Beitrag zum Tagungsband der
13. Horber Schienen-Tage
Bearbeitungsstand: Oktober 1995
Ein Busnetz für die Gemeinden im Norden Münchens

 
Ein Projekt des Regionalverbands Oberbayern e. V. von PRO BAHN.

Projektmitarbeiter:

Dr. Peter Großhauser,
Edmund Lauterbach,
Klaus Steinberger,
Dr. Giselher Lichti,
Thomas Weißenborn,
Helmut Goerigk
und weitere Mitarbeiter von PRO BAHN Oberbayern.

 
1. Ausgangslage

Im August 1994 legte der Münchner Verkehrsverbund (MVV) ein Konzept für ein Busanpassungsnetz zur Verlängerung der U-Bahn-Linie 6 nach Garching-Hochbrück ab Herbst 1995 vor. Hauptgrund für die U-Bahn-Verlängerung ist die Existenz zahlreicher Forschungsinstitute von Universität, TU und anderen Institutionen im Norden der Stadt Garching. Dieses Forschungsgelände wird in diesem Schritt jedoch noch nicht von der U-Bahn erreicht. Der wesentliche Unterschied zu allen vorangegangenen U-Bahn-Projekten ist hierbei, daß damit die U-Bahn zum ersten Mal die Münchner Stadtgrenze überschreitet. Das heißt, zum ersten Mal trifft das Vorzeigeverkehrsmittel U-Bahn direkt auf den unterentwickelten Regionalbusverkehr außerhalb Münchens.

Die Region nördlich von München wurde bisher von jeweils einer S-Bahn-Linie rechts und links der Isar sowie Buszubringern unterschiedlicher Qualität erschlossen. Die Stadt Garching und die Forschungsinstitute waren ohne Bahnanschluß und wurden im wesentlichen an die etwa 8 - 9 km entfernte U-Bahn-Station Studentenstadt mit Bussen angebunden. Durch den starken Individualverkehr während der Hauptverkehrszeit kam es täglich zu extrem starken Verspätungen.

2. Das erste MVV-Konzept

Das in der Presse veröffentlichte Konzept des MVV wird innerhalb von PRO BAHN als absolut unzureichend empfunden. Folgende Tatsachen waren bei der Planung des Busnetzes nicht berücksichtigt worden:

  • Die Kosten für die U-Bahn-Verlängerung sind so hoch, daß man die geschaffenen Ressourcen auch volkswirtschaftlich sinnvoll nutzen muß.
  • Die U-Bahn-Station Garching-Hochbrück liegt am Rande eines Industriegebietes und ist nur für wenige Menschen fußläufig erreichbar.
  • Die Kapazität einer U-Bahn erfordert entsprechende Zubringermöglichkeiten.
  • Die Park+Ride-Anlage mit 570 Stellplätzen ist lediglich ein Zusatzangebot und kann sicherlich nicht für eine dem System U-Bahn adäquate Grundlast sorgen.
  • Ein optimales Buszubringernetz kostet nur einen Bruchteil der für die neue U-Bahn-Strecke aufzubringenden Mittel (Investitions- und Betriebskosten).
Darüber hinaus enden alle Planungen des MVV an der Grenze zwischen den Landkreisen München und Freising, obwohl diese Grenze für die existierenden Verkehrsabläufe ohne Bedeutung ist und die Gemeinden im südlichen Landkreis Freising ausdrücklich an einer Busverbindung zur U-Bahn interessiert sind.

3. Gegenvorschläge von PRO BAHN

PRO BAHN erarbeitet nun zunächst ein Linienkonzept, das den oben aufgelisteten Tatsachen stärker gerecht wird. Parallel dazu werden die betroffenen Gemeinden und Institutionen, aber auch potentielle Betreiber der Buslinien (Regionalverkehr Oberbayern und Privatunternehmer) angeschrieben und um Gesprächstermine zur Erläuterung der verschieden Konzepte gebeten.

Bei den dann zustande kommenden Terminen zeigt sich das unterschiedliche Interesse der verschieden Gesprächspartner am öffentlichen Verkehr. Während im Landkreis München Gemeinden und Landratsamt durchaus an einem Strang ziehen, zeigt sich der Landkreis Freising sehr zurückhaltend. Auch erweist sich das Einbringen unseres Anliegen an die entscheidenden Stellen der Forschungsinstitute aufgrund deren komplexer Struktur als schwierig.

4. Einigung auf Liniennetz

Erfreulicherweise übernimmt der MVV bereits im Oktober 1994 große Teile aus den Vorschlägen von PRO BAHN. Um diese positive Entwicklung nicht zu stark zu behindern geht auch PRO BAHN einen Schritt auf den MVV zu und beide Organisationen vertreten nun bis auf einige Kleinigkeiten das gleiche Liniennetz. Weit auseinander ist man jedoch noch bei den Fragen, wann die Busse fahren sollen und wie häufig. Das nun geplante Busnetz wird Anfang 1995 in der Kundenzeitschrift conTakt des MVV vorgestellt, wobei die Zusammenarbeit mit PRO BAHN ausdrücklich erwähnt wird.

5. Das Taktkonzept von PRO BAHN

In den folgenden Wochen arbeitet PRO BAHN einem Taktkonzept für alle auf den neuen U-Bahnhof zulaufenden Buslinien. Diese Konzept beruht unter anderem in der Verknüpfung verschiedener Linienäste über den U-Bahnhof hinaus. Grund dafür ist, mit möglichst günstigen Umlaufzeiten für die Busse Kosten einzusparen. Außerdem werden dadurch für die Fahrgäste neue, umsteigefreie Verkehrsbeziehungen geschaffen.

Das Konzept wurde im Februar 1995 in mehreren Presseveröffentlichung vorgestellt und den betroffenen Kommunen und Institutionen im Rahmen eines fünfseitigen Positionspapiers erläutert. Das Echo in den regionalen Zeitungen ist durchgehend positiv. Mehrfach werden nicht nur die Pressemitteilungen, sondern auch die von PRO BAHN mitgelieferte Taktgrafik (siehe Anhang) abgedruckt. Auch die redaktionelle Bearbeitung des Themas ist aus Sicht von PRO BAHN zufriedenstellend.

6. Das Ergebnis

Vom Fahrplanentwurf des MVV unterscheidet sich das PRO BAHN Konzept im wesentlichen außerhalb der Hauptverkehrszeit und am stärksten abends sowie am Wochenende. Das MVV-Konzept war zunächst fast ausschließlich auf den Berufsverkehr konzentriert und berücksichtigte nicht die großen Potentiale des Gelegenheits- und Freizeitverkehrs. Durch zahlreiche Kontakte mit der kommunalen Ebene gelangen zwar insbesondere an Werktagen außerhalb der Hauptverkehrszeit noch Verbesserungen, die Hauptforderungen des Taktkonzeptes von PRO BAHN bleiben aber bestehen und müssen bei künftigen Fahrplananpassungen erneut eingebracht werden.

7. Resümee

Zurückschauend stellt sich die Frage, ob PRO BAHN Aufgaben wie die Planung von Busnetzen bis hinunter zu Takt- und Anschlußfragen so professionell angehen kann wie es im Sinne der Fahrgäste notwendig ist. Die Antwort darauf kann nur sein, daß die Forderungen von PRO BAHN auf bessere und fahrgastnähere Planungen bei den Verkehrsverbünden sowie auf der politischen Ebene abzielen müssen.

Bei der Arbeit für das hier beschriebene Projekt hat sich gezeigt, daß durch ehrenamtlich tätige Kräfte die notwendige Professionalität nur dadurch sichergestellt werden kann, indem die Projektmitarbeiter erheblich mehr Zeit investieren als eigentlich zumutbar ist. Es wurden öfters Punkte erreicht, an denen man noch etwas hätte machen müssen, es aber mangels personeller Ressourcen nicht tun konnte. Dies schlägt sich auch im Ergebnis, so wie es jetzt umgesetzt wurde, nieder.

Unser Dilemma war jedoch, daß wir aufgrund der Vorlagen des Verkehrsverbundes davon ausgehen mußten, daß auch dort nicht professionell genügend gearbeitet wurde. Dies zeigte darin, daß sachliche Fehler gemacht wurden, daß Schwächen der eigenen Vorschlägen gegenüber dem Besteller unterschlagen wurden und nicht zuletzt in der Art und Weise wie auf Kritik von PRO BAHN reagiert wurde.

Aus diesem Dilemma heraus hat PRO BAHN in diesem Fall parallel zur offiziellen Planung eine detailliertere eigene Planungsarbeit durchgeführt, die sicherlich so nur in Ausnahmefällen geleistet werden kann. Wenn in Zukunft ein Verkehrsverbund oder eine andere mit der Planung von Verkehrssystemen betraute Institution eine Planungsauftrag bekommt oder auf eigene Initiative tätig wird erwarten die Fahrgäste

  • ein unter eventuell vorgegeben Randbedingungen (wie z. B. Kosten, Grenzen des Planungsraums, usw.) optimiertes Netz,
  • einen entsprechend den Vorgaben und den zu erwartenden Verkehrsströmen optimierten Fahrplan,
  • wenn Kostenvorgaben von Seiten des Bestellers existieren, eine Aussage dazu, wie Netz und Fahrplan aussehen könnten, falls höhere Gelder freigegeben werden.
Die Fahrgäste erwarten nicht, daß unter Vorwegnahme nur erwarteter politischer Vorgaben eine Art Vorabgehorsam gegenüber der politischen Ebene praktiziert wird. Der vorhandene Planungsspielraum muß ausgeschöpft werden. Ein Anbiedern bei den Verantwortlichen auf Bestellerseite durch eine zu vorsichtige Planung nützt niemanden. Im Gegenteil: durch PRO BAHN auf Unzulänglichkeiten aufmerksam gemacht, haben Vertreter der Kommunen mehrfach ihren Einfluß geltend gemacht und veranlaßt die Planung entsprechend zu korrigieren.

Im Idealfall erwarten wir uns für die Zukunft, daß wir unsere Forderungen im Vorfeld an den Besteller richten können und während einer aktuellen Planung beratend tätig sind. Wichtig ist auch, daß auf Bestellerseite, z. B. bei den Landratsämtern kompetente Ansprechpartner vorhanden sind. Diese müssen in der Lage sein Unzulänglichkeiten in vorgelegten Planungen zu erkennen.

Ein Ratschlag an die Besteller könnte aufgrund der gemachten Erfahrungen auch sein, stärker auf unabhängige, nicht in einen Verkehrsverbund eingebundene, Planungsinstitutionen zurückzugreifen. Auch dies macht jedoch nur Sinn, wenn solche Planer bereit sind, auf Kritik zu reagieren und gegenüber den Fahrgästen und den sie vertretenden Organisationen dialogbereit sind.

Anhang

Um ein Beispiel für die für ein solches Projekt zu leistende Arbeit zu geben seien einige Fakten ohne Anspruch auf Vollzähligkeit aufgelistet. Es wurde eine sicherlich dreistellige Anzahl von Telefonaten geführt. Allein im September 1994 wurden 9 persönliche Gesprächstermine wahrgenommen, in der Regel unter Beteiligung von 2 - 3 PRO BAHN Mitarbeitern. Die Liste mit für das Projekt relevanten Adressen hat mehr als 80 Einträge. Informationsstände wurden im Vorfeld in Unterschleißheim (6.5.95), Lohhof (20.5.95), Neufahrn (10.6.95) und zur U-Bahn-Eröffnung in Garching-Hochbrück (28.10.95) veranstaltet.
 

Schriftverkehr und Veröffentlichungen von PRO BAHN im Rahmen des Projekts:
 
19.8.94 Anbieten von Gesprächsterminen (alle Gemeinden / Landratsämter / Busunternehmer / MVV / Forschungsinstitute)
Nov. 1994 Pressemitteilung zu Buslinie 219 und PRO BAHN Konzept für Busanpassungsnetz
24.11.94 Gemeinde Unterschleißheim: Fahrplanentwurf Linie 219
7.12.94 Forschungsinstitute: Status, Information an bisher noch nicht angeschriebene Stellen
7.2.95 Stadt München (verschiedene Stellen): Stellungnahme zum MVV-Konzept für den Bereich München
11.2.95 Pressemitteilung: PRO BAHN fordert attraktivere Busverbindungen (Südteil des Planungsraums)
18.2.95 Pressemitteilung: Zur U-Bahn auch am Wochenende (Nordteil des Planungsraums)
Feb. 1995 Positionspapier (5 Seiten) + Taktkonzept
28.2.95 Kommunen, Landesbehörden, MVV: Positionspapier mit Anschreiben (ca. 20 Adressaten) 
28.2.95 Forschungsinstitute: Positionspapier mit ausführlichem, erläuternden Anschreiben (ca. 30 Adressaten)
13.4.95 Landratsamt, MVV: Bitte um Klarstellung zum Status der Planung 
April 1995 Flugblatt "Ihr Bus zur U-Bahn", 1. Auflage 2000 Stück
27.4.95 PRO BAHN Mitglieder im Planungsraum: Flugblatt, Ankündigung von Informationsständen 
27.4.95 Pressemitteilung: PRO BAHN informiert zu neuem Busnetz (Vorstellung Flugblatt, Ankündigung Informationsstand Unterschleißheim) 
18.5.95 Gemeinde Unterschleißheim: Aufdeckung von Unzulänglichkeiten bei Fahrplan Linie 219 
1.6.95 Pressemitteilung: PRO BAHN informiert zu neuem Busnetz (Ankündigung Informationsstand Neufahrn) 
Okt. 1995 Flugblatt "Ihr Bus zur U-Bahn", 2. Auflage 2500 Stück, an den realisierten Fahrplan angepaßt

 

Auf den nächsten Seiten folgen noch zwei Grafiken als Beispiele für die Darstellungsmittel, die von PRO BAHN benutzt wurden.
 
 

Grafik 1: Diese Darstellung zeigt außer dem geforderten Liniennetz auch die vorgeschlagenen Taktabstände und die betrieblich sinnvolle Verknüpfung von Linien.
 
 

Grafik 2: Leider ist die aktuelle Situation noch etwas schlechter als hier dargestellt, da die Linie 292 an Wochenenden nun überhaupt nicht fährt und die Linie 290 nur einen 40-Minuten-Takt hat. (291 und 691 nicht dargestellt!)

 


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