Dieser Bericht erschien in der Juni-Ausgabe 1999 der PRO BAHN Post. Autor und verantwortlich für den Inhalt des Textes ist Dr. Michael Werner.



 
Tagesausflug in die Schweiz:  Appenzellerbahn-Runde
 
St. Gallen, Bahnhof Appenzeller Bahn und Trogener Bahn
Bahnhof Gais
Bahnhof Gais
Urnäsch
Fähre Friedrichshafen - Romanshorn

Es war zwar Vatertag, aber nicht nur Väter waren dabei, als ein paar PRO BAHNer an Christi Himmelfahrt zwar nicht in den Himmel, sondern nur in die Schweiz fuhren, um einen Teil des Appenzeller Schmalspurnetzes zu bereisen. Alle Strecken zusammen wären für eine Eintagsreise an der Grenze des Möglichen, aber von München aus ist diese Gegend nahe genug, daß man auch ohne Übernachtung einen schönen Eindruck bekommen kann. Gelobt sei der Allgäu-Schwaben-Takt, der auch diese Gegend für uns zum gut erreichbaren Ausflugsgebiet gemacht hat.

Bis St. Gallen war es eine Fahrt im bewährten EC „Angelika Kauffmann", der ja für viele oberbayerische Schweiz-Ausflüge schon eine Institution ist, berühmt für den SBB- Speisewagen mit reichlichem Frühstück und dem Brotkorb zum Nachfassen. Abfahrt in München um 8:14 Uhr. Das Wetter drohte mit Regen (und hielt das Versprechen leider auch), und von den Güssen der Vortage quollen alle Gewässer gelbbräunlich über.

In St. Gallen gab es erst einmal einen Schreck: „Busersatz". Aber eine halbe Stunde später fuhr doch wieder ein Zug. Eine Mure hatte die Strecke überschwemmt, aber die Störung war schnell buchstäblich wieder bereinigt. In unserer Heimat hätte man das Ereignis sicher zum Anlaß genommen, die Strecke endgültig stillzulegen, siehe bekannte Beispiele in unserer Nähe.

Vor dem Bahnhofsgebäude, wie oft in der Schweiz, treffen sich die Schmalspur- Anschlußlinien, zum einen die Fahrzeuge nach Trogen mit straßenbahnartig engerem Profil, andererseits die Appenzellerbahn, beide trotz gleicher Spurweite (ein Meter) ohne betriebliche Verbindung. Gleich zu Beginn führt der Zug Richtung Appenzell steil auf Zahnstange über eine Schleife einen Hang hinauf. Gerade dieser Abschnitt mit einer besonders schönen Aussicht soll künftig durch einen Tunnel im Adhäsionsbetrieb ersetzt werden; schön, ihn noch so erlebt zu haben.

Bis Gais fährt die Bahn entlang der Straße und mitten durch die Ortschaften, sicher nicht ganz leise, aber die Autos machen mindestens soviel Lärm.

Das ist echte Flächenbahn! Ein ganzes Streckennetz auf Schmalspur, Halbstundentakt von Dorf zu Dorf, moderne Triebzuggarnituren; es geht also. Die drei bis vier Wagen je Zug waren nur auf Teilstrecken halbwegs gut besetzt, es gab immer sofort Sitzplätze zusammen für die ganze Gruppe von sieben Personen, manchmal waren wir ganz unter uns, und trotzdem scheint niemand dieses Verkehrsmittel zusammenstreichen zu wollen. 

Der Kanton Appenzell besteht aus den zwei Halbkantonen Außer- und Innerrhoden; was das genau bedeutet, weiß wohl nur ein Eidgenosse wirklich. Jedenfalls gibt es in Appenzell noch regelmäßig die „Landsgemeinde", ein Treffen von Bürgern auf einem großen Platz, die dort lebendige Demokratie veranstalten und gemeinsam persönlich wichtige Entscheidungen treffen. Während der übrigen Zeit des Jahres werden dort Autos abgestellt. Die Landschaft ist allgemein berühmt für ihr lebhaftes Voralpen-Hügelrelief; auf den wirklich sattgrünen Wiesen wächst das Gras, das wir nach Kuhdurchgang als würzigen Käse kennen. Die Holzhäuser mit breiten Fensterbändern und senkrechten Schubklappen statt Läden sind kennzeichnend gerade für diese Gegend. Und über allem thront der Säntis, der an diesem Tag leider in Regenwolken steckte.

Gais war der Ort für das Mittagessen. Hotel „Falken": gut bürgerlich auf Schweizer Art, durchaus zu empfehlen. Hier fanden wir, daß die Räume in den alten Häusern ziemlich niedrig sind; wahrscheinlich kommt daher der Ruf der Appenzeller, klein zu sein. Tatsächlich waren die Leute dort, die wir gesehen haben, durchaus normalwüchsig. Und wir hatten auch niemanden beobachtet, der den Käse samt dem Teller gegessen hat. Der Ort hat einen schönen Dorfplatz im Appenzeller Stil mit geschweiften Giebeln, vor allem aber eine Schienenkurve von 180°, eher schon eine Ecke, fast so eng wie in H0.

Die weitere Fahrt nach Appenzell, dort fährt eine Stichbahn ins Gebirge nach Wasserauen und ein Streckenast mit dem zweiten noch verbliebenen Zahnstangenabschnitt weiter bis nach Altstätten im Rheintal. Das letzte Stück bis zum SBB-Bahnhof hat man leider stillgelegt - Brannenburger Mißstände, sogar in der Schweiz. Es wurde früher zusammen mit einer Straßenbahn des Ortes betrieben, die auch verschwunden ist.

Wir fuhren aber in die andere Richtung weiter. Die Kehre von Urnäsch ist weiter als in Gais, aber schöner, mitten in den Käsewiesen; dort gab es deshalb eine halbe Stunde Fotohalt (im Regen). Der Rest der Strecke führt weiter zum Normalspuranschluß in Gossau. Richtung Weinfelden fuhren wir wieder auf Vollbahngleis unter anderem auf einer großzügigen Schleife durch Bischofszell, die so weit auslädt, daß zwischen den beiden Bahnhöfen des Ortes ein abgelegenes Dorf erschlossen wird.

Weinfelden ist Sitz der rührigen und erfolgreichen Mittel-Thurgau-Bahn. Das letzte Streckenstück mit einer kurzen verlorenen Stichfahrt war die Verbindung nach Romanshorn zur Fähre.

Das Wetter hatte sich gebessert, auf den Bahnhöfen standen die Möbel im Freien, und man wurde draußen bedient. Die Wolken drohten noch, und auf dem Bodensee, wo es so oft dunstig ist, hatte man rundum Sicht bis zu den fernsten Bergketten und zum Horizont. Aber am Säntis hingen immer noch die Regenwolken. Der See war vom Regenwasser aus den Zuflüssen braun und trüb, und Treibgut bis zu ausgewachsenen Bäumen zwang das Fährschiff zu Umwegen.

Die Verbindung zwischen Friedrichshafen Hafenbahnhof und Hauptbahnhof ist auch ein Erlebnis: sicher eine der interessantesten Vollbahnstrecken weltweit. Zur Abwechslung reisten wir schließlich mit einem Interregio nach Ulm und von dort im IC nach München zurück.

Streckenplan


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Technische Unterstützung beim Einscannen der Fotos: Peter Morath