Hannoveranische Kühle



www.staatstheater-hannover.de/oper



Besuchte Vorstellung: 26. April 2007





Das Staatstheater Hannover © Guandalug/Wikipedia

Regie


Elmar Fulda

Dirigent


Andreas Wolf

Bühnenbild


Andreas Jander

Kostüme


Alexandra Pitz

Version


Oeser




Hoffmann


Robert Chafin

Muse


Barbara Senator

Olympia


Karen Frankenstein

Antonia


Arantxa Armentia

Giulietta


Kelly God

Widersacher


Nikola Mijailovic






Olympia und Hoffmann


Sprung von Bremen nach Hannover zum dritten Hoffmann in unmittelbarer Folge und in das nach den Zerstörungen des 2.Weltkrieges neu erbaute Opernhaus. Händel sagte einmal, England sei ein Land ohne Musik. Dann haben die Briten wohl aus Rache ein veritables deutsches Opernhaus - und nicht nur dieses - platt gemacht. Heute steht dort ein geschmackvolles und unaufdringliches Theatergebäude mit dezenter, dunkler Innenausstattung und vor allem guter Akustik. Leider scheinen das die Hannoveraner wenig zu schätzen, denn zu Vorstellungsbeginn war das Theater nur knapp halb besetzt. An Jacques Offenbachs Musik kann das nicht liegen, denn für mich persönlich gehört sie zu den schönsten und zauberhaftesten, die je für eine Oper geschrieben wurden, und das Hannoveraner Orchester spielte, wie in allen drei Theatern, ganz ausgezeichnet.


Fazit Hannover: Auch in Hannover gab es eine qualifizierte Einführung durch einen Dramaturgen, der Fragen kenntnisreich beantwortete. Außerdem präsentierte das Hannoveraner Theater ein gut gemachtes und informatives Programmheft. Für's Auge war allerdings in Hannover kaum etwas geboten. Es gab praktisch kein Bühnenbild, und auch die Sängerinnen und Sänger waren minimalistisch gekleidet. Die Oper fand innerhalb einer Art Würfel aus dunkelbraunem Material statt, der nach oben offen war, und natürlich zum Zuschauer hin. An den Wänden, wie das ganze sonstige Theater in dunklem Braun gehalten, ließen sich allerlei Türen öffnen. Das Bühnenbild wurde vom Chor gebildet, der choreographisch hervorragend aufgestellt war und sich einfallsreich bewegte, so dass einem das fehlende Bühnenbild weniger auffiel. Etwas Ähnliches habe ich auch einmal bei einer König-Lear-Inszenierung von Ingmar Bergman am Königlichen Dramatischen Theater in Stockholm gesehen.

Auch die musikalische Leistung der Chorsänger stand auf höchstem Niveau.


Auftritt der Akteure in Lutters Keller. Ein umwerfend dynamischer Chor von Hoffmanns Saufbrüdern ließ gleich eine gute Stimmung aufkommen. Der Hannoveraner Hoffmann war ein Hüne von einem Mann, ganz in modisches Intellektuellen-Schwarz gekleidet, fast kahlköpfig und ziemlich beleibt. Aber ein flinker Bursche, trotz seiner Leibesfülle. Den anfänglichen Eindruck von einem Skinhead vertrieb er bald mit seinem sensiblen Gesang. Hannovers Hoffmann war ein eher melancholischer und tiefsinniger Mann. Den Klein-Zaches brachte er schon mal bravourös rüber.


Hoffmann und Schlemihl


Da es über das Bühnenbild kaum etwas zu sagen gab, muss man sich eher den Sängern und ihrer Darstellungskunst widmen. Olympia wurde von einer puppenhaften Japanerin gespielt, die naiv am Tropf ihres Erbauers hing, von dem aus sie ihre Lebensenergie erhielt. Sobald sie nicht mehr konnte, drückte ihr Meister auf einen Knopf auf dem Beatmungsgerät, und ähnlich wie auf einer Intensivstation flossen ihr neue Energien zu. Ihre Arie brachte sie gut hin.


Verdruss machte mir das Hannoveraner Publikum. Obwohl das Orchester ausgezeichnet spielte und die Gesangskunst meist auf gutem Niveau lag, wurde kaum geklatscht, wenn eine Arie hervorragend gesungen wurde. Mehrmals musste ich den Applaus eröffnen, wobei dann kurz und höflich mitgeklatscht wurde, obwohl die Sänger und Sängerinnen „bravo"- oder „brava"-Rufe verdient hätten. Einfach peinlich.


Dann kam Antonia. Was für eine Sängerin und Schauspielerin! Eine Spanierin names Arantxa Armentia mit einem feurigen und voluminösen Sopran, der auch in den Höhen nicht dünn und schrill wurde. Souverän gesungen, Donna Arantxa. Die beste Antonia, die ich bis dahin auf einer Bühne erlebt hatte. Diese Antonia kann auf allen Bühnen der Welt bestehen. Etwas merkwürdig in diesem Akt waren allerdings die Einfälle der Regie. Franz war den größten Teil des Aktes damit beschäftigt, mit einem Klebeband alle Türen des Bühnenbild-Kubus zu versiegeln, und die arme, aber durchaus agile Antonia musste sich in einem schäbigen Pappkarton verstecken. Der Höhepunkt der ganzen Oper war das wunderschön sensibel und stimmkräftig vorgetragene Duett von Antonia und Hoffmann, das ich so schnell nicht vergessen werde.



Auch hier musste ich den Applaus eröffnen. Was für ein Publikum! Was muss man diesem Großstadtpublikum noch hinwerfen, damit es aus seiner Lethargie erwacht?


Giulietta und Hoffmann


Der dritte Akt schließlich litt am meisten unter dem minimalistischen Bühnenbild, denn er eignet sich am ehesten zu einem opulenten Augenschmaus. Giulietta wurde von einer jungen Sängerin namens Kelly God eher als Zicke denn als Nutte gegeben. Hinter ihrem Kleid schleppte sie die ganze Zeit eine lange Stoffbahn, um die sie sich dauernd kümmern musste so wie ehemals Ursula von der Leyen um ihre langen Haare beim Interview.


Ganz hervorragend auch der Widersacher Hoffmanns, der in allen Akten vom gleichen Sänger mephistophelisch dargestellt wurde. Großartig auch die Stimmkultur des Niklaus.


Zum Schluss der Oper bequemte sich das dröge Publikum doch noch zu einem akzeptablen Applaus, doch meine „bravo"- bzw. „brava-Rufe" wurden nicht aufgenommen und vom Publikum eher mit erstaunten Kopfdrehungen in meine Richtung quittiert. Stimmliche Perlen vor flachländische Sauertöpfe oder nur norddeutsche Zurückhaltung?


Bei einer Premierenfeier an einem anderen Theater erfuhr ich, dass der ursprüngliche Regisseur während der Proben hingeworfen hatte. Das kann natürlich den Fortschritt einer Inszenierung und das Endresultat negativ beeinflussen.


Persönliche Nachbemerkung: Nachdem ich erst Ende des Jahres von Marcus Ebeling dazu angeregt wurde, meine Hoffmann-Besuche auf seiner Homepage www.jacques-offenbach.de (inzwischen leider geschlossen) zu veröffentlichen, hatte ich in den ersten von mir besuchten Aufführungen keine Notizen gemacht und musste aus dem Gedächtnis schreiben. Die ersten Besprechungen sind daher knapper als die späteren.




Die Veröffentlichung der auf dieser Seite verwendeten Fotografien erfolgt mit den ausdrücklichen Genehmigungen der Staatsoper Hannover [www.staatstheater-hannover.de] & des Fotografen Jörg Landsberg [www.joerg-landsberg.de], bei welchen sämtliche Rechte für die Nutzung der Bilder liegen. Vielen Dank für die freundliche Kooperation!


Voller Eindrücke und mit einem Kopf voll berückend schöner Musik machte ich mich auf den Heimweg zu meinen Freunden in Bremen. Was für drei überwältigend schöne musikalische Ereignisse innerhalb von 50 Stunden. Ich erlebte die drei »Hoffmänner« an drei Abenden hintereinander so intensiv, dass ich mir sicher war: Das machst du weiter.



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