenig finanziellen Spielraum haben.
Auch die heutige Guiraud-Choudens-Version weicht bedeutend von der Version der Uraufführung ab und erhielt zu Beginn des 20. Jahrhunderts ihre Gestalt. Sie gilt heute als veraltet, da sie von fremder Hand hinzugefügtes Material enthält, sowie wesentliche von Jacques Offenbach selbst komponierte Musiknummern nicht enthält. Außerdem ist das Libretto besonders des Giulietta-Aktes sowie des Finales weit vom heutigen Kenntnisstand entfernt. Nur das Vorspiel in Lutters Taverne bzw. der erste Akt, der Olympia-Akt und der Antonia-Akt entsprechen einigermaßen den Absichten von Offenbach und Barbier. Der Giulietta-Akt und das Finale weichen stark von der heute verfügbaren sogenannten Kaye-Keck-Version ab, die am meisten den Absichten des Komponisten und des Librettisten entsprechen.
Die Oeser-Version
Nachdem in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts neues Originalmaterial von Jacques Offenbach und besonders nachdem der Musikwissenschaftler und Theatermann Josef Heinzelmann das sogenannte Zensurlibretto auf einem Dachboden gefunden hatte, wurde eine umfassende Neubearbeitung der Contes unumgänglich. Das Zensurlibretto heißt so, weil es …. von Librettist Jules Paul Barbier und Komponist Jacques Offenbach den strengen französischen Zensurbehörden eingereicht werden musste, die im Frankreich jener zeit alles kontrollierten, obwohl der Usurpator und Autokrat Napoleon III. Schon längst gestürzt war. Man darf davon ausgehen, dass dieses Libretto weitestgehend den Absichten Offenbachs und Barbiers entsprach. Mit der aufgabe, eine dem damaligen Kenntnisstand entsprechende Neubearbeitung der Oper entsprechende Version zu erstellen, wurde der deutsche Musikwissenschaftler Oeser beauftragt, dem alledings noch nicht das heute verfügbare Originalmaterial zur Verfügung stand. Die Oeser-Version wurde …. zum ersten Mal in … aufgeführt und stellte einen großen Schritt in die Richtung einer den Absichten des Librettisten und Komponisten entsprechenden Version dar. So kam zum Beispiel die wunderschöne Geigenarie des Niklaus in den Antonia-Akt, außerdem wurde der Giulietta-Akt vervollständigt und besonders das Finale um bedeutende Musiknummern ergänzt. Diese Oeser-Version wird heute noch häufig gespielt, zum Beispiel 2009 an der Met oder 2012 an der Mailänder Scala. Sie gilt zwar als nicht dem neuesten Forschungsstand entsprechend, kostet aber deutlich weniger Lizenzgebühren an den Alkor-Verlag als an den Schott-Verlag für die neueste Kaye-Keck-Version fällig werden. Allerdings gehören beide Verlage zur selben Gruppe, sind aber formal getrennt.
Die Oeser-Version basiert auf dem sogenannten Hauskonzert bei dem schon kranken Jacques Offenbach, in dem eine Vorabversion dieser Oper mit Klavierbegleitung nach den Intentionen von Librettist und Komponist einem geladenen Publikum vorgstellt wurde. Diese Version enthielt zwar schon die wesentlichen Musiknummern, aber noch keine durchgehende Orchestrierung, so dass Oeser weite Teile der Orchestrierung aus eigener Hand hinzufügen musste. Das ist ein häufig gegen Oeser vorgebrachter Vorwurf, der aber dahingehend korrigiert werden muss, dass Oeser keine eigenen Musiknummern hinzufügte, wie ihm das manchmal unterstellt wird.
Auf der Oeser-Version basiert die 1988 erschienene ziemlich vollständige und musikalisch hervorragend gelungene Studioaufnahme von Cambreling, die drei CDs umfasst.
Die Kaye-Keck-Version
Die Kaye-Keck-Version stellt die beste und den Absichten des Librettisten Jules Paul Barbiers und des Komponisten Jacques Offenbach am nächsten kommende Version dar, da nach Erstellung der Oeser-Version noch weiteres musikalisches Originalmaterial gefunden bzw. von Nachkommen Jacques Offenbachs auf den Markt gebracht wurde. Eine endgültige Version existiert bis heute nicht und wird nie existieren, da Jacques Offenbach vor einer Uraufführung verstarb. Jedoch arbeitete er nach dem sogenannten Hauskonzert 1879 (?) noch weiter an den Contes, und große Teile dieser Arbeit sind heute bekannt. 1995 wurde im Pariser Musee d´Orsay im Rahmen einer Sonderausstellung in einer Vitrine ein Manuskript der Öffentlichkeit gezeigt, in dem Offenbachs spätere Bearbeitungen eingefügt waren. Auf diesen basiert die sogenannte Kaye-Keck-Version, die im Auftrag des Schott-Musik-Verlages von dem in Florida lebenden US-amerikanischen Musikwissenschaftler Michael Kaye und dem französischen Jacques-Offenbach-Experten Jean-Christophe Keck erarbeitet wurde. Da sie deutlich mehr Linzengebühren (bis zu 17 % der jeweiligen Abendkasse) als die Oeser-Version kostet, ziehen viele Theater die Oeser-Version vor, die einen Kompromiss zwischen der verstümmelten Guiraud-Choudens-Version und der modernsten Kaye-Keck-Version darstellt.
Dieser Ansicht sind jedoch nicht alle Freunde dieser Oper. Manche meinen, wenn man schon nicht die beste verfügbare Version spielt, kann man gleich die unvollständige Guiraud-Choudens-Version spielen. Eine solche Fundamentalposition berücksichtigt aber nicht die finanziellen Probleme, vor denen viele Theater stehen und für die ein Betrag von z.B. 3000 Euro mehr oder weniger pro Abend einen wesentlichen Kostenfaktor darstellt.
Auf der Kaye-Keck-Version basiert die Einspielung des Dirigenten Kent Nagano, die … auf ebenfalls drei CDs bei Erato erschien. Obwohl musikalisch formal perfekt, mangelt es ihr gelegentlich an gefühliger Qualität. So werden zum Beispiel die Barkarole zu Beginn des Giulietta-Aktes und einige andere Musiknummern etwas hastig dargeboten, wo sich ein Freund dieser Oper etwas mehr Einfühlung wünscht. Außerdem enthält diese Einspielung die traditionelle Melodie der sogenannten Spiegel-Arie, die 1904 bei einer Aufführung in Monaco von fremder Hand hinzugefügt wurde, sich aber inzwischen bei Sängern wie Publikum einer gewissen Beliebtheit erfreut, obwohl diese Melodie von Jacques Offenbach nie für die Contes vorgesehen war. Noch dazu existiert für den gleichen Text eine Originalmelodie Jacques Offenbachs, die musikalisch anspruchsvoller ist, wenn auch nicht über die einfache und eingängige Melodieführung der traditionellen Spiegel-Arie verfügt.
So existiert also für den wahren Freund der Contes bis heute keine voll befriedigende und einigermaßen vollständige Gesamtaufnahme dieser Oper.
Das Grab E.T.A. Hoffmanns auf dem Friedhof am Mehringdamm in Berlin
(U-Bahn Mehringdamm)
Es liegt ziemlich in der Mitte des Friedhofs links vom Hauptweg, der vom Eingang wegführt, noch vor der Kreuzung der beiden asfaltierten Wege.
Der Weg zu ihm ist ziemlich ausgetreten
Das Grab des Immanuel von Kamptz in der Nähe von E.T.A. Hoffmanns Grab
Keine zwei Meter links hinter dem Grab E.T.A. Hoffmanns liegt das Grab des Polizeioberkommissars Immanuel von Kamptz (1905 – 1977) und dessen Ehefrau. Margarethe.
Dieser seltene Name von Kamptz lässt aufhorchen, denn Karl Albert von Kamptz (1769 – 1849) war Vorgesetzter E.T.A. Hoffmanns und wurde zu dessen Gegner, nachdem der junge preußische Beamte Hoffmann den konservativen v. Kamptz (und andere Vorgesetzte) in seiner Erzählung Meister Floh als »Polizeischnüffler Knarrpanti« karikiert hatte. E.T.A. Hoffmann wurde zur Strafe für zwei Jahre in die polnische Kleinstadt Plock versetzt.
Diese Episode in E.T.A. Hoffmanns Leben findet auch in der Oper Erwähnung. Im Vorspiel in Lutters Keller debattieren Hoffmanns Freunde darüber, welches Lied er ihnen singen soll. Der vorgeschlagene »Meister Floh« wird als zu riskant abgelehnt, und Hoffmann singt stattdessen den unverfänglichen »Kleinzach«.
Nun ist der Familienname von Kamptz nicht besonders häufig, und es ist gut möglich, dass mit Immanuel von Kamptz ein Verwandter oder gar Nachkomme von Hoffmanns Gegner in unmittelbarer Nähe des Dichters begraben liegt. Ich kann mir vorstellen, dass sich E.T.A. Hoffmann eine solche Konstellation in einer seiner Erzählungen hätte ausdenken können.
Immanuel von Kamptz wurde nach 1945 Polizeioberkommissar in Berlin Kreuzberg und blieb damit einer Familientradition treu, wenn er denn mit Karl Albert von Kamptz verwandt ist. Im Dritten Reich hatte er Karriere als SS-Obergruppenführer (entspricht dem Generalsrang) und Polizei-General gemacht.
Ob diese Nähe der beiden Gräber Zufall ist oder absichtlich von einem Literaturkenner veranlasst wurde, werde ich untersuchen. Die Nachbarschaft der beiden Gräber würde jedenfalls eine Ironie der Geschichte darstellen, wenn Immanel von Kamptz sich als Nachkomme.Karl Albert von Kamptz´erweisen sollte.
© Gerhart Wiesend
Textprobe aus E.T.A. Hoffmanns Meister Floh
Der Geheime Hofrat Knarrpanti war gekommen, um die angebliche Entführung einer Prinzessin aufzuklären und bat die örtlichen Behörden um Beistand bei seinen Ermittlungen gegen Peregrinus Tyß
Der Rat erwiderte, das Gerücht von einer
vornehmen Dame, die entführt sein solle, sei als grundlos
widerlegt, dagegen vollkommen ermittelt, dass überhaupt niemand
entführt worden, es könne daher von Ausmittlung eines
Entführers nicht die Rede sein, und werde der Herr Geheime
Hofrat Knarrpanti, aller weiteren Nachforschungen entübrigt,
wohl keines Beistandes bedürfen. »Ich glaube selbst gar nicht, dass der junge
Mann unsre Prinzessin, die schon vor mehreren Jahren mit einem
landstreicherischen Komödianten durchgegangen ist, entführt
hat, ja entführt haben kann. Aber ich durfte die Gelegenheit
nicht versäumen, zu meinem eigenen Besten einen großen
Rumor zu machen. Mein kleiner Herr fing an gleichgültig gegen
mich zu werden, und am Hofe nannte man mich einen langweiligen
Träumer, ja, man fand mich öfters albern und fade, da doch
keiner mir an Geist und Geschmack überlegen war, keiner von
allen den kleinen Dienst, durch den man sich eben einschmeichelt bei
dem Herrn, [so gut verstand] als ich. Half ich nicht selbst dem
Kammerdiener des Fürsten beim Stiefelputzen? Da kam ja die
Entführungsgeschichte wie eine Wohltat des Himmels. Mit der
Nachricht, daß ich der entflohenen Prinzessin auf die Spur
gekommen, erhob ich mich plötzlich wieder zu dem Ansehen, das
ich beinahe ganz verloren. Man findet mich wieder verständig,
weise, gewandt und vorzüglich dem Herrn so treu ergeben, daß
ich eine Stütze des Staats zu nennen, auf der alles Wohl
beruht.
Knarrpanti hörte
dies alles mit einem selbstzufriedenen Lächeln an und
versicherte, daß es seiner ungemeinen Sagazität bereits
gelungen, den Täter zu erforschen. Auf die Erinnerung, dass
doch eine Tat begangen sein müsse, wenn es einen Täter
geben solle, meinte Knarrpanti, dass, sei erst der Verbrecher
ausgemittelt, sich das begangene Verbrechen von selbst
finde.
Knarrpantis Gedanken lauteten ungefähr:
Es wird, es kann aus der Sache gar nichts
herauskommen, da die wirklich geschehene Entführung dem
Menschen nicht nachzuweisen ist; aber das tut gar nichts zur Sache.
Eben deshalb will ich den jungen Mann recht arg quälen mit
Kreuz- und Querfragen, soviel ich es nur vermag. Denn je mehr ich
dies tue, je höher wird meine Interesse für die Sache,
mein reger Eifer für das Wohl meines Herrn gepriesen. Ich muss
es nur dahin bringen, daß ich den jungen Mann ungeduldig mache
und einige schnippische Antworten erpresse. Die streiche ich denn an
mit einem tüchtigen Rotstift, begleite sie auch wohl mit
einigen Bemerkungen, und ehe man sich's versieht, steht der Mann da
in einem zweideutigen Licht, und aus dem Ganzen erhebt sich ein
gehässiger Geist, der ihm Nachteil bringt und sogar solche
unbefangene ruhige Leute, wie der Herr Abgeordnete da, wider ihn
einnimmt. Gepriesen sei die Kunst, der gleichgültigsten Sache
einen Anstrich von gehässiger Bedeutsamkeit zu geben. Es ist
eine Gabe, die mir die Natur verlieh, und vermöge der ich mir
meine Feinde vom Halse schaffe und selbst im besten Wohlsein bleibe.
Ich muß lachen, dass der Rat Wunder glaubt, wieviel mir an der
wirklichen Ermittlung der Wahrheit gelegen ist, da ich doch nur mich
selbst im Auge habe und die ganze Sache als ein Mittel betrachte,
mich bei dem Herrn wichtig zu machen und so viel Beifall und Geld zu
erobern, als nur möglich. Kommt auch nichts heraus, so sagt
doch keiner, daß meine Bemühungen unnütz gewesen
sind; es heißt vielmehr, daß ich wohl Recht hatte und
durch die getroffenen Maßregeln wenigstens verhinderte, daß
der schelmische Peregrinus Tyß die bereits entführte
Prinzessin hinterher noch wirklich entführte.«
Das
Denken, meinte Knarrpanti, sei an und vor sich selbst schon eine
gefährliche Operation und würde bei gefährlichen
Menschen eben desto gefährlicher.