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INDIE POP
Juni
2016

Primavera Sound Porto, Parque da Cidade, 9.-11. Juni 2016

Am Donnerstag (9.6.) habe ich U.S. Girls gleich verpasst (wer rechnet in einer Viertelmillionenstadt auch damit mit dem Bus vom Zentrum an den Stadtrand ne Stunde zu brauchen. Die 1872 bis 1993 hierher fahrende Straßenbahn war wesentlich schneller. Aber das war ja vor dem Abbau der Elektromobilität).

Wild Nothing: Nicht wild, eher nothing. Gefälliger Gitarrenpop, aber diese Art von Musik lebt von guten Melodien und die fehlen ihnen.

Julia Holter: Erfüllt die hohen Erwartungen. Aber für ein Festival etwas schwer zugänglich. Würde ich gerne noch mal in einem Saal oder einer Halle sehen.

Sigur Rós und ich: Keine Liebesgeschichte. Es liegt nicht an ihnen, es liegt an mir. Ich sehe die Qualität sehr wohl. Aber ich habe eine Kopfstimmenallergie und empfinde auch die Geschwindigkeit der meisten Tracks als unangenehm, wahrscheinlich zu nahe am Herzschlagrhythmus. Natürlich eine der 1001 Bands, die man gesehen haben muss, bevor man stirbt. Check. Die ersten Nummern verbringt die Band hinter einer Art Metallgitterwand, hinter dem sie nur schemenhaft zu erkennen ist. Das könnten auch die Kraftwerk-Roboter sein (optisch, nicht akustisch). Musikalisch kann ich es live besser aushalten als auf Platte, komme mir aber vor wie beim Gottesdienst einer Religion, der ich nicht angehöre.

Parquet Courts. Amerikanische Partyband der nicht-dummen Sorte, erinnern mich insofern an die Black Lips, allerdings mit Pavement- und Velvet-Underground-Einflüssen. Der dauerhafte Nieselregen trägt nach einiger Zeit aber dazu bei, das doch nicht wichtig genug zu finden, um mir die Nacht damit um die Ohren zu schlagen.
Animal Collective wären sicher auch spaßig gewesen. Aber bis 01:10 durchhalten, bis die anfangen, das packe ich jetzt nicht mehr. Vielen scheint es ähnlich zu gehen: Der Bus nach Haus ist voll mit müden Leuten die halb so alt sind wie ich.

Freitag, 10.6.2016:

Mueran Humanos: Argentinisches berliner Mann/Frau-Duo mit gelungenem spanischem elektro-New-wave.

Destroyer: New-Pornographers-Nebenprojekt. Sound leider ziemlich mies: Die Seebrise scheint den Klang der Instrumente in verschiedene Richtungen zu tragen. Dennonoch ist es recht gemütlich, in der Sonne auf dem Hügel in der Wiese zu sitzen, so dass ich leider erst spät daran denke, dass auf der ehemaligen ATP-Bühne (die dieses Jahr ihren Namen ersatzlos verloren hat) das Portishead-Nebenprojekt BEAK> spielt, deren letzte zehn Minuten jedenfalls ziemlich interessanter Avant-Rock sind.

An Brian Wilson hatte ich ich keine hohen Erwartungen: Im TV habe ich mal was von der ‘Smile’-Tour gesehen, das muss schon über zehn Jahre her sein und sah nach einer Beach-Boys-Tribute-Band aus, bei der eben ein senil und abwesend wirkender Brian Wilson auf der Bühne sitzt. Ein Interview im „Uncut“ vor ein paar Monaten erweckte auch nicht den Eindruck, dass er inzwischen besser beinand ist. Auch heute liegen die Hauptaufgaben bei der zehnköpfigen Band. Brian ist aber garnicht so unfit, führt durchs Programm, singt auch einiges. Die Band (darunter Al Jardine, womit mehr Beach-Boys-Gründungsmitglieder auf der Bühne sind als bei so manchen „Beach Boys“-Konzerten) spielt sowieso makellos. Und ‘Pet Sounds’ ist ja keine schlechte Platte, kann ich nur weiterempfehlen. Den ursprünglichen Plan, nach einer Viertelstunde zu Dinosaur Jr. überzulaufen, gebe ich schnell auf und ich glaube, Brian Wilson hat viele weitere Skeptiker überzeugt, jedenfalls ist die Stimmung selbst in den hinteren Reihen ganz hervorragend.

Savages: Vor drei Jahren verzückten sie uns auf der kleineren Pitchfork-Bühne (laut Ansage von Jehnny Beth inspirierte sie der damalige Auftritt zu ‘Fuckers’), jetzt ist die co-Headliner-Bühne dran. Steve Lamacq sagte, jede gute Band sollte wie eine Gang sein, in der man gerne wäre. Derzeit ist das keine andere Band dermaßen wie die Savages. Sie brauchen nur die Bühne zu betreten (Gemma Thompson voran, in maskulinem Anzug und mit Rotweinglas in in der Hand) und das gesamte Publikum ist glücklich dabei sein zu dürfen. Top-Highlight des Festivals. Leider viel zu schnell vorbei. „Em palco os Savages são das melhores formações rock da actualidade“, schreibt die Tageszeitung Público und hat recht.

PJ Harvey: Erwartungsgemäß viel von der neuen LP, einiges vom Vorgänger, dazu Hits aus der Frühphase. Obwohl ich – wie der Rest der Welt – das ‘Hope Six Demolition Project’ für etwas weniger genial halte als ‘Let England Shake’, gefällt mir der Auftritt sogar noch besser als der am selben Ort vor zwei Jahren. Zum einen tritt live der auf der neuen Platte arg omnipräsente griechische Theaterchor mehr in den Hintergrund, zum anderen ist da jetzt eher eine Rockshow, verglichen mit letztem mal, als Polly wie eine Statue im weißen Kleid mit der Autoharp vor dem Mikro stand. Und Terry Edwards ist dabei. Zweites Highlight.

Mudhoney: Da geht es mir ähnlich wie mit den Melvins: Legenden, die mich eher kalt lassen.

Protomartyr: Vielgelobt im seligen last.fm-Forum, wo ich immer wieder „Protomayr“ las. Dass das so konventioneller Rock ist, überraschte mich.

Kiasmos: Ist einer der beiden Typen auf der Bühne, die hinter ihren Laptops wahrscheinlich ihre Whatsapp-Nachrichten checken, wirklich der geniale Ólafur Arnalds? Auf meinem Handy ist eine App, die erzeugt sowas, wenn man „Chillout“ eingibt. Ich wundere mich, dass sowas auf einer der beiden Headliner-Bühnen um Mitternacht angesetzt ist statt zum Sonnenaufgang auf einer Clubbühne und sie als einzige Band überziehen dürfen, mit der Folge, dass sich der Auftritt von Beach House um zehn Minuten verschiebt (die beiden Hauptbühnen liegen direkt nebeneinander, weshalb sie nicht gleichzeitig bespielt werden). Es zeigt sich wieder mal, dass die Portugiesen ein höfliches Volk sind: Überall sonst hätten die Beach-House-Fans Kiasmos mit einem Bierbecher- und Schlammhagel zum Aufhören bewogen.

Beach House: Sympathische Menschen und der Sound entspricht eigentlich auch meinem Geschmack. Aber den Gesang kann ich nicht länger als drei Lieder ertragen. Boa Noite.

Samstag, 11.6.2016:

Manel: Typisch spanischer Alternative Rock, aber auf katalanisch.

Cate Le Bon: Komisch, dass sie schon um 17:45 auf ATP-Bühne vor angetanem aber eher kleinem Publikum spielt, ich hätte sie als berühmter eingeschätzt. Die neue Platte habe ich noch nicht gehört, kann aber nicht schlecht sein, nach dem was hier zu hören ist. Aus Los Angeles kann also auch Gutes kommen. Cate ist trotz freundlicher Publikumsreaktion irritierend schüchtern (einzige Kommunikation: ein leises „Hello“ ohne Augenkontakt). Nach nur einer halben Stunde ist es leider schon vorbei.

Linda Martini: Grunge auf portugiesisch. Mir gefällt es.

Neil Michael Hagerty & the Howling Hex: Kein bleibender Eindruck.

Chairlift: Eine weitere Band, die uns vor ein paar Jahren auf der Pitchfork-Bühne erfreute und nun auf die Hauptbühne zur pre-Primetime upgegraded wurde. Abenteuerliches Outfit (z.B. Caroline Polachek in einer Art Krankenhaus-Nachthemd. Es dürfte sonst niemanden geben, der in sowas gut aussieht), guter Elektropop.

Autolux haben sicher mehr als eine Sonic-Youth-Platte gehört. Werde ich mir merken.

Car Seat Headrest: Uninteressanter Lärm.

Drive Like Jehu: Interessanter Lärm.

Air: Das könnte auch die Air-Greatest-Hits-CD sein, die da läuft. Publikum eher höflich als begeistert.

Explosions In The Sky (oder Explosões no céu, wie sie sich vorstellen) habe ich letztes mal verpasst. Die anderen Leute schwärmten dann, wie toll und Mogwai-/Sigur-Rós-mäßig sie waren. Davon konnte ich mich diesmal auch überzeugen. Nach einer Stunde war es leider schon vorbei. Spielen bei anderen Festivals nicht zumindest die (co-) Headliner volle Konzertlänge?

Um 01:20 spielten noch Shellac. Wieder mal ohne mich, obwohl ich sie liebe. Aber die Aussicht auf den um 8 Uhr beginnenden Krachwettbewerb zwischen Hotelgästen und -personal trieb mich vorher nach Hause.

Peter Kern

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