Un tramway genannt „Desiderio di Hoffmann“ in Cologne



www.operkoeln.com





Besuchte Vorstellung: 20. April 2008 (Dernière)








Regie


Günter Krämer

Dirigent


Enrico Delamboye

Ausstattung


Gottfried Pilz

Version


Kaye-Keck-Heinzelmann




Hoffmann


Alexander Fedin

Muse


Ann-Katrin Naidu

Olympia


Insun Min

Antonia


Ausrine Stundyte

Giulietta


Katharina Leyhe

Widersacher


Samuel Youn







Fazit Köln: Ich sah die Wiederaufnahme einer melancholischen Inszenierung von 1998. Eine problematische Vorstellung, besonders was den Olympia-Akt, den Chor und das Orchester anging. Sollte diese Produktion von Günter Krämer erneut wiederaufgenommen werden, sollte man den Olympia-Akt neu inszenieren. Ich habe jetzt drei Mal diesen Akt als Kasperltheater gesehen, in Wien, in Köln und dann noch in Wiesbaden. Das reicht. In den übrigen Akten sowie im Vor- und Nachspiel fanden sich einige durchaus interessante Ideen und Ansätze. Schlimm stand es in Köln um die Musik des Gürzenich-Orchesters. Lag es daran, dass ich eine Dernière miterlebte, bei der sich das Ensemble oft Scherze leistet? So ein schwaches Orchester mit so vielen verpatzten Einsätzen habe ich im deutschsprachigen Raum noch nicht annähernd erlebt, Maître Delamboye (Dirigat)! Nur an der Wiener Staatsoper und ihren Wiener Philharmonikern wurde ähnlich schlampig musiziert. Und Chor und Orchester in Köln waren immer wieder außer Takt. Und das am Jacques-Offenbach-Platz. Ich habe ja schon mehrere Dernièren gesehen, aber so schlampig wurde nirgends musiziert. Gesanglich überzeugten nur Samuel Youn als Widersacher und natürlich die Stimme von Ann-Katrin Naidu. Opernfreund Herbert meinte in seiner trockenen Art: Wozu sollen die sich auch anstrengen, wenn sowieso keiner mehr diese Produktion besuchen kann? Die merkwürdige Überschrift erklärt sich so: Die Regie hatte den psychedelisch anmutenden Einfall, die Rahmenakte und den Antonia-Akt auf Deutsch, den Olympia-Akt auf Französisch und den Giulietta-Akt auf Italienisch singen zu lassen.


Foto: Matthias Baus


Was für eine bessere Adresse kann es geben, um einen »Hoffmann« zu sehen, als einen Jacques-Offenbach-Platz? Den gibt es in Köln, des Meisters Geburtsstadt. Die Oper steht an der Stelle der von den Nazis zerstörten Synagoge. Die Oper ist ein gelungener Neubau mit einem hervorragend gestalteten Zuschauerraum. Direkt daneben ist das Stammhaus von 4711. Die ursprüngliche Jacques-Offenbach-Straße in Köln war im sogenannten Tausendjährigen Reich umbenannt worden und wurde bis heute nicht wieder Jacques Offenbach gewidmet. Usprünglich war die Straße nach ihm benannt, weil er in der aufgewachsen war. Es gibt zwar eine solche wieder, aber in einem gesichtslosen Neubaugebiet, das mit dem Komponisten nichts zu tun hat.



Das Theater ist ein mittelgroßer Neubau mit einem Zuschauerraum ähnlich dem der Hamburger Oper. Auch von den billigen Plätzen - ich zahlte 11 Euro für einen Platz in einer seitlichen Gondel - sieht und hört man gut. Das Theater war fast voll; es gab nur wenige freie Plätze. Die Kölner Oper empfing ihre »Hoffmann«-Besucher mit einer intelligenten Überraschung: Über der Bühne leuchtete eine Schrift: „Statt »Hoffmanns Erzählungen« wird heute »Don Giovanni« gegeben." Gottseidank hatte ich schon mal einen »Hoffmann« gesehen, so dass ich diesen Scherz verstand.



Dann wurden wir Zuschauer informiert, dass wegen Erkrankung die hauseigene Muse Ute Döring nur auf der Bühne agieren und nicht singen werde. Das war aber ernst gemeint. Als Einspringerin hatte man Ann-Katrin Naidu vom Münchener Gärtnerplatztheater eingeflogen, die erhöht im Orchestergraben stand und von dort aus sang.



Das Bühnenbild bot gleich eine Überraschung: Ein Straßenbahnwagen stand rechts im Bühnenhintergrund auf nach links vorne führenden Geleisen. Schienenfahrzeuge in »Hoffmännern« scheinen in Mode zu kommen, denn auch die Koproduktion Tel Aviv / Madrid / Turin schmückte ihren »Hoffmann« mit einer Lokomotive.




Olympia und Cochenille


Hoffmanns drei Geliebte in langen roten Kleidern kündigten die sich nahenden Ereignisse an. Vorne an den Geleisen stand eine Haltestelle. Es war kalt, denn Werktätige in warmer Winterkleidung warteten auf die nächste Tram, und es schneite. Die Wartezeit wurde ihnen verkürzt durch die Ankunft der Muse, die als Weihnachtsengel mit Schnurrbart vom Bühnenhimmel herabstieg und auf dem Dach der Haltestelle landete. Leider konnte ich, wie gesagt, nicht hören wie sie gesungen hätte. Das erledigte Ann-Katrin Naidu vom Gärtnerplatztheater ganz hervorragend für sie.


Der Olympia-Akt wurde, nach dem deutsch gesungenen Vorspiel, auf Französisch vorgetragen. Spalanzani (Henner Leyhe) trat als Clown auf. Ja, wie ein richtiger Zirkusclown, mit Glatze, einem roten Haarkranz über den Ohren und einer roten Knollennase, dazu in farbig gepunktetem Kostüm. Hatte man Jacques Offenbach in den Kölner Karneval mit Tünnes und Schäl versetzt? Dem Hoffmann wurden von Coppélius - das Programmheft schrieb Lindorf - zwei Augen angenäht, die seinen Blick verstellten. Olympia stand erhöht in einem roten Krinolinenkleid, das über und über mit hell leuchtenden Lämpchen bestückt war. »Hoffmanns Erzählungen« in einem Zirkuszelt. Das war neu. Der Chor tanzte einen Can-Can light dazu.


Nach ihrer Arie ging Olympia aus ihrem Kleid heraus, das einfach stehen blieb, und die Muse wagte sich hinein, in die Rolle der Rivalin Olympia. Das hätte sie bleiben lassen sollen, den sofort blitzte und rauchte es auf. Die arme Muse wurde von heftigen elektrischen Schlägen getroffen und fiel zu Boden, erholte sich aber wieder. Auch Hoffmann wurde von elektrischen Entladungen heimgesucht, denn er hing an Kabeln. Ein Doppelgänger Hoffmanns trat auf, dessen Funktion ich nicht zuordnen konnte.


Antonia und Hoffmann


Antonia erschien zuerst hinter einem Gazevorhang, als sie das Lied von der Taube sang. Da man sich nun in München befand, wurde deutsch gesungen. Ein guter Franz in roten Schuhen (Andres Martine) amüsierte das Publikum. Und die Zirkusnummer war erfreulicherweise nun zu Ende. Ausrine Stundyte gab eine sensible Antonia, und Ernsthaftigkeit kehrte in die Oper ein. Antonia hielt eine Puppe in den Händen. Mirakel konnte sich jetzt erst richtig entfalten, denn vorher hatte er ja nicht so viel zu singen. Samuel Youn beeindruckte mit einer hochdramatischen und gewaltigen Stimme. Bei seiner Diagnose fühlte Doktor Mirakel den Puls von Antonias Puppe. Die Akustik der Kölner Oper ist etwas problematisch wegen des fächerförmigen Grundrisses. So wurden viele Soli vor dem Orchester an der Rampe gesungen. Das verbesserte die Hörbarkeit deutlich. Alexander Fedin als Hoffmann sang an diesem Tag ziemlich leise und spielte auch sehr verhalten, so dass diese publikumsnahe Stellung doppelt geboten war.


Höhepunkt dieses Aktes war die von Ann-Katrin Naidu gesungene Geigenarie. So schön hatte ich sie bis dahin noch nicht gehört. Ein voller, warmer, kultivierter Mezzo erklang aus dem Orchestergraben. Nach der Beschwörung der Mutter (Andrea Andonian) entstieg diese einem Meer von Rosen und wurde mit Kabeln mit ihrer Tochter verbunden. Diese Kabel bildeten in Köln zusammen mit elektrischen Funken ein oft eingesetztes Gestaltungsmittel. Nach Antonias Tod begann es wieder zu schneien.


Giulietta-Akt

Die Veröffentlichung der hier verwendeten Fotografien erfolgt mit den ausdrücklichen Genehmigungen der Oper Köln & des Fotografen Klaus Lefebvre (www.lefebvre.de), bei welchem die Rechte für die Nutzung der Bilder zu erwerben sind.


Zum Giulietta-Akt hatte die Kölner Oper beschlossen, zu klotzen statt zu kleckern. Statt einer mickrigen Gondel fuhr gleich ein richtiger Dampfer ein, dem die Besatzung des venezianischen Bordells entstieg. Konsequenterweise sang man nun italienisch, da man sich ja in Venedig befand. Nach der Barcarole sang Giulietta kokett und gekonnt eine selten zu hörende Koloraturarie aus der Kaye-Keck-Version, die ich noch nicht auf einer Bühne gehört hatte. In Köln spielte man eine gemischte Fassung aus Kaye-Keck und Heinzelmann, der die deutsche Übersetzung für den Antonia.Akt beitrug. Das Duell wurde souverän von Dapertutto dirigiert. Und wieder einmal nervte ein Piccolo, während das Motiv der Barkarole erneut aufgenommen wurde. Drei in Rot gewandete Damen umgarnten den Hoffmann mit roten Fäden. Am Schluss zertrampelte Giulietta einen Spiegel mit Hoffmanns Seele.


Zum letzten Akt entstieg der Chor der Straßenbahn in der Kleidung von Trauergästen. Düsternis und Melancholie breiteten sich aus, als Stella an Lindorfs Arm wegging. Hoffmann fiel auf die Geleise, und die Straßenbahn fuhr auf ihn zu. Rote Rosen bedeckten ihn, der sich wohl in selbstmörderischer Absicht vor die Straßenbahn geworfen hatte. Wieder mal ein toter Hoffmann. Ein trauriges Ende.

Mehr Fotos der Kölner inszenierung findet man auf der Seite der Oper Köln, an der diese Inszenierung in der Saison 2009/10 wieder aufgenommen wurde.

http://www.operkoeln.com/programm/38929/galerie/


Mit freundlicher Genehmigung des Kulturmagazins AnDante geben wir einen Auszug aus einem Artikel von Irene Hack über Ann-Katrin Naidu wieder, der durch Anklicken aufgerufen werden kann.

Ann-Katrin Naidu als Muse



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