Dieser Text basiert auf einem Artikel
für die PRO BAHN Post Mai 2019.
Bearbeitungsstand: 18.4.2019

 
 

Expressbusring um München

Anfang April haben der MVV, die beteiligten Landkreise und das bayerische Verkehrsministerium ein Konzept für einen Busring um München vorgestellt. Teils schon existierende, teils neue Linien bilden als eine Kette von Expressbussen einen geschlossenen, aber nicht umsteigefreien Ring um die Landeshauptstadt. Einige Ziele außerhalb des Ringes wie Unterschleißheim, das Garchinger Forschungszentrum aber auch Bad Tölz sollen durch Linienverlängerungen angebunden werden. Das Konzept ist zunächst ein Grobentwurf, der sich bis zu einer Realisierung noch verändern wird.

Zu klären ist aus Fahrgastsicht unter anderem ein gemeinsamer Bedienungsstandard eines solchen landkreisübergreifenden Konzepts. Gerade wegen der Umsteigezwänge müssen Takt und Fahrplan aufeinander abgestimmt sein; ebenso muss man die Umsteigezeiten zu den S-Bahn-Linien beachten. Die bisherigen Standards der Landkreisbusse sind eher uneinheitlich. So haben die Landkreise Fürstenfeldbruck und Starnberg bereits Erfahrungen mit Expressbuslinien gesammelt und bauen ihr Netz weiter aus. Der Landkreis München hat aufgrund des Verkehrswachstums ebenfalls sein Busnetz verdichtet und lässt einige der Buslinien in den Stoßzeiten mit Fahrplantakten verkehren, die man sonst nur aus München kennt. Dagegen ist der Landkreis Dachau nicht so sehr für ein fahrgastgerechtes Busangebot bekannt.

Grafik 630*298 - Busring, Nordteil

Auch andere Punkte des Konzeptentwurfs erwecken den Eindruck, dass noch einiges zu optimieren ist. Schaut man sich beispielsweise den Südostteil des Busringes zwischen Hohenbrunn und Wolfratshausen an, so scheinen die Linien an Gebieten mit hohem Fahrgastaufkommen vorbeizufahren. Im Norden würde das Expresskonzept wohl dazu führen, dass Unterschleißheim seine Direktlinie aus Dachau wieder verliert, aber andererseits auch keine umsteigefreie Verbindung zum Garchinger Forschungszentrum bekommt. Umsteigzwänge für ein bis zwei Stationen sind erfahrungsgemäß immer ein gutes Argument zum Autofahren.

Konzeptionell stellen sich folgende Fragen:

1) Wie verhindert man, dass die Busse im Stau stehen und in den Hauptverkehrszeiten komplett unattraktiv werden?

2) Ist das Aneinanderstoßen der Buslinien mit Umsteigezwang fahrgastfreundlich umsetzbar? Könnten stattdessen sich großzügig überlappende Linienwege das unsichere und unbeliebte Umsteigen vermeiden?

3) Ist ein reines Ring- bzw. Tangentialsystem überhaupt pendlergerecht? Würde es nicht mehr den Fahrgastwünschen entsprechen, tangentiale und radiale Linienabschnitte zu kombinieren?

Nicht zuletzt hört man auch wieder die Frage: Warum Busse und nicht die lange diskutierte Stadt-Umland-Bahn? Die Diskussion zur Stadt-Umland-Bahn fand vor Jahrzehnten statt. Damals gab es bezüglich der Trassen deutlich mehr Optionen, die heute meist verbaut sind. Widerstände in Umlandkommunen, Ignoranz bei der Stadt München und Zögerlichkeiten beim MVV haben dazu geführt, dass die Chancen der Stadtbahnideen nicht genutzt wurden. Die Folgen dieser Fehlentscheidung sieht man heute auf den Straßen um und in München.

Während ein Stadtbahnsystem, wie es PRO BAHN 1997 vorgeschlagen hat (www.stadtbahn-muenchen.de/strecken), überwiegend auf eigene Trassen setzt, würde ein Bussystem natürlich die vorhandenen Straßen nutzen. Womit wir bei der oben mit 1) nummerierten Frage der Stauanfälligkeit sind. Die Antwort auf die Stauproblematik kann nur lauten, dass man auf kritischen Abschnitten unabhängige Busspuren braucht. Aber ist so etwas im Münchner Umland machbar? Ist eine (abschnittsweise) Busspur zum Beispiel zwischen Garching und Ismaning irgendwie vorstellbar? Ist man bereit, entsprechende Investitionen in die Infrastruktur vorzusehen, oder will man ein Bussystem, das nur auf dem Papier funktioniert?

Bei den Fragen 2) und 3) sei ebenfalls ein Vergleich mit dem Stadtbahnvorschlag von 1997 erlaubt. Ideen zu einem Linienkonzept (www.myway.de/e.lauterbach/stadtbahn/lgraf.html) sahen damals großzügige Überlappungen und auch zahlreiche Linienäste vor, die nach München hineinführen. Insgesamt war der Vorschlag für ein Stadtbahnnetz so ausgelegt, dass er enger an München angelehnt war, und so die Gebiete mit den größten Wachstumszahlen abdecken sollte.

Grafik 630*298 - Busring, Südteil

Auch bei Buslinien gibt es Vorteile, wenn man tangentiale und radiale Abschnitte kombiniert. Zwischen den S-Bahn-Linien existieren durchaus Lücken, in denen sich Radiallinien auch als Expressverbindung anbieten. Reine Tangentiallinien sind dagegen auf gute Verknüpfungen mit der S-Bahn angewiesen. Beim vorgestelltem Konzeptentwurf muss dies oft zu drei verschiedenen S-Bahn-Linien gewährleistet sein, was für die Fahrplangestalter eine Herausforderung ist und nur bei guter Pünktlichkeit funktionieren kann. Zusätzlich muss an den Anstoßpunkten das Umsteigen auf die sich anschließenden Ringbuslinien sichergestellt werden. Diesen Punkt kann man dadurch entspannen, dass die Linien sich viel stärker überlappen als im Entwurf bisher vorgesehen, um Umsteigezwänge und Anschlussverluste zu vermindern.

Schaut man die heutige Realität an, so gibt es leider durchaus Gegensätze und Berührungsprobleme zwischen der Stadt München mit der eigenen ÖV-Gesellschaft MVG und den umgebenen Landkreisen. Das Ringbuskonzept meidet das Münchner Stadtgebiet komplett. Selbst die neue Linie X80 von Moosach nach Puchheim kommt darin nicht vor. Dabei wäre eine solche Linie als Zwitter zwischen Tangential- und Radiallinie durchaus auch ein Prototyp für einen Konzeptansatz. Ebenso setzt der MVV-Tarif Randbedingungen, die ein Busringkonzept beachten sollte. Auch nach der Tarifreform ist der MVV-Tarif in Ringen organisiert. Das bedeutet, eine Buslinie, die innerhalb eines Ringes verkehrt, hat günstige Fahrpreise. Überquert sie dagegen mehrfach eine Tarifgrenze, werden die Fahrpreise deutlich steigen.

Was aus dem Konzeptentwurf am Ende wirklich entstehen wird, wie und mit welchem Fahrplan die Ideen umgesetzt werden, bleibt abzuwarten. Zu hoffen ist, dass eine möglichst offene Herangehensweise – durchaus auch unter Einbeziehung der Stadt München – und möglichst wenig Festkleben an abstrakten Prinzipien am Ende zu einem guten und für die Fahrgäste attraktiven Verkehrssystem führt.

Edmund Lauterbach

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