Dieser Text basiert auf einem Artikel für
die PRO BAHN Post September 2014.
Bearbeitungsstand: 14.8.2014

 
 

 

Durchsetzung von Schadensausgleich bei der Bahn – ein Fallbeispiel
Beschweren! Fahrgastrechte in Anspruch nehmen!

Vorwort

Als Mitglied von PRO BAHN fühle ich eine besondere Verpflichtung, die DB und andere Verkehrsunternehmen auf aus Fahrgastsicht vorhandene Probleme hinzuweisen. Um mir nicht vorwerfen zu müssen, die Gelegenheit, etwas zu verbessern, ungenutzt zu lassen, bewerte ich den dafür entstehenden Aufwand ähnlich wie den Zeitaufwand für die Arbeit in einem Fahrgastverband.

Bei Verspätungen oder Zugausfällen besteht der Hinweis auf Defizite meistens nur aus dem Ausfüllen eines Fahrgastrechteformulars. Zum einen wahre ich damit die Chance auf einen Teilersatz des Fahrpreises, für den ich nicht den entsprechenden Gegenwert bekommen habe. Zum anderen beeinflusst jedes eingereichte Formular die Statistik. Oder andersherum ausgedrückt: Der Verzicht auf Inanspruchnahme der Fahrgastrechte ist für das Verkehrsunternehmen gleichbedeutend mit der Botschaft, dass alles in Ordnung war.

Wenn ich konkret benennen kann, was meiner Meinung nach falsch gelaufen ist, führt dies manchmal zu einer E-Mail an das Verkehrsunternehmen, z. B. den DB-Kundendialog. Die Antworten sind meist positiv; manchmal gibt es als kleinen Ausgleich einen Reisegutschein auf Kulanzbasis. Deutlich schwieriger ist dann schon die Einschätzung, was das häufig versprochene Weiterleiten eines Problems an eine Fachabteilung bringt. Hier wird die Kommunikation zur Einbahnstraße – hoffentlich nicht zur Sackgasse.

Zum Verständnis des Folgenden eine kurze Erläuterung der Situation der Münchner S1 bei Störungen: Vor einiger Zeit wurde ein Störfallprogramm der S-Bahn so geändert, dass die S1 nicht mehr (ggf. ohne Halt ab Moosach) zum Hauptbahnhof fährt, sondern von außen kommend die Stammstrecke gar nicht mehr erreicht und in Moosach wendet. Die erheblichen Nachteile insbesondere für Kunden, die auf andere Züge umsteigen wollen, werden in Kauf genommen. Da in Moosach ausreichend Gleise vorhanden sind, was wohl in Bezug auf andere Linien und Pasing nicht gilt (obwohl dort mehr Fahrmöglichkeiten bestehen), hat es die sowieso als Verdrusslinie bekannte S1 getroffen. Auf die Idee, beispielsweise beim Bau des Haltepunkts Hirschgarten ein oder zwei Wendegleise zu schaffen, ist man nicht gekommen. Und vom Freistaat Bayern oder der BEG hört man zur Verschlechterung der Störfallprogramme auch kein "So geht's nicht!"

Störfall

Anfang April gab es eine Großstörung im S-Bahn-Bereich. Nach einem Treffen in der Geschäftsstelle von PRO BAHN in München-Laim gingen wir in der Nähe zum Abendessen. Als ich mich auf den Heimweg machen wollte, war die Störung bereits bekannt, jedoch nicht, ob sich das Störfallprogramm inzwischen geändert hatte. Da die Anzeigen von Internet und Fahrplan-App nicht sehr zuverlässig erschienen, wählte ich, noch bevor ich mich auf den Weg zur S-Bahn machte, die Telefonnummer des S-Bahn-Services. Um diese Uhrzeit sind die Telefone in München nicht mehr besetzt, und ich landete beim Kundendialog des DB-Fernverkehrs. Verblüfft und verärgert war ich dann allerdings über die Antwort, dass man zur S-Bahn und zum Nahverkehr keine Auskunft geben könne.

Also blieb mir nur das Verfahren Trial-and-Error. Am S-Bahnhof Laim wurde angezeigt, dass dort keine S1 verkehrt. Nach dem Negativ-Erlebnis mit dem Kundendialog telefonierte ich nun mit der 3-S-Zentrale im Hauptbahnhof. Obwohl eigentlich nicht zuständig, war man dort sehr freundlich und bestätigte mir, dass das Störfallprogramm unverändert war. Um nach Moosach zu kommen, konnte ich dank meiner MVV-Jahreskarte die Buslinie 51 der MVG nutzen.

Leider fuhr in Moosach eine S1 ab, bevor ich den Bahnsteig erreichen konnte. Die Abfahrtszeit war natürlich weit ab vom Fahrplan. Konkrete Informationen per Bahnsteiganzeige oder Lautsprecher gab es nicht. Einige Zeit später kam eine S-Bahn von auswärts. Ich staunte aber nicht schlecht, als diese am Bahnsteig Richtung Hauptbahnhof hielt und dann auch prompt weiterfuhr, anstatt wie vielfach angekündigt, in Moosach zu wenden. Damit war klar, dass so bald keine Abfahrt stadtauswärts stattfinden würde, weil nicht zu erwarten ist, dass bei einer solchen Störung im Bereich Stammstrecke oder Hauptbahnhof zusätzliche Züge verfügbar sind.

Die Erwartung eines Fahrgastes ist, dass gerade in den späten Abendstunden besondere Sorgfalt bei Störfällen und Information gewährleistet wird. Stattdessen entstand der Eindruck, dass mit der vorrückenden Uhrzeit immer schlampiger mit Fahrgastinteressen umgegangen wurde. Ich wartete noch ein wenig, aber da inzwischen die letzte Stunde des Tages angebrochen war, und ich nicht mehr sicher war, mit der S-Bahn vor Mitternacht nach Hause zu kommen, entschied ich mich dann für eine Taxifahrt. Die Kosten dafür betrugen 26,90 Euro.

Beschwerde

Da ich vor allen Dingen über die Fahrgastinformation, aber auch über die Abläufe in Moosach sehr verärgert war, schrieb ich einen Brief an den DB-Vorstand und die Geschäftsleitung der S-Bahn München. Ich schilderte die Geschehnisse, machte aber auch klar, dass ich die Taxikosten ersetzt haben möchte. Dabei war es mir egal, ob es sich um eine Erstattung aus Kulanz oder aufgrund eines Rechtsanspruchs handelt. Es ging mir um die Anerkennung der Tatsache, dass das Verhalten der DB in Bezug auf Information und der Inkaufnahme des "Strandens" von Fahrgästen an nächtlichen Bahnhöfen nicht in Ordnung war.

Im Wesentlichen blieb mein Brief unbeantwortet. Es kam zwar eine E-Mail vom Münchner S-Bahn-Service, darin wurde aber nur auf technische Aspekte der Anzeige am Bahnsteig eingegangen. Insbesondere blieben die Taxikosten unerwähnt. Ansonsten passierte über einen Monat nichts. Auch um Fristen zu wahren, füllte ich daher ein Fahrgastrechtformular aus. Das Formular, dem ich den erwähnten Brief beilegte, gab ich an einem DB-Schalter zur Weiterleitung ans Servicecenter Fahrgastrechte ab.

Zweieinhalb Wochen später fand ich gleich zwei Schreiben des Servicecenters in meinem Briefkasten. In einem wurde mir mitgeteilt, dass der "Vorgang" an DB Regio Bayern abgegeben wurde. Das andere Schreiben enthielt die Bitte, eine Kopie meiner Fahrkarte den bisher eingereichten Unterlagen beizufügen. Ich schickte daraufhin die gewünschte Kopie per E-Mail ans RAN-Team der DB (RAN = Regionaler Ansprechpartner Nahverkehr). Eine Woche später kam von dort die Antwort, dass mein Anliegen an den Kundendialog der S-Bahn München weitergeleitet wurde.

Das wirkte zwar etwas wie ein Kreisverkehr, aber ich wartete zunächst einmal ab. Nachdem wieder mehr als ein Monat vergangen war, wandte ich mich per E-Mail an den Kundendialog der DB, ans RAN-Team und an die S-Bahn München mit Bitte um Auskunft zum Status meiner Eingabe.

Daraufhin erhielt ich einen Anruf vom Zentralen Kundendialog in Berlin. Man entschuldigte sich für die Verzögerung. Die Schreiben des Servicecenters Fahrgastrechte hätte ich zum Teil missverstanden. Abgegeben an DB Regio hätte man nur die fachlichen Fragen, dagegen wäre der Erstattungsantrag weiter bearbeitet worden, nachdem meine Fahrkarte dort eingegangen wäre. Die kam aber dort nicht an, sondern bei DB Regio. Die freundliche Dame vom Zentralen Kundendialog versprach mir aber, dass jetzt alles auf dem richtigen Weg sei, und dass ich als kleinen Ausgleich für die Wartezeit Verzehrgutscheine für die Zuggastronomie der DB zugeschickt bekäme.

Die Gutscheine trafen zwei Tage später ein, und Anfang August – vier Monate nach dem Anlass für meiner Beschwerde – war es dann soweit: Das Servicecenter Fahrgastrechte beschied mir, dass ich die Taxikosten erstattet bekomme. Des Weiteren sei mir zwar eine Verspätung von 60 Minuten widerfahren, für die es aber keinen Ausgleich gebe, weil eine MVV-Jahreskarte zwar eine Menge Geld kostet, aber die Entschädigung lediglich nicht auszahlfähige 1,50 Euro betrage.

Mit einer Verpätungsentschädigung hatte ich auch nie gerechnet (weshalb beim ursprünglichen Antrag meine Fahrkarte fehlte). Was ich nicht weiß, ist, ob das Servicecenter auch ohne Anruf aus Berlin so entschieden hätte. Der Fall war grenzwertig, da ich letztendlich noch vor Mitternacht zu Hause war, und nicht weiß, wie lange es mit der S-Bahn wirklich gedauert hätte.

Fazit

Bedanken möchte ich mich bei den Mitarbeitern von DB und Servicecenter, die dazu beigetragen haben, den Vorgang zu einem positiven Abschluss zu bringen. Die Probleme waren in dem Fall weniger bei den handelnden Personen als vielmehr bei den vorgegebenen, teilweise recht starren Prozessen zu suchen. Wenn man dann nicht nachhakt, kann so etwas für den Kunden sehr schnell unbefriedigend enden, was weder in seinem, noch im Sinne der DB ist.

Fest steht: Der DB fehlt ein geeigneter Mechanismus für den Fall, dass man es ihr überlässt, ob eine Erstattung aus Kulanz oder wegen Rechtsanspruch erfolgt. Schickt man etwas ans Servicecenter ist das die Geltendmachung von Fahrgastrechten. Schickt man etwas an zwei verschiedene Stellen, tut vielleicht keine der beiden etwas, weil jede meint, die jeweils andere würde tätig.

Nebenbei sei noch ein Defizit des Fahrgastrechteformulars erwähnt: Bei einem Anschlussverlust, der zu einer Verspätung von weniger als 60 Minuten führt, ist nicht klar erkennbar, ob und wie man damit die Erstattung einer für den verpassten Zug fällig gewordenen Reservierungsgebühr beantragt. Dieser Fall ist speziell bei Verwendung eines Online-Tickets relevant, da hier wohl eine Sofortauszahlung durch DB-Personal nicht möglich ist.

Fazit meiner Erfahrungen nicht nur aus diesem Fall ist: Wenn etwas für den Kunden nicht zufriedenstellend verläuft, in jedem Fall beschweren! Wenn die Möglichkeit einer Entschädigung oder Erstattung besteht, in jedem Fall ein Fahrgastrechteformular einreichen! Wer darauf verzichtet nimmt billigend in Kauf, dass die Ursachen der Probleme bestehen bleiben und weitere Fahrgäste geschädigt werden.

Das Fahrgastrechteformular findet man unter www.fahrgastrechte.info oder unter www.bahn.de/fahrgastrechte.

Edmund Lauterbach

 


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