Dies ist eine Kopie einer nicht mehr vorhandenen Webseite der SPD Ismaning. Dort gab es auch einen kurzen Kommentar zum Urteil und der tariflichen Situation.


Das Amtsgericht München (Aktenzeichen: 1142 C 19291/90) erläßt in dem Rechtsstreit
 


Münchener Verkehrs- und Tarifverbund GmbH (Klägerin)
gegen
Reiner Knäusl, Ismaning (Beklagter)

folgendes

Endurteil
  1. Die Klage wird abgewiesen.
  2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klagepartei.
  3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:

Die Klägerin macht gegen den Beklagten für Fahrten am 1.2.90 und 2.2.90, welche der Beklagte in der Buslinie 231 von Ismaning nach München vorgenommen hat, jeweils erhöhtes Beförderungsgeld in Höhe von je 60,-- geltend.

Der Beklagte fuhr von Ismaning (A) mit einem Streifen für eine Kurzstrecke zur Haltestelle Unterföhring Kanal (B) stempelte sodann noch einmal jeweils zwei Streifen für die Weiterfahrt in München (C). Der Beklagte kombinierte auf diese Weise den Kurzstreckentarif mit dem Zonentarif; eine einheitliche Fahrt von A nach C kostet nach dem geltenden Tarif jedoch vier Streifen. Im Tarifwerk des MVV ist folgende Regelung getroffen:

Die Klägerin trägt vor, der Beklagte habe entsprechend dem Tarif, in welchem die Kombination für nicht zulässig erklärt wird, sich nicht im Besitz eines gültigen Fahrausweises befunden.

Sie beantragt daher,

Der Beklagte beantragt,
Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Die Klage war abzuweisen, weil die hier in Frage stehende Klausel, welche eine Verbindung des Kurzstreckentarifes mit dem Zonentarif verbietet, einen typischen Fall einer Ungleichgewichtslage darstellt, welche gemäß Art. 3 GG über § 242 BGB zur Unwirksamkeit der genannten Klausel führt.

  1. Würde der Fahrgast seine Fahrt von A nach B enstprechend den Vorschriften des Tarifs durch Verlassen des Fahrzeugs - hier Bus - beenden und nach beliebig langem Zeitraum eine neue Fahrt durch Betreten des Busses wieder beginnen, um nach C zu fahren, so entspräche dieses Verhalten den Vorschriften des Tarifwerks.

  2. Da es dem Fahrgast unbenommen bleibt, die Länge seiner "Unterbrechung" selbst zu bestimmen, kann er tarifgemäß denselben Bus an einem Ausstieg verlassen und an einem anderen Einstieg (oder auch demselben) wieder betreten, um auf diese Weise eine neue Fahrt anzutreten.
     
  3. Der Unterschied zum Verhaltenn des Beklagten besteht lediglich im formalen Aus- und wieder Einsteigen in den Bus. Bei dieser Fahrtgestaltung zahlt der Fahrgast tarifgemäß drei Streifen gegenüber einer einheitlichen Fahrt von A nach B (vier Streifen).

  4. Geleistet wird jedoch von der Klägerin in beiden Fällen letztendlich die Fahrt von A nach C, in einem Fall nicht, im anderen Fall lediglich durch formales Aus- und Wiedereinsteigen unterbrochen.
    Im Hinblick auf die effektive Leistung der Klägerin ist der formale Unterschied gering zu bewerten; hinzu kommt, daß das formale Aus- und Wiedereinsteigen nicht nur in einigen Fällen zur Fahrtverzögerung des Fahrzeugs führen kann, da Busse nur auf Verlangen halten oder wenn Fahrgäste an der Haltestelle stehen, es ist auch eine Herabsetzung der Verkehrssicherheit durch Aus- und Einsteigen, Anhalten und Abfahren des Busses gegeben.
     
  5. Damit steht fest, daß zwei in etwa gleiche Tatbestände (Fahr von A nach C mit und ohne Unterbrechung in B) durch die streitige Klausel ungleich bewertet werden. Dies entspricht einem typischen Fall einer Ungleichgewichtslage, welche die genannte Klausel gemäß § 242 BGB unwirksam macht.

  6.  
  7. Im Verfahren haben sich auch keine Gesichtspunkte ergeben, welche für die Notwendigkeit der genannten Klausel sprechen: zum einen macht die Unwirksamkeit dieser einzelnen Klausel das gesamte Tarifwerk nicht unwirksam; dessen Ziel der Vereinfachung des Tarifschemas bleibt erhalten. Zum anderen ist die Zahl derer, welche die Möglichkeit der Verbindung des Kurzstreckentarifs mit dem Zonentarif verbinden können gering: Es sind in der Regel nur die Bewohner, welche nahe am Innenbereich wohnen und in der Regel nicht öffentliche Verkehrsmittel nutzen. Letztere sind in der Regel im Besitz einer Zeitkarte.

  8. Im Ergebnis bleibt festzuhalten, daß die streitige Klausel wegen Verstosses gegen § 242 BGB unwirksam ist, der Beklagte sich mithin jeweils im Besitz eines gültigen Fahrtausweises befand. Die Klage war daher abzuweisen.

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Zuletzt geändert am 12.1.2004 / © Edmund Lauterbach – Impressum / Kontakt