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für die PRO BAHN Post November 2022. Bearbeitungsstand: 18.10.2022 |
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Neue Bahnstrecken für den Deutschlandtakt Ob in Bayern, NRW oder Niedersachsen – die DB plant neue Bahnstrecken, aber es gibt Widerstände in der Bevölkerung vor Ort und von der lokalen Politik. Die Folge sind medienwirksame Proteste betroffener Anwohner und teilweise vor Ort eine aktive Politik gegen den Bahnausbau. Wie man an den Beispielen Hannover–Hamburg, Hannover–Bielefeld und Brennerzulauf sieht, wird häufig der Ausbau der Bestands–strecke oder eine bestandsnahe Neubaustrecke (NBS) anstatt eines Neubaus in größerer Entfernung zur Altstrecke gefordert. Dass das so ist, scheint auch ein strukturelles Problem zu sein. Geplant wird in den ersten Phasen für eine NBS in recht breiten Korridoren, die eine Menge Leute betreffen. Bestandsnaher Ausbau betrifft auch Anwohner, hier ist aber durch die vorhandene Bahnstrecke bereits eine Linie vorgegeben, so dass ein viel schmälerer Korridor der lokalen Betroffenheit entsteht. In der Realisierung wären dann durch bestandsfernen Neubau meist sogar weniger Leute direkt betroffen, weil man Planungsgrundsätze, die die Schonung von Menschen und Landschaft vorgeben, besser umsetzen kann. Schon lange vor der fertigen Planung einer ausgewählten Trassenvariante entstehen aber Mehrheiten auf Basis vermuteter Betroffenheit. Es gibt natürlich immer Menschen, denen Nachteile durch ein Projekt entstehen, und denen kann man nicht verübeln, dass sie gegen das Projekt oder eine bestimmte Ausformung der Planung sind. Wenn aber jeder dagegen ist, der meint, dass ihm vielleicht und eventuell Nachteile entstehen könnten, die am Ende dann doch nicht so eintreten wie befürchtet;, kommt es zu den bekannten Protesten. Sich über Jahre hinziehende Planungs- und Auswahlprozesse verschärfen das Problem, weil der Zustand "irgendwo wird etwas gebaut, wir wissen aber noch nicht genau wo" immer länger anhält.
Ein weiterer Effekt entsteht in landwirtschaftlich geprägten Regionen. Bestandsnaher Neu- und Ausbau verbraucht zwar auch Platz, eine Neubautrasse greift aber in Grundstücke ein, die bisher fern einer Bahnstrecke lagen. Landwirte befürchten dann schnell Nachteile durch die Zerschneidung ihrer Flächen, oder durch Veränderungen im Wegenetz. Auch hier gilt: Am Anfang sehen sich mehr Menschen potenziell betroffen als am Ende bei der Realisierung wirklich betroffen sind. Landwirte sind oft besser mit der Politik vernetzt als sonstige Anwohner, und mobilisieren leichter Abgeordnete und Kommunalpolitiker. Und Politiker machen sich eher die lokalen Befürchtungen zu eigen, als dass sie die überregionale Verkehrspolitik im Auge haben. Die politische Diskussion beeinflusst dann wieder die Bürgerschaft – Ängste werden induziert. Im Gegensatz zum Brennerzulauf bietet sich aufgrund der Geographie zwischen Hamburg und Hannover auch eine Neubaustrecke in Bündelung mit der Autobahn an. Aber auch bei einer solchen Variante ist der Planungskorridor zunächst deutlich breiter als bei einer Planung entlang der bestehenden Bahnstrecke. Autobahnen sind anders trassiert als Schienenstrecken, die Ein- und Ausfahrten müssen berücksichtigt werden, und es gibt oft weitere Gründe für Abstandsräume. Außerdem fühlen sich die Menschen betroffen, die schon die Lasten der nahen Autobahn tragen müssen. Als Beispiel sei die Gemeinde Seevetal bei Hamburg genannt, auf deren Gebiet sich drei Autobahnen kreuzen, und die die zusätzliche Belastung durch eine Bahntrasse verhindern will.
Neben Widerständen aus Politik, Bürgerschaft und Landwirtschaft sind beim Bahnausbau natürlich auch steigende Kosten ein Problem. Dazu kommt eine nicht mehr zeitgemäße Abbildung des Nutzens von Verbesserungen im Bahnverkehr bei den anzuwendenden Bewertungsverfahren. Die hohen Kosten werden gerne durch lokale Politiker und Initiativen als Argument gegen den Bahnausbau oder einzelne Ausbauvarianten benutzt, während die Verzerrung bei der Nutzenberechnung eventuell die Einigung auf eine Trasse behindern kann. Insgesamt ist die Situation bei der Planung neuer Bahnstrecken eine ziemlich ungute Gemengelage. Am Ende wird der Bundestag entscheiden. Bis es soweit ist, dauert es noch eine Weile; DB und Bürger bleiben so lange im Ungewissen. Wie die Entscheidung ausfällt, hängt natürlich auch von der Vorbereitung durch das Bundesverkehrsministerium ab. Bisher hört man von Minister Wissing viele Allgemeinplätze, die die Unsicherheit eher fördern. Sein Vorgänger hat zusammen mit anderen Politikern schon beim Brennerzulauf im bayerischen Inntal eine dubiose Rolle gespielt; wer dafür am Ende die Rechnung zahlt, bleibt abzuwarten. Worauf alle warten, sind klare Aussagen zur Notwendigkeit der Projekte, damit die grundsätzliche Haltung der Bundesregierung zum Bahnausbau erkennbarer wird. Sonst landen wir wieder bei den Sonntagsreden der Art "Güter gehören auf die Bahn", während die konkrete Politik genau in die entgegengesetzte Richtung läuft. Es bleibt zu hoffen, dass dies mit modernen Schlagworten wie "Verkehrswende" oder "starke Schiene" nicht passiert. Nicht nur in Berlin, sondern auch regional ist den Politikern mehr Einsicht und Übersicht zu wünschen. Die Sorgen der Anwohner zu berücksichtigen, ist richtig. Dabei dürfen aber die übergeordneten Ziele nicht aus den Augen verloren werden. Wenn wir Mobilität wollen, müssen wir auch mit Verkehrsbauten leben. Schonender Ausbau lässt sich verschieden interpretieren, alles einzugraben kann aber keine Lösung sein. Die Konflikte, die wir aus dem Inntal oder dem Landkreis Ebersberg kennen, erreichen auch München. Dort kommt erschwerend dazu, dass längere Bauzeiten auch zu längerer Behinderung des S‑Bahn-Verkehrs führen, der für den Großraum München existenziell ist. Ob alle Wünsche in Zukunft finanzierbar sein werden, wird immer unsicherer. Die notwendige Prioritätensetzung darf nicht einseitig zu Lasten der Eisenbahn erfolgen. Die Alternative – eine immer weiter zunehmende Belastung durch den Straßenverkehr – können wir uns in Zeiten des Klimawandels schlicht nicht leisten. Edmund Lauterbach |
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© Edmund Lauterbach – 21.10.2022 /
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