Dieser Text basiert auf einem Artikel
für die PRO BAHN Post Dezember 2013.
Bearbeitungsstand: 18.10.2013
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Wie ich 2352 Kilometer als Schwarzfahrer unterwegs war

Im September machte ich eine Reise an die Ostsee. Als Hotelstandort und Ausgangspunkt verschiedener Tagestouren diente dabei die Stadt Anklam in Vorpommern.

In der Vorbereitungsphase der Reise erhielt ich als Werbeaktion von der DB eine "Schnupper-Bahncard 1. Klasse" zu meiner Bahncard 25. Weil ich (fälschlicherweise) der Meinung war, in der 1. Klasse ohne Reservierung leichter einen Platz zu finden als in der 2. Klasse, wollte ich diese Schnupper-Bahncard entsprechend einsetzen. Als Fahrscheintyp lag die Verwendung des DB-Angebots "Europa-Spezial Polen" nahe, da ich unter anderem Ausflüge nach Stettin und Swinemünde plante.

Aus familiären Gründen war auf dem Hinweg nach Anklam ein Aufenthalt im Rheinland vorgesehen. Beim Vergleich der Preise ergab sich für die Fahrt dorthin ein "Europa-Spezial Österreich" als günstigstes Angebot. Ich erwarb also drei Europa-Spezial-Fahrscheine 1. Klasse: Innsbruck – Siegburg, Siegburg – Stettin und Stettin – München, wobei die Abschnitte Innsbruck – München und Stettin – Anklam nicht genutzt wurden.

Bei den diversen Fahrscheinkontrollen zeigte ich immer den Fahrschein, meine Bahncard 25 und die Schnupper-Bahncard vor. Das wurde jedes Mal anstandslos akzeptiert.

Im Oktober veröffentlichte ich eine Beschreibung meiner Reise im Internet. Daraufhin teilte mir ein Leser dieses Berichts mit, dass die Kombination der "Schnupper-Bahncard 1. Klasse" mit den Europa-Spezial-Fahrkarten nicht erlaubt sei. Eine Nachfrage bei der DB ergab die Bestätigung: "die Schnupper-Bahncard wird nur auf die Normal- und Sparpreise anerkannt, nicht auf das Europa-Spezial".

Das bedeutet, dass ich 2352 Kilometer als "Schwarzfahrer" unterwegs war! Ich habe einen mir nicht zustehenden Fahrschein benutzt und bin illegal in der ersten Klasse gefahren. Auch wenn der Straftatbestand der Beförderungserschleichung vielleicht nicht erfüllt ist, so hätte die DB nach ihrer Auffassung wohl mindestens Anrecht auf die Zahlung der Differenz zum Normalpreis.

Der Satz über die Gültigkeit für Normal- und Sparpreise stand auch im Begleitschreiben der Schnupper-Bahncard – und etwas anderes kann man den Beförderungsbedingungen der DB auch nicht entnehmen. Wie wahrscheinlich die meisten Fahrgäste hatte ich allerdings die doch recht allgemeine Bezeichnung "Sparpreise" als einen Oberbegriff verstanden, der unter anderem auch Europa-Spezial-Fahrkarten einschließt. Wer rechnet schon damit, dass ein Preis, mit dem man einiges Geld gegenüber dem Normalpreis spart, kein Sparpreis ist?

Im Konfliktfall stellt sich die Frage, wie gerichtsfest die von der DB verwendete Formulierung und die DB-Interpretation des umgangssprachlichen Wortes "Sparpreis" ist. Meiner Meinung nach hätte man als Fahrgast gute Chancen, wenn man sich auf den Paragraphen 305c des Bürgerlichen Gesetzbuchs über "Zweifel bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen" beruft.

Den zweifelhaften Formulierungen entspricht auch, dass man beispielsweise mit dem "Sparpreis"-Finder der DB nach "Sparpreis"-Angeboten zu Zielen im Ausland suchen kann, und als Ergebnis bei einer Buchung für Europa-Spezial landet.

Zum Reisebericht, den man unter www.myway.de/souvenirs/anklam anschauen kann, gehört eine Fahrplanseite, die auch Daten zu den benutzten Fahrkarten sowie einen Nachtrag zur Schwarzfahrerproblematik enthält.

Meiner Meinung nach zeigen insbesondere die anstandslosen Fahrscheinkontrollen aber auch der Vorgang insgesamt, dass die DB sich Regeln ausdenkt, die so weltfremd sind, dass ihre Anwendung in der Praxis scheitert. Damit existieren solche Regeln aber nur noch zum Zwecke des Kundenverschreckens. Sie gehören abgeschafft und durch etwas ersetzt, das eher dem gesunden Menschenverstand entspricht.

Edmund Lauterbach

 


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