Dieser Text basiert auf einem Artikel
für die PRO BAHN Post Februar 2018.
Bearbeitungsstand: 19.1.2018

 
 

 


Die Geheimnisse der Preis­erhöhung im Bahnverkehr

Im Herbst 2017 haben DB Regio und weitere im Personen­verkehr tätige Bahn­unternehmen eine Preis­erhöhung im Schienen­personen­nah­verkehr (SPNV) zum vergangenen Fahrplan­wechsel von durchschnittlich 2,3 Prozent angekündigt; für Einzel­tickets wurden 2,4 Prozent genannt (Presse­mitteilung). Der Fahrplan­wechsel liegt nun einige Wochen hinter uns, und in der Zwischenzeit erreichten PRO BAHN etliche Beschwerden von Fahrgästen im Regional­verkehr außerhalb von Verbünden, deren Fahrpreise deutlich stärker angestiegen sind, als in den Medien angekündigt.

Im Folgenden werden einige Beispiele genannt, die sich alle auf eine einfache Fahrt 2. Klasse ohne Bahncard beziehen. So stieg der Fahrpreis von München Hauptbahnhof nach Uffing von 14,70 Euro auf 15,80 Euro, also um 1,10 Euro, während es von München-Pasing nach Uffing nur 60 Cent teurer wurde. Die Preis­steigerung ab Hauptbahnhof liegt mit knapp 7,5 Prozent deutlich über dem von der DB genannten Durch­schnitts­wert. Ins sechs Kilometer weiter entfernte Murnau liegt der Fall genau umgekehrt: ab Hauptbahnhof wurde es im Dezember um 50 Cent teurer; ab Pasing stieg der Fahrpreis um 1,10 Euro und damit sogar um mehr als 7,5 Prozent. Ins noch einmal sechs Kilometer weiter entfernte Ohlstadt zahlt man ab Pasing nur 40 Cent mehr als im Vorjahr.

Vergleicht man die Fahrpreise von Weilheim nach Eschenlohe, Oberau und Farchant so ergeben sich Preissteigerungen von 10 Cent, 70 Cent und 20 Cent, wobei der Fahrpreis nach Oberau um fast acht Prozent teurer wurde. Von Garmisch-Parten­kirchen nach Uffing blieb der Preis unverändert, während die um sieben Kilometer längere Fahrt nach Huglfing 70 Cent – das sind ebenfalls fast acht Prozent – teurer wurde. Die Liste solcher Fälle lässt sich auch für andere Strecken und Bahn­unter­nehmen beliebig fortsetzen. Der Ärger der betroffenen Fahrgäste ist auch deswegen so groß, weil sie schon ein Jahr vorher, im Dezember 2016, mit Preis­steigerungen von zum Teil über acht Prozent zur Kasse gebeten wurden.

Die diversen Fahrgast­eingaben hat PRO BAHN zum Anlass genommen, sich die Preise noch einmal genauer anzuschauen. Die aktuelle Preistabelle findet man unter "Nationaler Verkehr" auf www.bahn.de/p/view/home/agb/agb_befoerderungsbedingungen.shtml (siehe Anmerkung unter Quellen und Querverweise). Preislisten gibt es zum Beispiel auch im Bayern-Kursbuch oder zusammen mit Informationen zur Ermittlung der Tarif­entfernungen unter www.tbne.de/Entfernungswerk-Preislisten.241.0.html.

Das Ergebnis des Vergleichs der Preise im Bahn-Nahverkehr lautet: die durch­schnittliche Preis­erhöhung bei Fahrkarten für einfache Fahrt 2. Klasse beträgt im Entfernungs­bereich bis 200 (Tarif‑)Kilometer etwa 4,2 Prozent. Die höchste Preis­steigerung gab es mit 7,95 Prozent bei einer Entfernung von 38 Kilo­metern.

Wie kommen also die Bahn­unter­nehmen auf 2,3 Prozent? Die Antwort auf diese Frage ist zunächst in der Tatsache zu suchen, dass es im Regional­verkehr außer Fahrkarten für einfache Fahrt sehr viele andere Ticketarten gibt. Zu nennen sind in erster Linie die verschiedenen Typen von Zeitkarten für Pendler, aber auch Länder­tickets, Quer-durchs-Land-Ticket, regionale Tickets, Hopper-Tickets, usw. Bei einigen davon wurden die Preise erhöht – zum Teil über­durch­schnittlich – bei anderen nicht oder nur gering. Für die Durch­schnitts­bildung wird nun über alle diese Ticketarten ein gewichtetes Mittel gebildet, bei dem dann der Wert von 2,3 Prozent herauskommt.

Trotz dieser Erklärung stimmt aber die angegebene Erhöhung von 2,4 Prozent für die Preise der Einzel­tickets überhaupt nicht mit unserer Betrachtung der Fahrpreise bis 200 Tarif­kilometer überein. Für den Fahrgast, der nur seine gewohnte Fahrkarte und deren Preis sieht, ist das alles noch viel weniger nach­voll­ziehbar, woraus sich ein Teil der Verärgerung erklärt. Vielleicht kann man daher auf Unter­nehmens­seite noch einmal über etwas mehr Transparenz und verbesserte Kom­muni­kation nachdenken.

Die zweite Frage ist: Wie kommt es zu den merkwürdigen Schwankungen bei der Erhöhung der Preise? Der Grund hierfür liegt in der Historie begründet. Früher waren die Fahrpreise nach Ent­fernungs­zonen aufgeteilt, die bis zu zehn Kilometer groß waren, und in denen identische Preise galten. Das führte zu einer stark gestuften Preiskurve. Im Dezember 2016 wurde diese Aufteilung aufgegeben. Damit die Preise für bestimmte Relationen nicht schlagartig sehr stark ansteigen, wurde die gestufte Kurve aber nicht in einem einzigen Schritt durch eine neue Kurve ersetzt. Stattdessen wird eine Strategie verfolgt, die in mehreren Schritten zu einer glatteren, stufenfreien Preiskurve führt. Das Ziel ist also eine gerechtere Preis­gestaltung, auch wenn es sich für betroffene Fahrgäste bestimmter Entfernungs­bereiche anders darstellt.

Für einige Tarif­ent­fernungen (z.B. bei 6 km, 11 km, 21 km oder auch 71 km, aber nicht bei 41 km oder 61 km) gab es seit Dezember 2015 gar keine Erhöhung. Aber nicht überall, wo der Fahrpreis pro Kilometer durch die Stufen recht hoch war, hat man auf Preis­erhöhungen verzichtet, auch wenn dort die Steigerung meist gering ausfiel. Beschwerden von Fahrgästen, die aufgrund dieser Tatsachen keine oder nur mäßige Preis­erhöhungen erlebt haben, sind natur­gemäß nicht bekannt. Anders sieht es aus, wenn wegen der Stufen­funktion der Kilometer­preis ursprünglich unter dem Durchschnitt lag. Dort wurden die Preise zum Teil zweimal hinter­einander kräftig erhöht.

Grafik 630*372 – Link zu Präsentation

Die Entwicklung zu einer glatteren Preiskurve ist noch nicht abgeschlossen. Heute hat man als Zwischen­schritt einen Preis pro Kilometer, dessen grafische Darstellung zwar weniger, aber merkwürdig unregel­mäßig verteilte Stufen hat. Warum es an bestimmten Stellen der Preiskurve immer noch zum Teil recht große Stufen gibt, während sie an anderen Stellen bereits ausgeglichen wurden, erschließt sich auch nach einer Erklärung durch DB Regio nicht vollständig.

Jedenfalls scheint man bei der DB und anderen Bahn­unter­nehmen nicht allzu viel Rücksicht darauf zu nehmen, dass man durch die Art und Weise der Preis­anpassung, bestimmten Kunden­gruppen nun schon zum zweiten Mal Erhöhungen von sechs bis acht Prozent statt der ange­kündigten 2,3 Prozent zumutet. Dass die Fahrgäste das unfair finden, und dass durch die Nennung von schwer nach­voll­zieh­baren Zahlen die Glaub­würdig­keit erschüttert wird, scheint niemanden von den Verantwortlichen zu stören. PRO BAHN ist überzeugt, dass die durchaus begrüßens­werte Abkehr vom gestuften Preissystem auch kunden­freundlicher gestaltet werden könnte.

Edmund Lauterbach

Quellen und Querverweise:

 

 


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