Am südböhmischen Meer

Unterwegs mit Bahn, Fahrrad und Schiff

czech flag by google
Der lange Weg zum See
Kleine Radtour mit zwei Fähren
Mit "Adalbert Stifter" nach Lipno
Prachatice, Nové Údolí, Ilztalbahn
Verkehrspolitische Schlussbemerkung
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Der Lipno-See (oder Moldaustausee Lipno) ist der größte See in Tschechien. Seine Fläche entspricht etwa der des Ammersees. Da er als Stausee dem ehemaligen Talverlauf folgt, ist er aber deutlich länger und gewundener. Er ist dreimal so groß wie der Forggensee und fast viermal so groß wie der Edersee als die beiden größten Stauseen in Deutschland. Aufgrund seiner Lage und seiner Bedeutung wird der Lipno-See auch "Südböhmisches Meer" (jihoceské more) genannt.

Bereits bei meiner Donau-Moldau-Rundfahrt 2011 war ich am Lipno-See vorbei gekommen. Seine Nähe zum Grenzübergang Nové Údolí (Neuthal) und zur Ilztalbahn führte zu dem Gedanken, dort einmal ein paar Tage zu verbringen.

Skizze mit Seen
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Abbildung 133*199

Der lange Weg zum See

An einem Mittwochmorgen besteht der schnellste und günstigste Weg von Unterschleißheim nach Horní Planá (Oberplan) darin, ab Passau einen Bus zu nutzen, und ab Haidmühle zwanzig Minuten zu Fuß zum Bahnhof Nové Údolí zu gehen. Irgendjemand muss vergessen haben, den dortigen Bahnhof auch an Wochentagen per Bus an Bayern anzubinden (nachdem man schon die ehemalige Bahnanbindung ab Waldkirchen vernichtet hat).

Ich wollte aber nicht mit dem Bus fahren, und ich wollte auch nicht anderthalb Kilometer den Rollkoffer durchs Gelände ziehen, auch wenn 25 Euro für ein Bayern-Böhmen-Ticket ein günstiger Preis ist.

Die schnellste reine Bahnverbindung nach Horní Planá führt über Salzburg, Linz und Budweis. Das kostet mit Railjet ab München über 60 Euro (Bahncard-25-Preis), mit Regionalexpress (bei vorhandener MVV-Karte bis Grafing) und Westbahn sind es mindestens 46,45 Euro.

Nur einige Minuten länger (aber deshalb in der Auskunft schwerer zu finden) dauert eine Fahrt mit Alex über Pilsen. Leider stellt sich wenige Tage vor Reisebeginn noch eine Baustelle ein, die den geplanten Aufenthalt in Pilsen auf gute zehn Minuten reduziert. Immerhin kann ich so auf dem bisher unbekannten Streckenabschnitt Domažlice – Klatovy noch ein paar neue Eindrücke sammeln. Andere Teile der Strecke nach Pilsen kenne ich unter anderen schon von einer Fahrt nach Prag.

Die Abfahrt in Pilsen erfolgt auch verspätet, aber wie in Tschechien üblich werden die Anschlüsse in Číčenice und Černý Kříž eingehalten. Statt in Číčenice umzusteigen, kann man auch bis Budweis fahren und erreicht Horní Planá aus der anderen Richtung – die Ankunftszeit ist dann aber ebenso kurz vor 18 Uhr (die beiden Züge begegnen sich dort).

Nach Ankunft in Horní Planá (deutschsprachig, Ortsplan, tourmaps.cz) geht es zum Einchecken und Umziehen in die Pension Sejko und dann direkt hinunter zum See: Sandstrand, Schiffsanleger, Fähre – eine wirklich nette Ecke. Nachdem die ersten Fotos gemacht sind, wird es allmählich Zeit fürs Abendessen. Auf dem Weg zum See konnte ich mir ein paar Gaststätten anschauen; meine Wahl fällt auf das Šumava – deutschsprachige Speisekarte und Bedienung, Nichtraucherbereich auf einem verglasten Balkon mit direktem Blick auf die Bahnstrecke. Ausgeschenkt wird hier das Bier der Brauerei Strakonice (Dudák, Klostermann, Král Šumavy), nach eigenen Angaben die letzte kommunale Brauerei in Tschechien. Nach dem Abendessen ist dann noch Zeit für einen kleinen Verdauungsspaziergang in den oberen Bereich von Horní Planá.

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Streckenskizze 465x440 Ausschnitt aus der Google-Maps-Darstellung zum Reisebericht (Google-Earth-Version). Die Karte zeigt in Rot die genutzten Bahnstrecken (Ilztalbahn in Orange), in Magenta Buslinien, in Grün die Radtour und in Blau ist die Schifffahrt angedeutet.

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Kleine Radtour mit zwei Fähren

Am Donnerstag steht Radfahren auf dem Programm. Zunächst wird beim örtlichen Supermarkt noch etwas Proviant (hauptsächlich flüssig) eingekauft. Dann geht es hinab zum See und zum Fähranleger. Ganz modern steht hier ein Fahrscheinautomat, in dem man sogar den Rabatt durch die Gästekarte eingeben kann. Die Fähre beschränkt sich heute Vormittag nicht auf den 30-minütigen Grundtakt, sondern aufgrund des Passagieraufkommens (meistens Radler) wird öfters gefahren.

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Bereits vorab hatte ich entschieden, mit einem Leihrad eher eine Tour mit wenig Höhenunterschied zu machen. Also verzichte ich auf das Erklimmen der Höhen des Böhmerwalds und mache eine Rundfahrt um einen Teil des Lipno-Sees. Von Fähranleger in Bližší Lhota wende ich mich daher nach Süden. Stetig bergauf (wirklich flach gibt es hier nicht) geht es zunächst ein Stück parallel zum Seeufer (Fahrradroute 1020), dann biegt der Weg etwas ins Hinterland ab. Nach einmal Links- und einmal Rechtsabbiegen fahre ich wieder hinab zum See (Route 1033). Noch ein paarmal geht es so auf und ab, bis ich kurz vor Mittag den Fähranleger Kyselov erreiche (Route 1022). Hier muss ich gemeinsam mit anderen Radlern etwas warten, bis kurz nach 12 Uhr die Fähre von Dolní Vltavice kommt und uns über den See transportiert.

Nachdem ich mir den Betrieb am Seeufer noch etwas angeschaut habe, führt der Weg (Route 1022) über den Höhenrücken der Halbinsel, an deren Spitze Dolní Vltavice liegt, bis nach Černá v Pošumavi (Schwarzbach). In einem nett gelegenen Lokal – eine Art Hütte mit Garten namens Wizard's Club – mache ich eine kleine Rast. Dann geht es weiter über eine Brücke, die einen Arm des Sees überquert. Bis zum Bahnhof von Černá v Pošumavi fahre ich auf der Straße; direkt am Bahnübergang beginnt dann ein Radweg (Route 33). Teils parallel zur Straße, teils auf anderen Wegen durch Ortschaften und Waldstücke geht es mal wieder auf und ab.

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Nachdem die Radroute 33, der ich folge, noch einmal die Straße quert, erreiche ich Jenišov, einen direkt am See gelegenen Ortsteil von Horní Planá. Entlang der Bahnstrecke komme ich so zu meinem Ausgangspunkt zurück. Nach Duschen und Umziehen beschließe ich, den späteren Teil des Nachmittags faul am See zu verbringen: Lesen, Schauen, Fotografieren. Zum Abendessen kehre ich in ein Lokal im Ortzentrum ein (U Kohoutů), in dem neben den Pilsener Bieren Urquell und Gambrinus auch der "Großpopowitzer Ziegenbock" (Velkopopovický Kozel) verköstigt wird. Essen und Service sind auch ok, aber der subjektive Eindruck ist nicht ganz so gut wie am Vorabend.

Mit "Adalbert Stifter" nach Lipno

Für eine Schiffstour gibt es im Prinzip mehrere Optionen. Die "Vltava" bietet von Horní Planá aus entweder mehrere Abfahrten nach Černá v Pošumavi, oder sie fährt morgens nach Lipno nad Vltavou (Lippen) und nachmittags wieder zurück. Da ich das Gebiet bis Černá v Pošumavi bereits durch die Radtour abgedeckt hatte, war ich an der Fahrt nach Lipno interessiert, die eigentlich auch freitags stattfinden sollte. Jedoch nicht an diesem Freitag, da das Schiff zunächst für eine Charterfahrt benutzt wurde und danach nur noch die kurzen Touren machen konnte.

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Aber der Alternativplan lag bereit. Ein zweites Schiff, die "Adalbert Stifter", befährt den Südteil des Sees. Das hat den Nachteil, dass ich mich zunächst einmal relativ früh an einer Bushaltestelle einfinden muss. Mit dem Bus fahre ich bis Frymburk (Friedberg), wo ich nach Besichtigung des Städtchens am späteren Vormittag an Bord der "Adalbert Stifter" gehe. Hier zeigt sich dann auch der Vorteil: ich bin jetzt auf einem Schiff mit offenen Oberdecks, während die "Vltava" fast nur Ausblicke durch Fensterglas erlaubt hätte.

Von Frymburk aus macht das Schiff zuerst eine Rundfahrt auf dem Mittelteil des Sees. So komme ich wieder bis auf Höhe der am Vortag benutzen Fähre Dolní Vltavice. Hier wenden wir in einem großen Bogen. Auf der Rückfahrt gibt es einen zweiten Zwischenstopp in Frymburk, dann geht es weiter nach Lipno.

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Der Ort Lipno nad Vltavou wurde nach Bau des Staudamms in den 1950er-Jahren komplett neu errichtet und ist heute im Wesentlichen eine große Feriensiedlung mit Jachthafen und Badestrand. Vom Schiffsanleger führt eine Treppe in die höher gelegenen Ortsteile. Ich schaue kurz in der Touristinformation vorbei und gehe dann zu einem Supermarkt, um meinen Getränkevorrat zu ergänzen. Entlang des Uferwegs, noch einmal vorbei am Schiffsanleger, schlage ich die Richtung zur Staumauer ein. Nach ein paar Fotos geht es dann bergab zum Bahnhof.

Nach einer kleinen Verpflegungspause kommt der Zug: Vorne eine Elektrolok der ČD-Baureihe 210 – eigentlich eine Rangierlok – und dann vier Beiwagen vom Typ 010 ("Brotbüchse"), die eigentlich zu einer tschechischen Schienenbusgarnitur (ČD-Baureihe 810) gehören. Nachdem die Lok ihren Zug umfahren hat, geht es mit diesem Gespann zunächst die Moldau entlang. Später verlassen wir das Moldautal und treffen in Rybník auf die Bahnstrecke Linz – Budweis.

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Nach Umsteigen in einen City-Shuttle-Zug der ÖBB geht es weiter Richtung Budweis. Im Zug treffe ich einen Tschechen mit ausgezeichneten Deutschkenntnissen, mit dem ich mich über meine Reise sowie die politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse in Tschechien und Deutschland unterhalte. So wird auch dieser nicht ganz so interessante Streckenabschnitt recht kurzweilig.

In Budweis steige ich in den Zug Richtung Český Krumlov und Horní Planá um. Er besteht aus zwei Triebwagen der Baureihe 842 mit zwei Reisezugwagen dazwischen. Dieses Ensemble ersetzt wohl die vierteilige Schienenbus-Garnitur (Baureihe 810), die neben den auch jetzt noch üblichen Kombinationen aus Diesellok 750 und drei Wagen (davon ein oder zwei Doppelstockwagen) dort letztes Jahr noch unterwegs war.

Bedingt durch verspätete Abfahrt in Budweis sind wie auch in Horní Planá nicht ganz pünktlich. Um mich nach der langen Zugfahrt zu erfrischen, gehe ich vom Bahnhof zum See. Jetzt kommt die Badehose zum Einsatz, die bereits den ganzen Tag in meinem Rucksack ruht. Das Wasser des Sees, der von der aus Hochmooren kommenden Moldau gespeist wird, hat aufgrund der natürlichen Trübung eine angenehme Temperatur. Und heute stimmt auch die Lufttemperatur – auch noch um 18 Uhr.

Nach dem Badeausflug folgt ein kurzer Abstecher zur Pension, danach greife in Form des Restaurants Šumava auf Bewährtes für das Abendessen zurück. Der obligatorische Abendspaziergang führt mich noch einmal zum See. In der beginnenden Dunkelheit bieten See und Ufer eine ganz eigene Stimmung – für mich ist es bereits der Abschied.

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Prachatice, Nové Údolí, Ilztalbahn

Am Morgen des Abreisetages besteige ich zwar am Bahnhof den Zug (verspätet und mit sehr vielen Fahrrädern), aber anstatt Richtung Heimat fahre ich via Černý Kříž zunächst einmal nach Prachatice (Prachatitz). Am höher gelegenen Haltepunkt "Lázně" steige ich aus, und laufe in die sehenswerte Altstadt. Hervorzuheben ist hier der Hauptplatz mit einem kompletten historischen Gebäudeensemble (u.a. altes und neues Rathaus). Etwas unterhalb liegt die spätgotische Dekanalkirche des hl. Jakob des Älteren – ein Gebäude, das weithin sichtbar das Stadtbild beherrscht. Die Altstadt verlasse ich durch das Untere Tor, eine imposante Konstruktion aus dem 16. Jahrhundert, die eigentlich aus zwei hintereinander liegenden Stadttoren besteht.

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Am Bahnhof Prachatice besteige ich – leider mit 15 Minuten Verspätung – die hier übliche Regionova-Garnitur Richtung Nové Údolí. Nur etwa fünf Minuten verspätet kommen wir dort an. Die Eisenbahnwagen des rührigen Vereins "Pošumavská jižní dráha" / "Böhmerwälder Südbahn" (deutsch via Google / Wikipedia-Eintrag) kenne ich ja schon von Besuchen 2011 und 2012. Bei bestem Wetter verzehre ich einen kleinen Imbiss vor dem "Taverne"-Wagen. Danach folgt ein Rundgang, der den Zweck verfolgt, die Speicherkarte mit den Fotos noch etwas mehr zu füllen.

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Mit dem Bus fahre ich über den ansonsten nur für Fußgänger und Radfahrer zugelassenen Grenzübergang nach Haidmühle und weiter nach Waldkirchen. Hier habe ich Glück, dass ich in der recht gut besetzten Ilztalbahn noch einen Sitzplatz erhalte. Durch die sehenswerte Landschaft entlang Wolfsteiner Ohe und Ilz geht es hinab nach Passau. Dort wird noch etwas Proviant gekauft, dann steige ich den Donau-Isar-Express. Der Zug ist trotz Samstagnachmittag ebenfalls gut gefüllt, was den Aufenthalt in den Triebwagen der berüchtigten Baureihe 440 nicht ganz so angenehm macht. Trotzdem verläuft die Fahrt nach Freising zufriedenstellend. Auch die S-Bahn wartet dort abfahrtbereit, so dass die kleine Rundreise ohne Problem zum Abschluss kommt.

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Verkehrspolitische Schlussbemerkung

Auf der Fahrplanseite gibt es unter anderem eine Auflistung der zurückgelegten Entfernungen. Bei deren Zusammenstellung stieß ich auf einige Zusammenhänge, die ich einer Schlussbemerkung zusammenfassen möchte:

Die Entfernung von München nach Horní Planá beträgt auf dem Weg über Pilsen (ohne Umleitung) mindestens 499 Kilometer. Über den Grenzübergang Bayerisch Eisenstein sind es mindestens 432 Kilometer. Eine Verbindung via Salzburg und Linz ist 470 Kilometer lang. Wenn man dagegen die Ilztalbahn nutzt, sind München und Horní Planá nur 287 Kilometer voneinander entfernt. Ähnliches gilt für andere Ziele im südlichen Böhmen und rund um den Lipno-See.

An diesen Relationen erkennt man die Dummheit und Kurzsichtigkeit von Politikern, die zuließen, dass der Streckenabschnitt von Waldkirchen nach Nové Údolí abgebaut wurde, die die Ilztalbahn stilllegen wollten, und die bis heute nicht bereit sind, auf ihr einen Regelverkehr zu bestellen. Selbst bei der Buslinie zwischen Passau und Haidmühle gelingt es nicht, sie nach Nové Údolí zu führen, und so eine Umsteigeverbindung zur tschechischen Bahn auch außerhalb der Betriebstage der Ilztalbahn zu schaffen.


 

Fahrplan, Kosten und weitere Informationen


Weitere Reiseberichte rund um die Ilztalbahn

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Zuletzt geändert am 30.8.2013 / © Edmund Lauterbach – Impressum / Kontakt