Dieser Text basiert auf einem Artikel
für die PRO BAHN Post April 2018.
Bearbeitungsstand: 16.3.2018

 
 

 

Gestörte Mobilität trotz verbesserter S-Bahn-App

Zum Monats­wechsel Februar/März zeigte uns die Münchner S-Bahn wieder einmal, wie man Schlagzeilen produziert. Am Montag führten zunächst eine Ober­leitungs­störung und defekte Züge zu stunden­langem Stillstand nicht nur im S-Bahn-Netz. Die Situation näherte sich der Besserung, als gegen 18 Uhr ein Zug am Rosen­heimer Platz die Stamm­strecke blockierte. Die Störung hatte Aus­wirkungen bis in die Nacht hinein. Am Dienstag war vormittags eine Weiche im Bereich Ostbahnhof gestört; dazu kamen Stellwerks­störungen in Berg am Laim und am Flughafen. Am Mittwoch­morgen folgte wieder eine Weichen­störung am Ostbahnhof; am Donnerstag gab es dort in der Früh dann eine Signal­störung.

An allen genannten Tagen lagen die Außen­temperaturen im zwei­stelligen Minus­bereich. Tausende Fahrgäste froren auf den zugigen Bahnsteigen der S-Bahn-Außenäste. Auch wenn man bei wirklicher Krankheit zu Hause bleiben sollte, sind solch unfreiwillig verlängerten Wartezeiten in der Kälte schon bei leicht getrübter Gesundheit eine ziemliche Belastung. Unter den Frierenden gab es natürlich auch S-Bahn-fahrende Journalisten, die weitaus bessere Möglichkeiten als andere Reisende haben, ihren Ärger und den ihrer Mitleidenden in die Öffentlichkeit zu tragen. Davon wurde dann auch sehr rege Gebrauch gemacht.

Foto 630*219 - S1-Einfahrt nach Freising
Leider kein Aprilscherz: Der Winter reichte bis weit in den März hinein. Schnee und Kälte machten die zahlreichen S-Bahn-Störungen für die wartenden Fahrgäste noch unerträglicher.

Es nützte nichts, dass die S-Bahn ausgerechnet am Mittwoch­vormittag eine Presse­konferenz veranstaltete, und Maßnahmen für mehr Pünkt­lich­keit und Zuver­lässig­keit sowie ein Update der App "München Navigator" als Spitzen­produkt der Fahrgast­information vorstellte. Motto der Veranstaltung war "Zukunft S-Bahn München – besser werden für die Mobilität von Morgen". Die Mobilität von heute war während­dessen leider ziemlich gestört. Die Tatsache, dass "besser werden" in der Vergangenheit wohl nicht besonders gut funktioniert hat, macht Aussagen zur Zukunft der S-Bahn recht fragwürdig. Und über die Information im S-Bahn-Bereich haben sich die Fahrgäste längst eine eigene Meinung gebildet, die von der Sichtweise der DB stark abweicht, was sich dann auch in den Kommentaren der Medien zeigte.

Bereits am Dienstag hatte PRO BAHN Oberbayern eine Presse­mitteilung veröffent­licht, in der unter anderem eine angemessene Ent­schädi­gung für Pendler gefordert wurde. Es wurde darauf hingewiesen, dass die DB immer wieder Pünkt­lichkeits­quoten für die S-Bahn nennt, die auf ver­fäl­schenden Erhebungs­methoden beruhen, und weit entfernt vom Erleben der S-Bahn-Pendler sind. Die Haupt­ursache für die Labilität des S-Bahn-Betriebs sieht PRO PBAHN im jahr­zehnte­langen Versagen von Deutscher Bahn und der Verkehrs­politik von Bund und Freistaat bei der Ertüchtigung der Infra­struktur. Immer wieder wurden Vorschläge für Verbesserungen gemacht, so auch zuletzt in einer Pressemitteilung Anfang Februar; immer wieder wurden diese Vorschläge ignoriert.

Zur Wochenmitte stellte dann auch die Bayerische Eisenbahn­gesellschaft (BEG) fest, dass "Infra­struktur­maß­nahmen für das gesamte Münchner S-Bahn-Netz dringend notwendig" sind – eine Erkenntnis, die leider viel zu spät kommt. Während PRO BAHN immer wieder auf die Defizite und ihre Folgen hingewiesen hat, tat man in der Ver­gangen­heit von offizieller Seite so, als sei einzig die zweite Stammstrecke Voraus­setzung für die Beseitigung aller Schwach­stellen.

Die Woche ab dem 26. Februar hat wieder einmal gezeigt, wie es sich rächt, dass die Verant­wort­lichen bei DB, BEG und in der Politik seit mehr als zehn Jahren Verbesserungen auf den Außen­strecken immer wieder zurück­gestellt haben. Man bestritt die Not­wendig­keit und verklärte die zweite Stamm­strecke nach dem Prinzip Hoffnung zum Allheilmittel. Anstatt die S-Bahn so zu ertüchtigen, dass sie mit Störungen besser zurecht­kommt, wurden die Probleme wegargumentiert oder schlicht versucht, sie auszusitzen.

Die Presse­mitteilung der BEG wurde in den Medien dann als "Rüffel von oben" beschrieben. Es stellt sich aber die Frage, ob so ein Rüffel nicht nur davon ablenken soll, dass man "oben" selber eine gehörige Portion Schuld an den Ursachen für das Geschehen trägt. Weitere Schlag­zeilen im Laufe der Woche lauteten: "Chaostag bei der S-Bahn", "Münchner Schand-Bahn", "Ein Bild des Jammers", "x-te Störung in vier Tagen", "S-Bahn-Irrsinn" oder "Münchner S-Bahn ist ein Desaster". Am Ende der Woche wurden wir dann durch die Medien über einen Ent­schuldigungs­versuch der DB informiert: ein Bahn­sprecher sagte "es war eine harte Woche" und "es tut uns wirklich leid für die Unan­nehm­lich­keiten". Zusammen mit einem Radio­sender ließ die DB an einen kleinen Prozent­satz der Fahrgäste Gutscheine für eine Freizeit­einrichtung verteilen, was die Schlag­zeilen nicht unbedingt bahn­freund­licher machte.

Während in München die S-Bahn zwar nicht ihrer Aufgabe aber ihrem Ruf gerecht wurde, und gleich­zeitig eine App beworben wurde, die die S-Bahn zukunfts­sicher machen soll, stellte die DB in Berlin eine Klima­studie vor und versprach, sich besser auf extreme Wetter­lagen einzustellen. Unter anderen wurde wider­stands­fähigere Technik angekündigt. Bei der Münchner S-Bahn sind, solange nicht deutlich mehr passiert als bisher, statt­dessen weiter­hin wider­stands­fähige Fahrgäste gefragt.

Wegen der Kette von S-Bahn-Störungen musste Verkehrs­minister Herrmann Mitte März im Wirtschafts­ausschuss des Landtags Rede und Antwort stehen. Dazu veröffentlichte er eine Presse­mitteilung, in der vom "Schulter­schluss mit der Deutschen Bahn" die Rede ist, und die Bahn­projekte aufzählt, die in Bau, Planung oder Planungs­vor­bereitung sind. Der Bayerische Rundfunk berichtet, dass Herrmann bezogen auf ältere Ideen zum Bahn­ausbau im Raum München im Ausschuss von "Wunsch­träumen" geredet hat, die "völlig unrealis­tisch" wären. Die Meinung von PRO BAHN dazu ist klar: Unrealis­tisch ist, die zweite Stamm­strecke als großen Problem­löser zu betrachten. Mit etwas anderen Priori­täten wären wir heute ein gutes Stück weiter. Am Versagen sind auch Politiker und ÖV-Manager schuld, die heute noch im Amt sind. Die Politik vermeidet aber, Fehler der Ver­gangen­heit als solche zu benennen, und macht lieber weiter wie gehabt.

Edmund Lauterbach

 

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