Dieser Text basiert auf einem Artikel
für die PRO BAHN Post Dezember 2012.
Bearbeitungsstand: 25.11.2012

 
 

 


Lärm und andere Fehlentwicklungen

Als Auftakt der Mitgliederversammlung von PRO BAHN Oberbayern hielt Dr. Heimann vom DLR in Oberpfaffenhofen einen bemerkenswerten Vortrag zur Bahnlärmproblematik (siehe weiteren Artikel im Heft).

Ganz aktuell passte das Thema zudem ausgezeichnet zu den politischen Entwicklungen. So berichtete die Süddeutsche Zeitung am 8. November unter dem Titel "Der leise Ramsauer", dass die überfällige Einführung lärmabhängiger Trassenpreise nicht wie geplant zum 9. Dezember greift. Man will erst abwarten, bis mit der sogenannten LL-Sohle ein Bremssystem zugelassen wird, das eine preisgünstige Umrüstung von Güterwagen erlaubt.

Am 5. November erschien in der Deutschen Verkehrs-Zeitung (DVZ) ein Artikel, in dem berichtet wird, dass die in Deutschland geplante Förderung des Einbaus neuer Bremssysteme gegen das EU-Wettbewerbsrecht verstößt, und daher um die Hälfte gekürzt wurde. In einer Analyse kommt die DVZ zu einer verheerenden Bewertung und schreibt unter anderem:

  • "Für den Bahnanrainer hörbare Effekte aus dem Programm werden noch später eintreten als bisher erwartet."
  • "Die Wettbewerbsfähigkeit der Bahn im Güterverkehr wird beeinträchtigt."
[Timon Heinrici: Viel gewollt, wenig erreicht; in: DVZ, Ausgabe Nr. 126/12, Seite 2]

In der Schweiz scheint mal wieder alles einfacher zu sein. Zum 1.1.2013 treten dort lärmabhängige Trassenpreise in Kraft. Dies wird verbunden mit einer klaren Aussage: "Schweizer Eisenbahngüterwagen werden bis 2015 alle lärmsaniert."
[Bundesamt für Umwelt: Lärmdifferenzierte Trassenpreise; 07.08.2012]

Man hat das Gefühl, dass die in Deutschland geplanten Maßnahmen dagegen unnötig kompliziert sind – teuer und ineffizient. Die Politik verfängt sich im Netz ihrer Rücksichtsnahmen.

Gleichzeitig läuft ein Gesetzgebungsprozess, der darauf abzielt, den sogenannten Schienenbonus bei der Lärmbewertung von Neu- und Ausbauten abzuschaffen. Bisher wird dabei Bahnlärm um 5 db(A) niedriger bewertet als Straßenlärm. Verzichtet man künftig auf diesen Korrekturwert, verschlechtert sich die Nutzen-Kosten-Bewertung von Bahnprojekten. Auch wenn die Abschaffung des Bonus physikalisch und physiologisch begründet werden kann, führt eine solche Änderung unter den oben geschilderten Rahmenbedingungen ausschließlich zu falschen verkehrspolitischen Anreizen.

Zum einen werden die Lärmschutzwände entlang der Gleise weiter zunehmen. Dies ist für die Reisenden unschön und für viele Ortsbilder schlicht eine Katastrophe. Zum anderen werden alle Aus- und Neubaumaßnahmen der Bahn teurer werden. Das gilt auch für die dringend notwendige Beseitigung von Engpässen im Schienennetz.

Letztlich ist die Entwicklung ein weiterer Baustein im politischen Unvermögen, Transporte auf die Schiene zu verlagern. Der Straßenbau und damit der Straßentransport werden weiter überproportional zunehmen. Auch dies wurde Anfang November von Herrn Ramsauer eindrucksvoll bestätigt. Von zusätzlichen 750 Millionen Euro im Verkehrsetat fließen 76 Prozent in den Straßenbau und weniger als sechs Prozent in die Schiene. Damit hat sich die für die Bahn negative Bilanz des Vorjahres noch einmal verschlechtert.

Dass Maßnahmen, die im Kern nicht falsch sind, aufgrund der Unfähigkeit der Politik, die richtigen Randbedingungen zu schaffen, zu Lasten der Bahn gehen, sieht man auch bei anderen Themen. So wäre eine Liberalisierung von Fernbuslinien ja durchaus im Sinne bestimmter Fahrgastgruppen. Aber Grundvoraussetzung muss eben sein, dass Busunternehmen mittels Maut an den Infrastrukturkosten beteiligt werden, und dass die Fahrgäste in Bus und Bahn die gleichen Rechte haben. Der Bahn gesetzliche Auflagen zu machen und beim Bus stattdessen nur auf den freien Markt zu setzen, zeigt die Vorlieben unserer Politiker: Geredet über die Bahn wird viel, wenn es hart auf hart kommt, profitiert die Straße. Es drängt sich der Gedanke auf, dass politische Entscheidungen durch eine gegen den Schienenverkehr gerichtete Hintergrundtendenz beeinflusst werden – sozusagen eine "hidden agenda" der deutschen Verkehrspolitik.

Selbst Organisationen, die wie PRO BAHN an einer Verbesserung des Schienenverkehrs interessiert sind, scheinen nicht immer den Mut zu haben, eine andere Verkehrspolitik einzufordern. So veröffentlichte der Bayerische Industrie- und Handelskammertag ebenfalls im November ein Positionspapier "Für ein leistungsfähiges Schienennetz". Die Aussagen darin sind aber eher enttäuschend. Außer dem durchaus notwendigen Anprangern der überall fehlenden Finanzierung enthält das Papier wenig Impulse. Inhaltlich werden die Konzepte des Freistaats und der DB mit den teilweise vorhandenen Widersprüchen kritiklos übernommen, was selbst für eine "Bestandsaufnahme" etwas dünn erscheint.

Inkonsistent ist beispielsweise, dass man wie die DB Hof – Regensburg als Güterkorridor für den Seehafenhinterlandverkehr ausbauen möchte, bei der notwendigen Elektrifizierung den Abschnitt Marktredwitz – Schwandorf aber nur in die zweite Kategorie als nationalen Lückenschluss einordnet. Oder dass die IHKs einen internationalen Korridor München – Prag definieren, beim Projekt Bahnknoten München aber genau wie die Staatsregierung die heute schon überlastete Strecke München – Freising einfach übersehen. So kann das natürlich nicht funktionieren.

Die existierende Verkehrspolitik einfach mit viel mehr Geld auszustatten, wird weder gelingen, noch ist es wirklich sinnvoll. Wir brauchen eine Verkehrspolitik mit anderen Prioritäten. Nur auf diese Weise können gesicherte Finanzierungen erreicht werden. Der Weg, den die IHKs vorzeichnen, ist nicht zielführend und genauso "alte Politik" wie diejenige von Ramsauer und Zeil.

Edmund Lauterbach
 

 


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