Dieser Text basiert auf einem Artikel
für die PRO BAHN Post Mai 2014.
Bearbeitungsstand: 22.4.2014

 
 

 


S-Bahn München, quo vadis?
S-Bahn-Störungen sind für Betreiber und Besteller leichter hinzunehmen als für die Fahrgäste.

Im vorherigen Heft wurde die Münchner S-Bahn dafür gelobt, dass sie im Februar eine gute Pünktlichkeit erreicht hatte. Dieser positive Zustand hielt aber leider nicht an. Bereits im März stieg die Zahl der Störungen wieder an und noch schlimmer wurde es in der ersten April-Hälfte. In der folgenden Liste sind keine Störungen durch Fremdeinwirkung (Notarzteinsatz, Personen im Gleis, usw.) enthalten.

  1.4.     S8 Herrsching, technische Störung an der Strecke
  1.4.     technische Störung an einer S-Bahn (Stammstrecke)
  1.4.     technische Störung am Flughafen
  2.4.     technischen Störung an einem Zug (Stammstrecke)
  2.4.     technische Störung an der Strecke zwischen Kreuzstraße und Aying
  2.4.     Signalstörung am Ostbahnhof
  2.4.     technische Störung auf der Stammstrecke
  3.4.     technische Störung an der Strecke bei Dachau
  4.4.     technische Störung an einem Stellwerk im Bereich München Flughafen
  5.4.     Oberleitungsstörung am Flughafen München
  5.4.     Signalstörung zwischen Deisenhofen und Holzkirchen
  7.4.     technische Störung an einem Bahnübergang in Eching
  7.4.     technische Störung im Bereich Lohhof
  8.4.     technische Störung an der Strecke (Stammstrecke)
  8.4.     technische Störung an der Strecke (Stammstrecke)
  10.4.     technische Störung an einem Stellwerk bei Neufahrn
  10.4.     Weichenstörung in Riem
  10.4.     Signalstörung in Giesing
  10.4.     Signalstörung zwischen Ottenhofen und Altenerding
  11.4.     technische Störung an einem Zug (Ostbahnhof - Holzkirchen)
  11.4.     technische Störung an einem Zug (Ostbahnhof - Erding)
  14.4.     Oberleitungsstörung in Petershausen
  15.4.     Signalstörung in Berg am Laim
  15.4.     Signalstörung zwischen Lochhausen und Olching

Dies sind jedoch nur die Störungen, die die DB offiziell über den sogenannten Streckenagenten gemeldet hat. So gab es am 12. April eine nicht per E-Mail gemeldete "Störung an der Strecke" auf der S1, die zu Ausfällen und Verspätungen führte. Als der erste Zug nach Beginn der Störung über 30 Minuten verspätet im Münchner Hauptbahnhof ankam, wo baustellenbedingt gewendet wurde, verschob man die Rückfahrt auf den nächsten Plantakt. Im Prinzip die richtige Entscheidung, wenn man flexibel genug gewesen wäre, den Zug auch nach Freising, statt starr nach Fahrplan nur zum Flughafen fahren zu lassen.

Zusammen mit dem Zeitpuffer der Wendezeit wurden so aus einer größeren Rückfahrtverspätung ein Zugausfall und eine Verspätung von unter 5 Minuten. Da Zugausfälle in der Verspätungsstatistik nicht berücksichtigt werden und bei der DB Verspätungen erst ab 6 Minuten beginnen, ist das für den Betreiber ein positiver Nebeneffekt – die Fahrgäste sind trotzdem 20 oder 40 Minuten zu spät am Ziel. Dass Verspätungsstatistik auch anders geht, ist einem Artikel aus 2012 beschrieben: www.myway.de/e.lauterbach/pstat.html.

Auf Basis der Fahrgastrechte führt ein Zugausfall im 20- oder 40-Minuten-Takt oder eine Verspätung von 30 Minuten nicht zu einer Entschädigung. Und auch Stammkunden mit Abo können kaum auf eine Entschädigung hoffen: Bei einer Verspätung von 60 Minuten hat man zwar Anrecht auf 1,50 Euro, muss diese Anrechte aber sammeln, um auf die Mindestsumme von 4 Euro zu kommen. Hat ein S-Bahn-Kunde zwanzigmal im Jahr Verspätungen zwischen 20 und 40 Minuten (in der Summe also etwa 10 Stunden), so erhält er keinerlei Ausgleich sondern zahlt für sein Jahresabo denselben Preis wie bei korrekter Leistungserbringung. Die DB steckt also Geld der Fahrgäste ein, für das sie keine adäquate Gegenleistung erbringt.

Für den Bereich der S-Bahn München ist eine Entschädigung vergleichbar wie im Münchner Stadtverkehr zu fordern: 6 Euro ab 20 Minuten Verspätung. Solange es solche Ausgleichleistungen nicht einheitlich im gesamten Verkehrsverbund gibt, sind Fahrgastrechte aus Sicht der Pendler ein stumpfes Schwert und dienen nur dazu, dass sich die ÖV-Firmen noch etwas öfter selbst loben können. Die Fahrgastrechte erzeugen nicht genügend finanziellen Druck, um die DB zum Umdenken bezüglich der Funktionsfähigkeit der Infrastruktur zu bewegen.

Neben Fahrgastentschädigungen gibt es Ausfallzahlungen an den Besteller, die sogenannte Pönale. Die vielen selbstverursachten Störungen im DB-Bereich zeigen aber, dass die Pönale-Leistungen offensichtlich zu niedrig sind. Und wenn sie anstatt für zusätzliche Bestellungen und Reaktivierungen auch noch so verwendet werden, dass die DB davon ohne Ausschreibung profitiert, wird das ganze System äußerst fragwürdig. Hier ist eine stärkere politische Kontrolle, die vorab veröffentliche Zielsetzungen als Basis hat, dringend notwendig.

Mehr Kontrolle benötigt ganz offensichtlich auch die Infrastruktur von DB Netz. Die vielen S-Bahn-Störungen lassen sich nur dadurch erklären, dass eine präventiv wirkende Instandhaltung vernachlässigt wird. Dass der Bund hier in seiner Verantwortung für das Schienennetz versagt, ist unübersehbar. Aufgrund der hohen Fahrgastzahlen, der Bedeutung für die Region München und der finanziellen Bedeutung für den DB-Konzern, ist es darüber hinaus aber auch notwendig, dass das Münchner S-Bahn-Netz wieder stärker in den Fokus des DB-Vorstands rückt. Es liegen hier, genau wie bei der Berliner S-Bahn, Probleme vor, die über den Raum München hinaus strahlen.

Es kann nicht sein, dass große Summen öffentlicher Gelder in die Bestellung des S-Bahn-Verkehrs fließen, und gleichzeitig die DB ihrer Aufgabe, das Netz in Ordnung zu halten, nicht richtig nachkommt. Daher muss auch die Infrastruktur auf eine transparentere Basis gestellt werden. Lokal und vielleicht als Vorbild für andere Regionen könnte man sich eine Art Infrastrukturbeirat vorstellen, in dem die Bayerische Eisenbahngesellschaft sowie Vertreter von Politik und Fahrgästen ihre jeweiligen Sichtweisen zu Infrastrukturfragen direkt mit DB Netz, DB Station&Service und den beteiligten Verkehrsunternehmen diskutieren.

Überschattet werden die Probleme der Münchner S-Bahn natürlich durch die jahrelange Diskussion über den zweiten S-Bahn-Tunnel. Dieses geplante Projekt dient immer wieder als Ausrede, um andere Verbesserungen nicht durchzuführen. Genannt seien hier neben vielen kleineren Maßnahmen auf den Außenstrecken Umbauten in Pasing und Laim oder die flexiblere Nutzung von Sendlinger Spange und Südring. Auch wenn die Politik Ursache dieses Versagens ist, so hat doch die DB sehr schnell auf ihre Pflicht verzichtet, das zu tun, was den Fahrgästen nützt, anstatt über zehn Jahre auf ein Projekt zu warten, das angesichts steigender Kosten nicht wahrscheinlicher wird.

Edmund Lauterbach


 
 


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