12. Juli 2004
In Bonn gibt es zwar immer noch einen erfolgreichen
Straßenbahn- und Stadtbahnbetrieb, man scheint jedoch von
Herkunft und Identitätswahrung nicht viel wissen zu wollen. Es
bestehen noch einige wenige historische Fahrzeuge, die aber bis auf
die Ausnahme einer Party-Bahn der Öffentlichkeit nicht
zugänglich sind. Die Düwag-Straßenbahnen, die bis zu
Beginn der 90er-Jahre das Stadtbild prägten, wurden restlos ins
Ausland abgegeben. Der bundesweit erste zum Einsatz gekommene
Stadtbahnwagen B, ein wirklich Maßstäbe setzendes
Fahrzeug, soll nach Dortmund verkauft werden.
Die seit mehreren Jahrzehnten bestehende, und in der
Bevölkerung positiv aufgenommene lindgrüne Lackierung
scheint den Verantwortlichen ein Dorn im Auge zu sein. Während
zunächst Vollwerbung um sich griff, wie in kaum einer anderen
Stadt, hat man sich mit einem Umweg über zeitgeistiges Silber
für eine rot-weiße Grundfarbe entschieden, um sich
für eine Fusion anzubiedern, die wohl doch nicht zustande kommt.
Bei Vollwerbung arbeitet man auch gerne mit Fensterfolien, obwohl
diese nachweislich von vielen Kunden abgelehnt werden.
Man sollte sich überlegen, was das Kerngeschäft eines
Verkehrsunternehmens ist, und mit welchen Nebeneinnahmen man in
diesem Kerngeschäft vielleicht Schaden anrichtet. Die Kunden
werden langfristig merken, wieviel sie ihrem Unternehmen wert sind.
Das Verhältnis der Kunden zum Anbieter hat letztlich nicht nur
mit Geld zu tun. Erfolgreiche Firmen wissen das.
Sinn für Identität und Herkunft ist etwas, das für
jedes Unternehmen einen gewissen Stellenwert haben sollte. Auch wenn
so etwas heute vielleicht unmodern erscheint, wird man die jetzt
getroffenen Entscheidungen später mit Sicherheit bereuen und
diese Fehler der heutigen Zeit und den heutigen Verantwortlichen
anrechnen.
Sehr viele Städte haben Museen oder Vereine, die sich um
historische Straßenbahnen kümmern, und die von den
Verkehrsbetrieben fast immer unterstützt werden oder gar von
ihnen initiiert wurden. Inzwischen hat sich bei anderen Unternehmen
auch der Stellenwert gut sichtbarer Identifizierungsmerkmale
herumgesprochen. So verzichtet zum Beispiel München komplett auf
Vollwerbung bei Bus und Bahn und sogar die Deutsche Bahn AG achtet
wieder darauf, dass bei ihren S-Bahnen die Produktfarbe rot gut
sichtbar ist.
Der Stadt Bonn, ihren Bürgern und ihrem Verkehrsunternehmen
ist zu wünschen, dass die Verantwortlichen etwas Einsicht in die
Zusammenhänge zeigen, oder dass zukünftige Entscheidungen
von Leuten getroffen werden, die nicht nur in der Betriebswirtschaft,
sondern auch in der Stadt und in der Historie verwurzelt sind. Dass
die Fortsetzung und Ausweitung des schienengebundenen Verkehrs und
positive Rahmenbedingungen für den Öffentlichen Verkehr
insgesamt im Vordergrund stehen müssen, ändert nichts an
der Wichtigkeit der genannten Aspekte.
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