Dieser Text basiert auf einem Artikel
für die PRO BAHN Post März 2014.
Bearbeitungsstand: 21.2.2014

 
 

 

Die Politik hat die Weichen falsch gestellt
Entgleiste Informations- und Vertriebsstrukturen

Ende Januar ging durch die Medien, dass das Bundeskartellamt ein Verfahren gegen die Deutsche Bahn AG eingeleitet hat. Es geht um den Verdacht auf Wettbewerbsbehinderung beim Vertrieb von Fahrkarten.

PRO BAHN fordert seit langem, dass bestimmte Dienstleistungen im Öffentlichen Verkehr unternehmensübergreifend erfolgen sollen. Dazu gehört neben der Fahrgastinformation und der Tarifgestaltung auch der Fahrkartenvertrieb. Im Grunde wäre nichts dagegen einzuwenden, wenn diese Dienstleistungen zusammen mit dem Betrieb der Infrastruktur (Schienennetz, Bahnhöfe) in einem oder mehreren staatlich regulierten Bereichen gebündelt würden. Das hätte den Vorteil, dass die entstehenden Kosten gegenüber den Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) in entsprechend gestaltete Trassen- und Stationsgebühren eingerechnet werden könnten.

Die eigentliche Durchführung der Dienstleistungen kann per Ausschreibung an private Firmen oder andere Organisationen vergeben werden. Dafür gibt es durchaus schon Beispiele. So haben die Aufgabenträger Nahverkehr Rheinland und SPNV Rheinland-Pfalz Nord gemeinsam den Fahrkartenvertrieb entlang mehrerer Bahnstrecken ausgeschrieben. Gewonnen hat die Ausschreibung die DB Vertrieb GmbH. Durch die Auftragsvergabe bestimmen allerdings die Aufgabenträger und nicht die DB, welche Fahrkarten wo verkauft werden. Das ist ein wesentlicher Unterschied zur Situation, wie sie beispielsweise in Bayern vorliegt.

Wie ist es dazu gekommen, dass die DB in einer Weise den Fahrkartenvertrieb beherrscht, die Aufgabenträger und andere Bahnunternehmen ärgert und das Kartellamt auf den Plan ruft? Warum fordert PRO BAHN andere Strukturen für Tarif, Information und Vertrieb?

Die Schuld muss man im politischen Bereich suchen. Bei der Bahnreform wurde zwar vieles geregelt, es blieben aber auch Regelungslücken. Als man die DB AG neu gliederte und 2009 die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung (LuFV) abschloss, wurde manches nachgebessert, an einige grundlegende Probleme traute man sich aber nicht heran. Das Nichtherantrauen besteht bis heute. Um eine Schwächung ihrer Machtposition zu verhindern, unterstützt die DB durch sehr aktive Lobbyarbeit den Status Quo. Derartig ideologisch bestärkt wählen viele Politiker den einfachen Weg, plappern Vorgaben des DB-Vorstands nach und übersehen, dass die Probleme durch das von der Politik geschaffene "System DB" verursacht werden.

So entstand durch politisches Versagen eine Situation, in der der DB-Konzern frei entscheiden kann, wo er Aufgaben wie Vertrieb und Information ansiedelt. Siedelt er sie im Monopolbereich DB Netz oder Station&Service an, muss er diskriminierungsfrei alle EVU gleich behandeln. Dabei kann zwar auch einmal etwas strittig sein, auf die Gleichbehandlung besteht aber ein einklagbarer Anspruch

Stattdessen hat die DB Vertrieb und Information dem im Wettbewerb mit anderen Bahnfirmen stehenden Konzernteil DB Mobility Logistics AG (DB ML) zugeordnet. Dadurch ergibt sich eine weitaus angenehmere Situation – allerdings nur für die DB und nicht für Fahrgäste oder die Eisenbahn insgesamt. Die DB ML bietet anderen EVU durchaus auch Leistungen an (z. B. Fahrscheinvertrieb, Echtzeitdaten im Auskunftssystem). Diese Leistungen müssen aber bezahlt werden. Das versetzt die Wettbewerber der DB in die unangenehme Lage, nicht nur an die DB-Monopolbereiche Trassen- und Stationsgebühren zahlen zu müssen, sondern zusätzlich auch direkt zur Finanzierung des Konkurrenten DB ML und seiner EVU beizutragen.

Häufig wird auch die intransparente Preisbildung beklagt. Wie die Kosten intern bei der DB verrechnet werden, bleibt unklar. So entsteht bei den anderen Bahnunternehmen schnell der Eindruck, durch das Bezahlen für Vertriebsleistungen einen Konkurrenten über Gebühr zu füttern. Also stellt man wie Meridian eigene Automaten auf, und beschwert sich darüber, an diesen keine Fernverkehrsfahrscheine verkaufen zu dürfen.


Automatenauswahl im Münchner Hauptbahnhof. Die vom rechts stehenden Meridian-Automaten angebotenen "Fahrkarten nach ganz Deutschland" gibt es allerdings nur für den Nahverkehr.

Auch die gerade in Bayern immer wieder aufkommende Diskussion, ob ein neuer Betreiber den DB-Tarif anwendet, oder den für Fahrgäste problematischen Tarif für Anstoßverkehre, hängt eng mit den Kosten des Fahrkartenvertriebs zusammen (siehe www.myway.de/e.lauterbach/meridian.html). Bei der Fahrgastinformation ist es ähnlich. Verspätungen meldet die DB nur für andere Bahnen, wenn diese dafür zahlen. Auf bauarbeiten.bahn.de sind irgendwann die Baustellen im DB-Netz verschwunden, von denen nur nicht-DB-Bahnen betroffen sind. Und im neuesten Informationsprodukt der DB, dem Zugradar (bahn.de/zugradar), findet man zurzeit nur DB-Züge.

Daher gehen auch beim Thema Information die Aufgabenträger eigene Wege. So hat der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) kürzlich ein dem Zugradar vergleichbares Angebot vorgestellt. Auf der VBB-Livekarte (www.vbb.de/livekarte) sind alle Verkehrsmittel unabhängig vom Betreiber zu sehen.

Die Initiativen der Aufgabenträger sind zu begrüßen. Fragwürdig ist allerdings, dass Arbeit doppelt gemacht und mehrfach Geld an die Herstellerfirma Hacon überwiesen wird. Letztlich werden die entstehenden Kosten auf die Fahrscheine umgelegt. Ähnlich ist die Problematik bei dem von der Bayerischen Eisenbahngesellschaft (BEG) angebotenen Bayern-Fahrplan, auch wenn in diesem Fall eine andere Herstellerfirma tätig ist. Dass der Bayern-Fahrplan in vielen Punkten weniger elegant als das Auskunftssystem der DB wirkt, macht die Sache nicht besser.

Solange Fahrplandaten als Eigentum – der DB oder anderer Firmen – betrachtet werden, wird die Situation nicht besser. Es ist in einem Bereich wie dem Öffentlichen Verkehr unsinnig, Wettbewerb mittels solcher Daten zu machen. Viel sinnvoller wäre es, sie im Sinne von Open Data allgemein zur Verfügung zu stellen. Dann kann es immer noch einen Wettbewerb um die Darstellung der Information geben. Ein solcher Wettbewerb wäre zum Vorteil für die Kunden, weil er die Kosten senken und die Qualität verbessern kann. Es gäbe keine Nachteile, da überall dieselben Daten vorhanden wären, und der Fahrgast sich nicht mühsam Fahrpläne oder Tarif- und Baustelleninformationen bei verschiedenen Unternehmen oder Aufgabenträgern besorgen müsste.

Edmund Lauterbach

PDF-Version dieses Artikels

Doppelseite in der PRO BAHN Zeitung "derFahrgast" 02-2014 zum Fahrkartenvertrieb

Inhaltsverzeichnis "derFahrgast" 02-2014, u.a. mit Artikel zu Informationschaos bei elektronischen Auskunftssystemen

PRO BAHN zu Tarifproblemen zwischen München und Holzkirchen / 2007

 


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