Existenzialistischer und dynamischer »Hoffmann« in Lissabon

www.saocarlos.pt



Besuchte Vorstellung: 13. März 2008










© Teatro Nacional de São Carlos

Regie


Christian von Götz

Dirigent


Gregor Bühl

Bühnenbild und Kostüme


Gabriele Jaenecke

Version


Oeser




Hoffmann


Jean-Pierre Furlan

Muse


Stephanie Houtzeel

Olympia


Chelsey Schill

Antonia


Maria Fontosh

Giulietta


Riki Guy

Widersacher


Johannes von Duisburg







Fazit: Lissabon ist immer eine Reise wert, und wenn man noch dazu einen so schönen »Hoffmann« geboten bekommt, noch viel mehr. Ein hervorragendes Orchester, das mit deutscher Präzision, atlantischer Dynamik und romanischer Spritzigkeit spielte. Außer einem einzigen schwachen Einsatz eines Hornisten (was sonst häufiger vorkommt) hörte ich während der ganzen Vorstellung keinen falschen Ton. Chor und Orchester befanden sich immer im Gleichtakt. Und das, obwohl der Chor den Dirigenten oft nicht sehen konnte.

Ein diszipliniertes und verständiges Publikum, das verhalten, aber gut mitging und sich zum Schluss steigerte. Eine einfallsreiche und dynamische Regie, die es nicht nötig hatte, das Publikum mit aufgesetzten Gags zu unterhalten. Christian von Götz bot mit seinem Team eine einfühlsame und teilweise kreative Interpretation des »Hoffmann«.

Stimmlich gab es nicht immer erste Sahne, aber auch Lichtblicke wie die Antonia samt Vater und den Widersacher. Respekt vor dem neu eingesprungenen Hoffmann. Sehr ansprechend auch das farblich und gestalterisch gelungene Bühnenbild Gabriele Jaeneckes. Die Bühnentechnik funktionierte perfekt. Die Beleuchtung, sonst häufig vernachlässigt, war kongenial, wie auch die Kostüme.



Wie man den Regisseur eines so gelungenen »Hoffmann« bei der Premiere ausbuhen und in der örtlichen Presse runtermachen kann, ist mir ein Rätsel. Möglicherweise waren es antideutsche Ressentiments von Ewiggestrigen, da das Teatro de São Carlos zur Zeit einen deutschen künstlerischen Leiter hat, dieser »Hoffmann« von Deutschen inszeniert, musikalisch geleitet, szenographisch gestaltet, von einem Österreicher beleuchtet und von mehreren Deutschen gesungen wurde. Eine andere mögliche Erklärung könnte sein, dass der von Götz'sche »Hoffmann« keine superästhetisch-geschniegelte Oper bot, wie das vielleicht ein Teil des Publikums oder der Kritik erwartete. Ich mag solche aufgebrezelten und durchgestylten Salon-»Hoffmänner« nicht, in denen ein Hoffmann im Frack mit Seidenhemd und weißer Fliege als Grandseigneur auftritt. Das entspricht nicht dem Image des scheiternden Poeten. Christian von Götz' Hoffmann stammte aus dem existenzialistischen Intellektuellen-Milieu und war ein Borderline-Fall, was auch die Irrenhausszenerie andeutete. Sein Hoffmann war ein labiler, sensibler und irrender Poet, mit dem ich mich gut identifizieren konnte. Das Publikum bei der von mir besuchten Aufführung jedenfalls zeigte sich sehr angetan von diesem »Hoffmann«. Meine Begleiter und ich waren es auch.



Lissabon liegt ja nicht gerade um die Ecke, ist aber mein Favorit unter den Metropolen, die ich kenne. Die Stadt ist elegant, aber nicht spektakulär, alt und fortschrittlich zugleich, und sie hat ein wunderschönes Opernhaus, das Teatro de São Carlos, das in die Hügellanschaft Lissabons hineingebaut wurde. Zum Theater fährt man natürlich stilgerecht mit der legendären Straßenbahnlinie 28. Hier eine virtuelle Mitfahrt:

http://www.youtube.com/watch_popup?v=_YiHO5jZYY4&vq=medium#t=39



Unaufdringlich elegant der Eingang des Rokoko-Baus, freundlich der Empfang bei der Abholung der telefonisch vorbestellten Karten. Überhaupt die Portugiesen: nette und höfliche Menschen ohne südländische Zickigkeit und ohne lautes Wesen. Sie sind eben Atlanter, keine Mediterraner. Ich mag die Portugiesen besonders, seit in der unblutigen Nelkenrevolution von 1974 das Militär die seit 1933 herrschende klerikal-faschistische Diktatur stürzte. Nun war ich wieder mal dort, diesmal zum »Hoffmann«.



Als ich auf die Öffnung der Kasse wartete, stimmte mich eine ebenfalls wartende portugiesische Opernfreundin auf die Oper ein: sehr gutes Orchester, interessante Inszenierung und akzeptabler Gesang in einem schönen Theater. Und so wurde es dann auch. Das Opernhaus wurde im Rokoko in unaufdringlicher Eleganz errichtet. Es ist nicht zu groß, und intelligent geplant, so dass man auch von den Plätzen in den Rängen gut sieht. Viel Gold im Inneren, die Ränge in kleine Logen unterteilt, ein Mittelgang im Parkett, und keine übertriebene Ornamentik oder gar Protz wie in Paris oder Wien. Nur die Königsloge ist riesig und prunkvoll, beherbergte aber - ganz republikanisch - keine Zuschauer.



Über der Bühne eine Uhr. Das andere Theater, in dem ich einen Zeitmesser sah, war die Semper-Oper in Dresden, wo eine Digitaluhr mit lateinischen Ziffern über der Bühne tickt. Wir saßen im Parkett in der ersten Reihe in der Mitte, gleich hinter dem Dirigenten. Beste Plätze also.



Pünktlich begann die Vorstellung im gut besetzten Theater. Gleich beeindruckte mich das Portugiesische Symphonische Orchester mit seinem präzisen und dynamischen Spiel. Einen Meter rechts vor mir stand der Dirigent, direkt vor mir zuckte der Bogen des Konzertmeisters auf und ab. So nah war ich noch nie am Ort des Geschehens.



Zu Beginn stellte sich ein Statist in weißer unterwäscheähnlicher Kleidung in katatonischer Starre an die Wand, mit dem Rücken zum Publikum. Links vorne stand ein weißes Anstaltsbett, vorne in der Bühnenmitte ein weißer Stuhl. Die Atmosfäre einer Irrenanstalt deutete sich an. Naja, das hatte es ja schon mal in Lyon gegeben. Auf einen Gazevorhang wurde das riesige Gesicht eines Mannes mit wirren, langen schwarzen Haaren und einer Hornbrille projiziert. Das war der Hoffmann.


Muse / Niklaus


Der Chor, lauter Männer, trat auf die Bühne. Ein anderer Teil des Chores erklang von hinten aus der Königsloge. Die Muse erschien in einem hellen Hosenanzug und setzte sich eine rote Baskenmütze auf. Ihr androgynes Erscheinungsbild erinnerte an Greta Garbo, noch mehr an Marlene Dietrich, der die Darstellerin vom Typ her ähnelt. Sie überzeugte gleich mit dynamischem Gesang und lebhaftem komödiantischem Spiel. Niklaus hatte meistens einen Reisekoffer bei sich, aus dem er die notwendigen Utensilien holte, zum Beispiel eine Harfe im Olympia-Akt. Stella trat übrigens nicht persönllich auf. Sie wurde nur auf einem Theaterplakat als „La divina Stella" in der Rolle der Donna Anna im »Don Giovanni« angekündigt.


Endlich mischte sich Hoffmann unter seine Saufkumpane. Ein existenzialistisch anmutender Dichter mit langen, zotteligen Haaren und einer dicken Hornbrille. Jack Kerouac sah ja dagegen viel gepflegter aus. Charles Bukowski kam dem Götz'schen Hoffmann vom Aussehen her schon näher. Man merkte nicht, dass der Franzose Jean-Pierre Furlan wegen Erkrankung des regulären Hoffmann-Sängers Richard Bauer eingesprungen war. Sänger pflegen ja solche Auftritte mit großer und durchaus verständlicher Nervosität zu absolvieren. Später erzählte er mir, dass er nur einen Tag zum Proben gehabt und außerdem die Rolle seit 2005 nicht mehr gesungen hatte. In einen »Hoffmann« einzuspringen ist ja besonders problematisch, da diese Oper in jeder Inszenierung eine andere Gestalt bekommt.


Lindorf trat gar nicht seriös-ratsherrenhaft auf, sondern eher provokant-frech; auch passend dazu das Kostüm. Unter den Chorsängern war ein Charakter, der wie ein Doppelgänger des Hoffmann zurecht gemacht war. Mit gleicher Perücke, Brille und ähnlich gekleidet, schlich er um ihn herum. Hoffmanns anderes, oder gespaltenes Ich?


Der Olympia-Akt begann mit einer erläuternden Einleitung durch eine Stimme aus einem Lautsprecher. Leider verstand ich nichts, mangels portugiesischer Sprachkenntnisse. Gesungen wurde auf Französisch mit portugiesischen Übertiteln. Das Bühnenbild bestand wieder aus dem Krankenhausbett im Vordergrund als Running Gag, dem weißen Stuhl in der Bühnenmitte, sowie einem großen, auf den Hintergrund projizierten Bild eines weißgekachelten Gewölbes, in das eine Welle grünen Wassers hineinschwappte. Ich vermute, man hatte dazu einen Tunnel der neugebauten Lissabonner U-Bahn fotografiert.



Großartig die Beleuchtung von Hans Toelstede, der oft mit Harry Kupfer zusammenarbeitet. Ein heller Strahlenkranz, von der hinteren Bühnenmitte ausgehend, war sein wichtigstes gestalterisches Element. Die Regie verlegte diesen Akt in ein Irrenhaus voller Patienten in weißer Anstaltskleidung. Auch der Psychiater mit Arztkoffer fehlte nicht. Der Hoffmann kam in diese Umgebung und schien seine eigene Diagnose samt Einweisung zur Kenntnis nehmen zu müssen, denn er musste ein Dokument unterzeichnen. Die Regie hatte sich viele Mühe gemacht, die Patienten nicht als Einheitstypen aussehen zu lassen, denn jeder stellte ein Individuum mit eigenen Posen und Bewegungen dar.



Olympia wurde unter einer Plastikfolie hereingebracht, und Niklaus merkte naürlich gleich, dass dieses Wesen unter der Folie kein Mensch war. Coppélius kam mit Olympias Augen herein, die er in je einem Plastikbeutel schwimmend brachte und dann implantierte. Richtig gruselig. Mit ruckartigen Stößen unter der Folie erwachte Olympia zum Leben und nahm ihre Rolle auf. Gesteuert wurde sie von drei Helfern Spalanzanis, die heftig an einem Apparat mit allerlei Hebeln, Skalen und Lichtern die Energie für Olympia generierten. Die Festgäste bei Spalanzani (Pedro Chaves), der selbst etwas blass blieb, waren im Wesentlichen die Insassen des Irrenhauses, die nun Gazetücher um die Augen gebunden hatten, einige schwarz, die meisten hellblau.



Als Olympia schwächelte, haute der Spalanzani ihr eine riesige Spritze in das Hinterteil, und schon sang sie weiter. Beim nächsten Mal bekam sie von ihrem Steuerungsapparat eine Sauerstoffdusche. Die Götz'sche Olympia war kein verspieltes Püppchen, sondern ein zielbewusst programmierter Automat, der sein Programm konsequent abspulte. Hoffmann, durch die ihm verpasste Brille geblendet, war eher das Opfer einer Intrige und weniger der verliebte Galan. Die Olympia von Lissabon war eine energisch vorgehende Maschine, die dem Hoffmann auf dem Krankenhausbett zielbewusst auf den Leib rückte und ihm dabei so kräftig die Hand drückte, dass er sie vor Schmerz ausschütteln musste, nachdem er sich endlich etwas Luft verschafft hatte. Olympia war, wie alle anderen Frauenfiguren, mit einem schulterfreien Corsagenkleid gewandet. Als seelenloser Automat hatte sie keinerlei Charme zu versprühen. Auch ihr Gesang wirkte sehr energisch und automatenhaft.



Ich fand diese Interpretation der Olympia interessant. So witzig und puppenhaft oft die Olympia dargestellt wird, mit ihren automatenhaften und ruckartigen Bewegungen, so verkörpert eine solche Olympia meist einen echten Automaten nur teilweise, denn ein Automat hat keine Seele, keinen Charme. Die Götz'sche Olympia dagegen spulte zielbewusst und ohne große Schnörkel die ihr einprogrammierte Rolle ab: den Hoffmann einzulullen und gnadenlos zu täuschen. Unter diesem Aspekt fand ich Christian von Götz' Olympia die werkgestreueste aller mir bisher bekannten.



Die Luzerner Olympia war großartig in Gesang und sprühend als Verführerin, aber sie war alles andere als ein Automat. Während des Olympia-Aktes rückten die weiß gekleideten und geschminkten Chorsänger, teils Spalanzanis Festgäste, teils Insassen einer Irrenanstalt, an die Bühnenrampe und sangen direkt in die Gesichter des Publikums. Eine beklemmende und intensive Nähe entstand. Dann stürmte die Olympia hinaus, riss sich dabei die strohblonde Perücke vom Kopf und zeigte einen kahlen Kopf.



Nach dem Olympia-Akt war eigentlich keine Pause vorgesehen, aber nachdem das Licht angegangen und der Dirigent den Orchestergraben verlassen hatte, gingen wir in die stilvollen Säle hinaus. Dort fiel mir auf, dass nicht allzu viele junge Leute im Publikum waren.


Antonia und Hoffmann


Der Regisseur folgte mit der Reihenfolge der Akte der Mehrheit: Antonia war Hoffmanns nächste Kandidatin. Das Bühnenbild wurde von großen dunkelroten Strukturen eingerahmt, in der Mitte stand ein Flügel. Antonia wurde von einer jungen ukrainischen Sängerin dargestellt, die in Russland aufwuchs und jetzt an der Stockholmer Oper stationiert ist. Maria Fontosh war in ein rostbraunes Hauskleid gewandet, unter dem sie allerdings ein schulterfreies Corsagenkleid trug, das ihre Ambitionen als Opernsängerin andeutete. Ihr Kostüm war gut durchdacht: äußerlich den Wünschen ihres Vaters gehorchend, innerlich aber auf dem Sprung auf die Bühne, die ihre Welt bedeuten. Maria Fontosh gab eine dynamisch-eigensinnige Antonia und sang ganz hervorragend. Ihre Antonia kann Karriere machen. Sinnlich-erotisch, stimmgewaltig und souverän agierend deckte sie den eingesprungenen Hoffmann mit ihrer Stimme zu.


Ganz ausgezeichnet auch Dieter Schweikart als Krespel. Johannes von Duisburg, der alle vier Bösewichter hervorragend sang, wuchs in dieser Rolle über sich selbst hinaus. Als Doktor Mirakel überzeugte er mit souveräner Diabolik. Hier war der Regie ein Gag eingefallen: Mit Sonnenbrille im Gesicht und in Ray-Charles-Pose setzte sich Doktor Mirakel an den Flügel und trieb Antonia zum Gesang. Er tat das so heftig, dass Rauchschwaden aus dem Flügel stiegen. Zu Mirakels Helferin wurde Antonias Mutter, die mit teuflischer Süffisanz ihre eigene Tochter in den tödlichen Gesang trieb. Die englische Sprache hat dafür den Begriff „a pushing mother". Antonia starb in den Armen ihres verzweifelten Vaters im Bett links vorne, in dem viele wesentliche Ereignisse der Oper stattfanden. Was ich nicht ganz verstand, war, dass Niklaus während des Antonia-Aktes eine Melodie aus dem Schluss vorwegnahm, mit der Niklaus die Apotheose einzuleiten pflegt.



Die nächste Pause stand an, und ich hörte noch einige deutsche Laute im Publikum. »Hoffmann«-Freunde aus Wien und Dachau waren ebenfalls angereist. Wenn das der gute alte Jacques Offenbach noch erfahren hätte, welches Geschenk er seiner Nachwelt hinterließ und wie weit Opernfreunde wegen seines Meisterwerkes reisen.



Am Bühneneingang sprach ich mit ein paar Musikern, die ich zu ihrer hervorragenden Leistung beglückwünschte. Ein Violinist erzählte mir, dass die örtliche Theaterkritik das Stück hatte durchfallen lassen. Das konnte ich überhaupt nicht nachvollziehen. (Später im Jahr sprach ich in der Covent-Garden-Oper mit einer französischen Kritikerin, die am Lissabonner »Hoffmann« ebenfalls kaum ein gutes Haar ließ, ohne dies näher zu begründen. Sie meckerte übrigens auch an Covent Garden herum.)


Widersacher


Der Giulietta-Akt begann vor einem gelungenen Bühnenbild. Der Zuschauer blickte längs in einen venezianischen Kanal, vor dem sich das Geschehen abspielte. Keine Gondel weit und breit. Die Bühne füllte sich mit Besuchern des Bordells im Frack und sehr hohen Zylindern. Sechs Tänzerinnen in roten Gewändern bewegten sich zur Barcarole, aber ganz dezent. Keine Laszivitäten hier am Tejo.


Die Giulietta wurde von einer feurigen jungen Dame in einer schwarzen Corsage mit Seidenrock darunter dargestellt, auch nicht weiter erotisch. Sie sang eher verhalten, aber dafür mit lebhaftem Spiel ihrer dunklen Augen. Das Gondellied hätte ich mir etwas sahniger gewünscht, aber immerhin wurde es nicht von einer krächzenden Jukebox abgenudelt wie in Warschau.


Ausführlich wurde dargestellt, wie dem armen Hoffmann am Spieltisch sein Geld abgenommen wird. Giulietta war eine eher harmlose Verführerin. Schlemihl war ein geschniegelter Dandy, der von Hoffmann in einer gut inszenierten Fechtszene erstochen wurde, als er sich schon als Sieger wähnte. Erstaunlich, wie perfekt sich der eingesprungene Hoffmann in so kurzer Probenzeit in das Ensemble einfügte und noch dazu eine Fechtszene hinbrachte, wie man sie heutzutage kaum mehr zu sehen bekommt.

Auf dem Bett, wo sonst, klaute Giulietta dem Hoffmann sein Spiegelbild, indem sie ihm einen Taschenspiegel vorhielt, in welchem er sich nicht mehr sehen konnte. Dafür stand Dapertutto triumphierend in einem Spiegelkabinett.



Der Akt endete, wie er enden musste, mit der Rückkehr Hoffmanns in die traurige Wirklichkeit. Ein Gazevorhang senkte sich herab, und Niklaus stand alleine mit Hoffmann davor. Dann folgte eine eindrucksvolle Szene, die ich so schnell nicht vergessen werde: Hinter dem Gazevorhang standen dichtgedrängt Hoffmanns Begleiter aus seinen drei Abenteuern. Stumm drückten sie ihre Nasen und Handflächen an den Gazevorhang wie an eine Glaswand und starrten den Hoffmann an, der nun wieder in der Wirklichkeit angekommen war. Einfach großartig, diese Bildsprache.



Die Gestalten aus Hoffmanns Fantasiewelt verschwanden dann hinter einer nüchternen grauen Wand, und Lindorf trat auf. Gnadenlos riss er das Plakat mit Stella von der Wand und zerfetzte es. Hoffmann lud eine Pistole durch und erschoss ihn. Lindorf fiel, und rappelte sich nach kurzer Zeit grinsend wieder auf. Hoffmann dagegen krümmte sich vor Schmerzen, fiel zu Boden und hauchte sein Leben aus. Lindorf verschwand triumphierend.



Zur wunderschönen Musik der Apotheose hielt die Muse ein rotes Buch, Hoffmanns Erzählungen darstellend, in die Höhe. Ein ungewöhnlicher, aber interessanter Abschluss einer gelungenen Inszenierung. Herzlicher Applaus des Publikums. Die Sänger wurden gefeiert, besonders Antonia und natürlich auch der ausgezeichnete Chor, der seinen Leiter (Rui Lopes Graca) in die Mitte nahm. Sonderapplaus für das hervorragende Orchester, das sich erhob, als der Dirigent Gregor Bühl auf der Bühne stand. Das Publikum war gut mitgegangen während der gesamten Vorstellung, war aber in seinem Applaus immer portugiesisch verhalten. Am Schluss jedoch gab es zahlreiche „brava-" und „bravo"-Rufe. Linguistisch korrekt, denn wir befanden uns in einem romanischen Land.



Nach der Vorstellung in diesem schönen Theater ging ich zum Bühneneingang und holte mir Autogramme von Musikern und Sängern. Vom Darsteller der Widersacher erfuhr ich auch die Bedeutung der Schlussszene: Lindorf ist das andere Ich des Hoffmann, und indem der versucht, dieses sein dunkles anderes Ich zu töten, bringt er sich selbst um. Nicht uninteressant, aber ohne Erklärung nicht sofort nachvollziehbar.



In einem Lokal in der wunderschönen Altstadt von Lissabon hatten sich einige Sänger und der Dirgent verabredet. Ich holte mir noch die fehlenden Autogramme und führte aufschlussreiche Gespräche über diese Inszenierung. Die Konzertmeisterin, eine Bulgarin, erzählte mir, dass im Symphonischen Orchester Portugals Musiker aus 18 Ländern spielen. Unter den Sängern waren ja auch mehrere europäische Nationen vertreten.


Die Veröffentlichung der hier verwendeten Fotografien erfolgt mit den ausdrücklichen Genehmigungen des Teatro Nacional de São Carlos & des Fotografen Alfredo Rocha, bei welchen sämtliche Rechte für die Nutzung der Bilder liegen. Vielen Dank für die freundliche Kooperation!





Startseite o weiter nach Köln