Dieser Text basiert auf einem Artikel
für die PRO BAHN Post Dezember 1996.
Bearbeitungsstand: November 1996

Erreichbarkeit von Haltestellen – Licht und Schatten

Seit kurzem hat München zwei sehr schöne neue U-Bahn-Stationen mehr. Die U2 wurde nach Feldmoching verlängert. Dort entstand eine Verknüpfung zwischen U-Bahn, S-Bahn und drei Buslinien.

Der U-Bahnhof Feldmoching besitzt ein Zwischengeschoß, das sich fast (!) über die gesamte Länge des Bahnsteigs zieht und ebenso wie dieser im Winkel von etwa 90 Grad mittig unter dem Bahnsteig der S-Bahn liegt. Verläßt man dieses Zwischengeschoß in Richtung der Bushaltestelle der Linie 83, also am westlichen Ende, so stellt man fest, daß 1. die Bushaltestelle sich immer noch einiges von der Stelle entfernt liegt, an der man die Oberfläche erreicht hat, 2. sich unmittelbar an der Bushaltestelle ein weiter Eingang in den Untergrund befindet.

Des Rätsels Lösung: Der U-Bahn-Eingang an der Bushaltestelle führt zu einem weiteren, kleinen Zwischengeschoß von dem aus nur der U-Bahnsteig an seinem westlichen Ende, nicht jedoch die S-Bahn oder die Bushaltestellen an der Ostseite des Bahnhofs erreichbar sind. Dies ist aus Sicht der Fahrgäste eine mißliche Situation. Nicht nur weil Umsteiger zwischen S-Bahn und Bus bei schlechtem Wetter ein Stück durch den Regen laufen müssen, sondern weil Umsteiger vom Bus zur S-Bahn unweigerlich (insbesondere wenn sie es eilig haben) den falschen Eingang zum Zwischengeschoß benutzen.

Grund für dieses zweite, aus Sicht der Fahrgäste nicht nötige Zwischengeschoß ist wohl, daß durch ein Heranrücken des U-Bahn-Ausgangs an den Bebauungsschwerpunkt Alt-Feldmoching die U-Bahn-Verlängerung bei der standardisierten Bewertung besser abschnitt. Der Weg den man als Fahrgast zurücklegen muß, bis man wirklich in die U-Bahn einsteigen kann, verkürzt sich natürlich nicht; lediglich der Anteil, den man an der Oberfläche zurücklegt wird geringer.

Leider hat in München der U-Bahn-Bau eine von den Interessen der Fahrgäste unabhängige Lobby. Dies führt dazu, daß manchmal aus rein bürokratischen Gründen Luxuslösungen durchgesetzt werden, während es gleichzeitig im MVV- Bereich zahlreiche S-Bahn-Stationen gibt, wo mit wesentlich weniger Geld ein zweiter Bahnsteigzugang den fußläufigen Einzugsbereich wesentlich stärker vergrößern würde.

Zum Beispiel Lohhof: Dort ist der einzige Ausgang des S-Bahnhofs vom Siedlungsschwerpunkt abgewandt. Ein zweiter Zugang im Südwesten würde vielen Fahrgästen einen über 200 Meter langen Umweg ersparen. Oder anders ausgedrückt: Der Einzugsbereichs des Bahnhofs würden in entscheidenden Bereichen um 200 Meter vergrößert.

Oder Unterschleißheim: Dort schaffte man es in den 70er-Jahren den nordöstlich Zugang trotz Seitenbahnsteigen so anzulegen, daß man in jedem Fall eine Treppe abwärts und eine andere wieder aufwärts muß. Der Vorschlag von PRO BAHN, zumindest auf der Seite, auf der Bahnhof nur durch einen Grünzug begrenzt ist, wurde von der Gemeinde mit Hinweis auf Grundstücksfragen und den bestehenden Bebauungsplan abgelehnt.

Andere Beispiele können in der 1994 erschienenen Broschüre zur S-Bahn- Befragung von PRO BAHN nachgelesen werden. Aber nicht nur bei der Anlage von Schnellbahnstationen sollte man auf das Detail achten. Bei Buslinien ist es in der Regel noch viel preiswerter, durch ergänzende Maßnahmen - wie Neueinrichtung oder Verlegung einer Haltestelle - den Nutzen für die Fahrgäste zu verbessern.

Ein Beispiel, bei dem PRO BAHN nun zumindest einen kleinen Erfolg erzielt hat ist die Buslinie 219. Bereits seit Anfang 1995 haben wir die Einrichtung einer Haltestelle im Bereich Ingolstädter Straße (B13) / Kreuzstraße / Franz-Lehner-Straße gefordert. Im dortigen Einzugsbereich befinden sich ein Gewerbegebiet, zwei Gaststättenbetriebe sowie ein Naherholungsgebiet. Alle diese Einrichtungen waren bisher mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht zu erreichen, obwohl der Bus unmittelbar dort vorbei fuhr.

Zusätzliche Haltestellen verlängern zwar die Fahrzeit, dies sollte aber in Kauf genommen werden, wenn wie bei der Buslinie 219, die geforderte Haltestelle in einem Bereich mit großen Haltestellenabständen liegt. PRO BAHN begrüßt daher auch sehr, daß diese Haltestelle, nachdem sie schon seit Juni im MVV-Fahrplanbuch und Liniennetzplan verzeichnet war, nun eingerichtet wurde.

Aber auch hier ist anzumerken, daß PRO BAHN eine aus Sicht der Fahrgäste günstigere Position der Haltestelle - möglichst nah am Gewerbegebiet Franz- Lehner-Straße - gefordert hatte, die leider nicht verwirklicht wurde. Zusammen mit den Zugangswegen entlang stark befahrener Straßen und dem trotz absolut ungeschützter Lage fehlenden Wetterschutz ergibt sich ein denkbar ungünstiges Szenario zur Werbung neuer Fahrgäste - es kommen nur die, die keine Wahl haben. Da die Haltestelle im Bereich der Gemeindegrenze zwischen Unter- und Oberschleißheim liegt, scheint sich niemand so recht zuständig zu fühlen. Die Verantwortung der kommunalen Ebene für den Busverkehr wird leider allzu oft nur sehr lückenhaft wahrgenommen.

Manchmal sind es halt die Kleinigkeiten, die das Leben schwer oder einfach machen. Ob ich 5 Minuten oder 10 Minuten bis zur Haltestelle laufen muß kann meine Entscheidung, den ÖV zu benutzen oder nicht, schon statistisch signifikant beeinflussen. Daß ich dabei Hauptverkehrsstraßen queren muß, oder nur einen schmalen Bürgersteig (oder gar keinen) entlang einer verkehrsreichen Straße zur Verfügung habe, wird sicherlich meine Entscheidung nicht positiv beeinflussen. Und wenn dann an der Haltestelle der Wetterschutz fehlt und mich vorbeifahrende Autos bei Regen naß spritzen, dann fühle ich mich wie im ÖV-Niemandsland.

Wir müssen in Zukunft verstärkt darauf achten, daß das zur Verfügung stehende Geld auch vernünftig eingesetzt wird. Reibungsverluste durch unintelligente Lösungen sollte man sich bei knapper werdenden Geldmitteln nicht mehr leisten. Vom MVV müssen wir fordern, daß er die Interessen seiner Kunden gegenüber anderen am Planungsprozeß beteiligten Institutionen (Freistaat Bayern, Kommunen, Verkehrsbetriebe, Straßenbauämter, usw.) energischer wahrnimmt.



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