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INDIE POP
Oktober
2017

Konzerte 2017

Teenage Fanclub (Fr. 17.2.2017, Köln Luxor)

Bekannte Band in einem kleinen Club in einer fremden Stadt: Also lieber früh da sein, um einen erträglich Platz zu ergattern, dann, weil es natürlich viel zu früh ist, oft zur Bar, bei jedem Rückweg ein schlimmerer Kampf, um auch nur in die nähe des ursprünglichen Platzes zu kommen. Das Luxor könnte ein netter Veranstaltungsort sein, wenn sie nicht doppelt so viele Besucher reinpressen würden wie reinpassen. Unangekündigte Vorband waren Mondo Fumatore. Gwendolin, die Bassistin, hatte ich erst einen Monat vorher mit Half Girl live gesehen, aber Mondo Fumatore vor 15 Jahren und hatte gar nicht so richtig mitgekriegt, dass es sie noch/wieder gibt. Ihr doch eher sperriger zwei-Personen-Sound kam überraschend gut an. Teenage Fanclub dann wunderbar wie immer, aber die Überfüllung minderte das Vergnügen doch. Da macht es mir inzwischen mehr Spaß, am heimischen Schreibtisch einen Stream vom La Route du Rock oder Primavera Sound anzusehen wie in den Folgemonaten geschehen.

The Jesus And Mary Chain (Darmstadt Centralstation, Do 20.4.2017)

Centralstation: Elektrizitätswerk aus dem frühen 20. Jahrhundert, renoviert im späten 20. Jahrhundert. Abgesehen von der Fassade keinerlei historische Substanz: Beton dominiert. Trotzdem keine unsympathische Venue: Hoher Raum, freundliches Personal, vernünftige Getränkepreise. Nicht zu überfüllt, was ich mir in Hamburg, Berlin und Köln anders vorstellen kann.

Vorgruppe: Laura Carbone, neue Band der ex-Sängerin der mir bis dato unbekannten Elektropunk-Formation ‘Deine Jugend’. Slow-Rock, gut gemacht, aber nicht wirklich mein Geschmack, wobei meine Allergie gegen gedehnten Gesang eine Rolle spielt.

The Jesus And Mary Chain: Tolle Band, kann ich jedem empfehlen. Zum ersten mal gesehen, obwohl ich schon 1985 alt genug gewesen wäre, aber halt noch nicht geschmackssicher genug. Wobei zu bezweifeln ist, ob das damals ein besonders angenehmes live-Erlebnis gewesen wäre. Man hört Stories von 15-Minuten-Gigs mit dem Rücken zum Publikum oder so Sachen wie „When we played the Haçienda we turned around to Bobby Gillespie’s girlfriend Karen and went: ‘Do you fancy playing the drums tonight?’ She goes, ‘I cannae play drums,’ and we went, ‘Don’t worry. Neither can Bobby.’ And she did it.“. Heute herrscht solide Professionalität vor, man kann das bedauern, ich ziehe es vor, wenn ich €40 gezahlt habe.

Die Setlist konnte im Onlinezeitalter wenig überraschen: Greatest Hits plus die Highlights der neuen (auch wenn das niemand außer mir glaubt, guten) LP; nichts von ‘Stoned & Dethroned’ und ‘Munki’. Drummer, zweiter Gitarrist und Bassist wurden nicht vorgestellt. Bei den nur zwei Liedern mit female Vocals wurden diese von Bernadette Denning übernommen, die das Licht der Öffentlichkeit sehr zu scheuen scheint: Bei diesem Video vom 6 Music Fesival in Glasgow dachte ich schon, dass sehr viel Staub auf meinem Bildschirm ist, live war das Bild (praktisch durchgehend, aber besonders bei ihrem Auftreten), dank Nebelwand spärlicher Beleuchtung viel undeutlicher. Ansonsten: Ein paar freundliche Ansagen vom beneidenswert fit wirkenden Jim, der nicht Gitarre spielte, genausowenig wie William sang (oder sprach), keine Ahnung ob das schon immer so war. Auf den Platten sind doch immer beide als Sänger/Gitarristen gelistet.
Publikum fast ausschließlich ü40/ü50 teilweise mit Goth-/Punkrocker-Tendenzen, mit ein paar versprengten 20somethings, die wahrscheinlich von ihren Eltern da waren.

Kitty, Daisy & Lewis 22.6.2017 (Winston Kingdom, Amsterdam)

Im Vorfeld hatte ich Bedenken: Zu große Band in kleinem Club? Das Winston Kingdom, mitten im Touristen-Ballermann-Distrikt gelegen, stellte sich als noch kleiner als erwartet heraus (viel mehr als 100er Kapazität wird es nicht sein), aber eben nicht überfüllt, so dass es auch in der ca. 4. Reihe recht entspannt war. Während ich vor drei Jahren im viel größeren BR-Studio mit seine niedrigen Bühne die meiste Zeit nicht mal die Köpfe der Musiker sehen konnte, konnte ich diesmal sogar ihre Schuhe sehen. Sie waren diesmal zu fünft, mit den Eltern, aber ohne Trompeter. Programmmäßig hatte ich den Eindruck, dass es tendenziell von den Ska-Einflüssen der letzten LP weg, zurück zum Blues geht. Spaß gemacht hat es trotzdem allen Beteiligten.

Bardentreffen 30.7.2017, Nürnberg:

Fehlfarben: Habe ich seit der 2002er Reunion drei mal live gesehen, aber Peter Hein noch nie so gut gelaunt. "Monarchie und Alltag" wurde komplett gespielt. Ein Idee, von der ich ursprünglich gar nicht so sehr angetan war, weil es mich immer gestört hat, dass die Band auf dieses Album reduziert wurde. Aber im Endeffekt es eben doch die beste deutschsprachige LP aller Zeiten. Wer könnte etwas dagen haben, sie live präsentiert zu bekommen? Den Texten, zumindest wenn sie auf politische Ereignisse Bezug nehmen, merkt man stellenweise ihren Ursprung im Jahr 1980 an, aber musikalisch ist das absolut im Hier und Jetzt, insbesondere dance-orientierte Nummern wie 'Militürk'.
Thomas Schwebel ist wieder dabei, zumindest beim "Monarchie und Alltag"-Block und dann wieder beim Zugabenblock. Komisch fand ich dass bei den beiden Gitarristen nicht die übliche Lead-/Rhythmusgitarre-Arbeitsteilung herrschte, sondern beide synchron das gleiche spielten. Liegt wohl daran, dass Thomas Schneider (der sich, ausgerechtet als dienstjüngstes Mitglied, optisch am schlechtesten von allen gehalten hat: Die meisten anderen würden auch in einem coolen Architekturbüro gute Figur machen) ja eigentlich als Schwebel-Nachfolger angeheuert wurde.
Nach M&A gibt es einen relativ kurzen Teil mit Songs aus den letzten 15 Jahren, im Zugabenblock geht es dann zurück über "Die Wilde Dreizehn" bis zu Mittagspause. Hein ist sichtbar glücklich über die (temporäre?) Schwebel-Rückkehr.

Beim Pausenspaziergang (das Bardentreffen findet an zahlreichen über die nürnberger Innensatdt verteilten Open-Air-Bühnen statt) stoße ich dann unerwartet auf ein Konzert der regensburger Instrumental-Postrocker Containerhead: Zeitweise vier Gitarren und zwei Bässe gleichzeitig. Die Moshpit besteht aus tanzenden Kindern.

Fiva x JRBB: Soundcheck des Orchesters, ewig lange Wartezeit, die angekündigte Startzeit 22:00 ist längst vorbei, langsam kommt Ungeduld auf, schließlich sind wir bei einem Open Air mitten in einer deutschen Stadt, da ist mit lärmschutzbedingter strenger Sperrstunde zu rechnen. Zwischendurch eine Ansage der Veranstalter, dass weder die Band noch die Veranstalter an der Verspätung schuld seien, sondern technische Probleme bestünden, die die Sound-Firma zu vertreten habe, und man wolle dem Publikum keinen suboptimalen Sound zumuten. Leichte Irritation beim Publikum, schließlich hatte der Soundcheck ja völlig ok geklungen, aber keine echter Unmut. Bei einem kostenlosen Festival kann man auch schlecht sein Geld zurückverlangen. Schließlich kommt dann die Ansage, dass Fiva und JRBB ohne DJ Radrum ein 30-Minuten-Set spielen, nach dem zweiten Track ist DJ Radrum dann doch dabei. Dann fängt es auch noch zu regnen an, trotzdem sind alle glücklich, ich auch, endlich habe ich es mal geschafft, Fiva live zu sehen, in München war sie ja immer ausverkauft. Und die Big-Band-Besetzung macht doch mehr her als eine Rapperin und ein DJ alleine.

PJ Harvey (10.8.2017 Planet.tt Bank Austria Halle [haben die wirklich keinen dritten Sponsor gefunden?] im Gasometer, Wien):

Die Gasometer sind ein von außen sehenswertes Industriedenkmal, inzwischen als Einkaufszentrum/Studentenwohnheim/Veranstaltungshalle/wasweißichsonstnoch genutzt. Innen sind die Foyer- und Zugangsbereiche eher was für Freunde des Sichtbetons. Der Konzertsaal selbst funktionell aber nicht so riesig und schiach wie befürchtet. Gigantische Anzahl an Bars: Vier im Saal, noch mehr in den Zugangsbereichen. Während der sich ziemlich lang hinziehenden vorgruppenlosen Wartezeit wird es gut ge- aber nicht überfüllt. Sauna-Atmosphäre dank hoher Temperatur und Luftfeuchtigkeit. Im Nachhinein gesehen war es dennoch ein Glück, dass das Konzert in einem geschlossenen Raum stattfand: Das gleichzeitig stattfindende Interpol-Konzert in der Arena wurde wegen des heftigen Gewitters nach ein paar Minuten abgebrochen. PJ Harvey hatte ich vorher zwar beim Primavera Sound in Porto gesehen, aber noch nie als Einzelkonzert: Diesmal also von relativ nah, nüchtern und nicht von mehreren Bands vorher reizüberflutet, auch mal eine neue und tolle Erfahrung. Die Setlist unterscheidet sich gar nicht so wahnsinnig vom letzten Jahr, hauptsächlich von den letzten beiden LPs plus ein paar Klassiker; die drei in der Zwischenzeit veröffentlichten Songs sind nicht dabei, dafür überraschenderweise „Highway 61 Revisited“. Tolles Konzert; alle sind glücklich.

Billy Bragg (12.8.2017 Wuk, Wien)

Sympathische ex-Fabrikgelände-Venue in der Währinger Straße. Es gibt Ottakringer Gold Fassl. Dass ich Billy Bragg zuletzt live gesehen habe ist auch schon wieder 20 Jahre her. Billy Bragg ist Billy Bragg. Hits zum Mitgrölen plus lustige bis ernste Ansagen zu leider nie ausgehenden Themen, was viel großartiger ist als es meine Worte wahrscheinlich vermuten lassen. Bis zum nächsten mal werde ich jedenfalls nicht wieder 20 Jahre warten.

Waxahatchee + Alison Crutchfield (17.9.2017 Milla, München)

Alison Crutchfield, ehemals von der Punkband Swearin, die mir noch besser gefielen als Waxahatchee, ist jetzt solo etwas zurückgenommener unterwegs. Auf Platte (über deren unvorteilhaftes Coverfoto hier an anderer Stelle zurecht gelästert wurde) geht das in Die Keyboardpop-/Folkrichtung. Live in Trio-Besetzung (E-Gitarre bzw. Keyboards + Bass + Drums) ist das etwas rumpeliger, vor allem weil die nicht sehr virtuosen Drums sehr in den Vordergrund gemischt waren.

Waxahatchee: Die selbe Band + Katie Crutchfield + eine zusätzliche Gitarristin, trotzdem eine Liga höher: Katie hat halt doch die besseren Songs. Und eine zusätzliche Sängerin/zwei zusätzliche Gitarren sorgen für einen satteren Sound, auch wenn die Drums oft weiterhin lästig laut sind. Tolles Konzert, zumindest für alle, die die 90er zurück wollen (also mich z.B.). In Besprechungen werden ja oft die Breeders als Referenz genannt, nicht zu unrecht.

Peter Kern

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