Dieser Text basiert auf einem Artikel
für die PRO BAHN Post Februar 2006.
Bearbeitungsstand: 18.1.2006
  Bedeutung von Zukäufen zum DB-Konzern aus Fahrgastsicht
DB auf Einkaufstour

Der Deal zwischen Hamburg und Deutscher Bahn AG ist geplatzt. Die DB steigt zunächst weder in die Hafenlogistik noch bei der Hochbahn ein. Das wird aber Hartmut Mehdorn nicht davon abhalten, insbesondere im Logistikbereich weiterhin nach Firmen zu suchen, die er in den DB-Konzern eingliedern kann.

Was bedeutet es aus Sicht der Fahrgäste, wenn die Deutsche Bahn AG andere Firmen außerhalb des Kernbereichs "Bahn" kauft, und so einen Bahnkonzern in einen Logistikkonzern mit eigener Bahn umwandelt? Gibt es Auswirkungen, die für Kunden im Personenverkehr von Interesse sind, oder kann man die DB in dieser Hinsicht wie jedes andere Unternehmen bewerten? Indirekte Einflüsse, beispielsweise die volkswirtschaftliche Bedeutung des DB-Konzerns, oder kartellrechtliche Wirkungen seien bei dieser Betrachtung außer Acht gelassen, obwohl sie natürlich alle Bürger und damit auch die Fahrgäste betreffen.

Es geht vielmehr um das Verhältnis Anbieter / Kunde. Zwischen diesen beiden Parteien besteht immer eine kleinere oder größere Abhängigkeit. Funktionierende Marktwirtschaft minimiert diese Abhängigkeit. Wenn der Kunde mit einem Anbieter ein Problem hat, wechselt er zur Konkurrenz. Wenn der Anbieter mit seinem Kundenkreis unzufrieden ist, verändert er sein Angebot. Das bedeutet meist, dass der Anbieter durch Angebots- und Preisgestaltung versucht, mehr oder besser zahlende Kunden zu bekommen. Dies geschieht manchmal unter Inkaufnahme des Verlustes von wirtschaftlich weniger interessanten Kunden.

Wie sieht das nun mit der DB aus? Einzige relevante Konkurrenz ist – das Auto. Und angesichts der Turbulenzen um ein neues Preissystem haben die Kunden gezeigt, dass sie nicht auf Bahnfahren angewiesen sind. Genauer: ein so großer Teil der Kunden ist – zeitweise – zur Konkurrenz übergelaufen, dass die DB dies wirtschaftlich gespürt hat.

Dagegen scheint die DB schon eher ein Problem damit zu haben, ihr Angebot so zu gestalten, dass sie ihren Kundenkreis wirtschaftlich interessant ausweitet. Im Regionalverkehr verliert die DB mehr Ausschreibungen als sie gewinnt. Im Fernverkehr zeichnet sich zurzeit nicht ab, dass Kunden das Angebot – in Relation zum Preis – als wirklich gut empfinden, oder dass es der DB gelingt, es in diese Richtung zu verändern.

Wie stellt sich die Situation aus Sicht des DB-Managements dar? Die DB ist mit dem Personenverkehr von ihren Kunden abhängig, da eine Angebotsänderung mit Ziel wirtschaftlicher Verbesserung der DB wohl nicht gelingt. Andererseits sind große Teile der Kunden bei Veränderungen, die ihnen nicht passen, schnell bereit zur Konkurrenz (Auto) abzuwandern. Aus Sicht der DB-Spitze gibt es also eine Schieflage in der gegenseitigen Abhängigkeit.

Für die aus Sicht der DB unschöne Situation gibt es eine Lösung: wenn man die Schieflage im Personenverkehr nicht ändern kann, muss man ihren Einfluss auf das Geschäftsergebnis reduzieren. Wie geht das? Man vermindert die Bedeutung des Schienenpersonenverkehrs (SPV) im Gesamtkonzern. Man kauft Geschäftsfelder hinzu, die mit SPV nichts zu tun haben. Die Folge: die Abhängigkeit der DB von den Kunden im SPV sinkt.

Das wiederum kann aber Folgen für die Kunden haben. Die DB leistet sich heute ein bestimmtes Maß an Kundendrangsalierung – intransparente Tarife, unzureichende Kundenrechte, etc.. Sie weiß um ihre marktberherrschende Stellung und verhält sich entsprechend. Die Gefahr der Abwanderung zum Auto ist bekannt, der Weg steht aber nicht allen Teilen der Kundschaft offen. Reduziert sich die relative Bedeutung des SPV, so kann der DB auch die Reaktion der Fahrgäste auf ihre Maßnahmen gleichgültiger sein. Das heißt, man kann den Grad der Kundendrangsalierung durchaus etwas hochschrauben. Umso mehr, je geringer der SPV-Anteil im Gesamtkonzern wird.

Aber da gibt es ja noch den Gesetzgeber, der uns vielleicht doch irgendwann zu besseren Kundenrechten verhilft. Einerseits wird das gegenüber einem DB-Konzern, in dem der Fahrgast zunehmend an Bedeutung verliert, natürlich umso wichtiger. Andererseits wird es immer den Unterschied zwischen Recht haben und Recht bekommen geben, und eine DB mit viel Geschäft außerhalb des SPV wird sich die paar Kunden, die ihre Rechte durchfechten, dann vielleicht auch noch leisten können.

Resümee: Die Bedeutung von Zukäufen zum DB-Konzern aus Fahrgastsicht hat etwas mit der Bedeutung der Fahrgäste aus DB-Sicht zu tun. Sinkt der Bahnanteil im Gesamtkonzern, sinken auch die Bedeutung und der Einfluss der Fahrgäste. Dies ist bedenklich, da die Alternative eines Wechsels zur Konkurrenz innerhalb des Systems Bahn in den meisten Bereichen auf absehbare Zeit nicht bestehen wird, und in ihrer Reinform aufgrund von begrenzt verfügbarer Infrastruktur gar nicht möglich ist.


 


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