Dieser Text basiert auf einem Artikel
für die PRO BAHN Post März 2012. Bearbeitungsstand: 16.2.2012 |
Der Verband Deutscher Verkehrsbetriebe (VDV) will das erhöhte Beförderungsentgelt weiter hochsetzen. Schützenhilfe leistet unter anderem auch die Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG). Reflexhaft wird nur die kriminelle Energie der "Schwarzfahrer" als mögliche Ursache unterstellt. Natürlich gibt es Leute, die das Fahren ohne Fahrschein als Sport und Verspottung der zahlenden Fahrgäste betrachten. Aber die Strafen treffen viel zu oft auch Leute, die mit Fahrscheinautomaten nicht zurechtkommen, die es vor Abfahrt nicht schaffen, den Fahrschein zu lösen, oder die ihren Fahrschein schlicht vergessen haben. Schon in der Überschrift der VDV-Meldung wird dies alles ignoriert und es ist nur von "Schwarzfahrern" und "Strafzahlungen" die Rede. Dadurch wird in der Öffentlichkeit und bei den Medien ein falscher Eindruck erweckt. Und weil man das auch beim VDV weiß, kann man den Umgang mit diesem sensiblen Thema nur als polemisch bezeichnen. Das erhöhte Beförderungsentgelt ist eine zivilrechtliche Forderung des Verkehrsbetriebes. Um eine Bestrafung zu erreichen, muss der mutmaßliche Beförderungserschleicher aufgrund § 265a des Strafgesetzbuchs verurteilt werden. Nicht den richtigen Fahrschein zu haben, kann auch dem unbedarften Fahrgast passieren. Die Verkehrsbetriebe tragen durch komplizierte Tarife, langwierige Automatenbedienung sowie durch Verringerung der Zahl der Verkaufsstellen zu diesen Problemen bei. An vielen Bahnhöfen wurde nicht nur der personalbediente Verkauf, sondern auch die Anzahl der Fahrscheinautomaten reduziert. Eine Verteuerung des erhöhten Beförderungsentgeltes wird die notorischen Schwarzfahrer nicht von ihrem Tun abhalten. Die Leute, die sich im Tarif- und Automatengewirr verirren, werden aber durch eine solche Erhöhung noch mehr bestraft als bisher. Wer sich im Öffentlichen Verkehr und seinen Tarifen unsicher fühlt, wird die Wahl seines Verkehrsmittels von dem vom VDV vorgeschlagenen Schritt beeinflussen lassen. Wer einmal "ertappt" wurde, obwohl die Erschleichung der Beförderung eigentlich nicht seine Absicht war, hätte dann einen noch besseren Grund, auf das Auto umzusteigen. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Verkehrsbetriebe mit dem vorgeschlagenen Schritt in erster Linie die Kosten für Fahrscheinkontrollen senken wollen. Die Idee dahinter ist, dass die Abschreckung einer hohen Strafzahlung genauso wirkt wie die Abschreckung durch eine ausreichend hohe Zahl an Kontrollen. Die Kölner Verkehrsbetriebe (KVB) meldeten am 2.2.2012, dass die Quote ihrer Fahrscheinbeanstandungen von 6,3 Prozent im Vorjahr auf 4,73 Prozent in 2011 gefallen sei, weil man die Zahl der Kontrollen um ein Drittel erhöht habe (siehe Querverweise). Solche Zahlen werden vom VDV und anderen Verkehrsbetrieben anscheinend nicht zur Kenntnis genommen. Stattdessen ist die Kontrolldichte immer weiter verringert worden. In einigen Bereichen ist "Schwarzfahren" inzwischen ein absolut sicheres Geschäft. Da werden auch höhere Strafen nicht wirken, weil die Profis unter den Leuten ohne Fahrschein dies wissen. Der einzige effiziente Weg beim Kampf gegen Schwarzfahrer ist, die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass jemand, der absichtlich ohne Fahrschein unterwegs ist, auch ertappt wird. Nur so können Wiederholungstäter von Fahrgästen, die aus Versehen nicht den richtigen Fahrschein haben, unterschieden werden. Darüber hinaus muss der Gesetzgeber dafür sorgen, dass insbesondere Wiederholungstäter strafrechtlich erfolgreich verurteilt werden können. Vielleicht kann auch eine Einstufung als Ordnungswidrigkeit mit entsprechend hohem Bußgeld die Verfahren vereinfachen. Verkehrsbetriebe sollten aber nicht versuchen, als staatliche Exekutive aufzutreten. Im Übrigen: Warum geht man bei Öffentlichen Verkehr andere Wege als im Straßenverkehr? Die Seuche des Falschparkens (z.B. Blockieren von Bushaltestellen) in unseren Städten wird meist nur mit 5 bis 15 Euro bestraft. Für 35 Euro darf man innerorts 20 km/h zu schnell fahren, ab 25 Euro jemand die Vorfahrt nehmen. Aber einmal ohne Fahrschein zu fahren ist wohl verglichen damit die gefährlichere und kriminellere Handlung. Edmund Lauterbach |
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