Inspirierter und engagierter »Hoffmann« in Nordhausen


www.theater-nordhausen.de




Besuchte Vorstellung 26. September 2008








Regie


Søren Schumacher

Dirigent


Markus Frank

Bühnenbild


Norbert Bellen

Kostüme


Katrin Kath

Version


Oeser




Hoffmann


Hugo Mallet

Muse


Anja-Daniela Wagner

Olympia


Sandra Schütt

Antonia


Sabine Blanchard

Giulietta


Brigitte Roth

Widersacher


Gavin Taylor







Fazit Nordhausen: Ein rundum gut gelungener »Hoffmann«, mit einem ungewöhnlichen, aber durchaus überzeugend durchgezogenen Regiekonzept. Leider mit einer Reihe für das Publikum schwer verständlichen Bizarrerien. Viel wurde auch für's Auge geboten. Une opéra vraiment fantastique in einem kleinen Theater vor einem begeisterungsfähigen Publikum. Von den Leistungen her alles im oberen Bereich, keine Ausfälle. Außer der Muse zwar keine Spitzenleistungen, aber alles rundum gelungen. Und das in einer Stadt mit unter 50.000 Einwohnern und in einem Theater, das um sein Überleben kämpfen musste.

Der Hoffmann blieb von seiner Darstellung her gesehen etwas uncharakteristisch, vergleicht man ihn mit der detailverliebten Regie in allen anderen Bereichen und mit allen anderen Darstellern und des Chores. Das mag daran liegen, dass Hugo Mallet ein Gastsänger ist und möglicherweise nicht an so vielen Proben teilnehmen konnte. Dafür bot er eine gute Gesangsleistung, die man in manch großem Hause vergeblich sucht. Und das ist doch auch schon mal was. (Köln hat zehn Mal mehr Einwohner, Nordhausen einen zehnmal besseren »Hoffmann«!) Sängerisch zähle ich Hugo Mallet zu den bisher drei besten Hoffmännern des Jahres (Luzern und Aachen die beiden anderen). Aber das Jahr war ja noch nicht zu Ende.

Erinnerungen an Regensburg im Jahr davor wurden wach, wo man auch mit einfachen Mitteln einen rundum gelungenen »Hoffmann« auf die Bühne gebracht hatte. Die Provinz hat mal wieder vorgeführt, wie ein engagiertes Ensemble mit Einsatz und musikalischem Eros große Oper in einem kleinen Theater auf die Beine stellen kann. Liebe Nordhäuser: Ihr seid fantastisch. Ich könnte euch alle umarmen.



Mal ehrlich: hätten Sie gewusst, wo Nordhausen liegt? Ich wusste es bis vor Kurzem nicht und hätte es wohl irgendwo in Schleswig-Holstein oder MeckPomm vermutet, aber jetzt weiß ich, dass es in Nordthüringen am Harz liegt, da wo man nicht mehr sächselt. Nicht mehr ganz, aber schon noch irgendwie im Dunstkreis des Cour d'Eisenach.

Dass es ein »Hoffmann« war, der mich weniger als drei Wochen nach der Erfurt-Premiere wieder nach Thüringen geführt hat, brauche ich ja nicht extra zu erwähnen. Dass aber in einer Stadt mit gerade mal 45.000 Einwohnern regelmäßig Opern gespielt werden und noch dazu ein bemerkenswert guter »Hoffmann« auf die Bühne gebracht wurde, das hätte ich nicht erwartet, nachdem ich mit Hilfe des Internets Nordhausen auf der Landkarte entdeckt hatte.



Dank einem Riesenstau am Erfurter Kreuz (schon wieder Erfurt!) parkte ich mein Auto 20 Minuten vor Beginn der Vorstellung unterhalb des Theaters, an der Straßenbahn und hetzte zum Eingang. Nordhausen hat sogar eine Straßenbahn!



Als ich am Premierenabend beim Pressetisch um eine CD mit Bildern vom »Hoffmann« bat, erregte das einiges Verwundern. Die lokalen Kritiker kennt man ja in der Presseabteilung, aber www.jacques-offenbach.de? Nach kurzer Aufklärung wurde ich mit einer übrig gebliebenen CD mit, wie sich später herausstellte, hervorragenden Bildern versorgt und fortan wie ein Ehrengast umsorgt, möchte ich fast sagen. Nordhausen wurde mir spontan sympathisch.



Dabei kann ich von Glück reden, dass es in Nordhausen überhaupt einen »Hoffmann« gab, denn das örtliche Theater sollte vor ein paar Jahren wegrationalisiert werden. (Wo das Geld hinging, hatte ich in Erfurt gesehen, das nur 75 km süd-süd-östlich liegt und einen genauso banalen wie teuren »Hoffmann« produziert hatte.) Aber die Nordhäuser, so nennen sich die Eingeborenen und so heißt auch deren Schnaps, hatten mit Demonstrationen, Delegationen und sonstigen Aktionen erreicht, dass ihr Theater erhalten bleibt, und das ist gut so.



Vor lauter Stress hatte ich meinen Notizblock im Auto vergessen, aber der freundliche Intendant versorgte mich höchstpersönlich mit Schreibpapier und fragte noch fürsorglich, ob ich denn auch einen Schreiberling dabei habe.


Die Muse von Nordhausen


Die Premierenkarte im 2. Rang kostete 17 Euro, erste Reihe Mitte. Dass ich einen der billigeren Plätze im obersten Rang genommen hatte, sollte sich als Segen herausstellen. Doch davon später. Ein Glas Sekt gab es für 2 (zwei!) Euro. Das Theater war gut besetzt, mit nur wenigen freien Plätzen in der ersten Reihe. Waren da die Stadträte zu Hause geblieben und hatten Fußball geguckt?


Das 1917 eröffnete Theater mit 488 Plätzen in einem halbrunden Zuschauerraum war von einer alliierten Bombe getroffen, aber schon 1949 wieder eröffnet worden. (In der Nazizeit wurden in Nordhausen von Zwangsarbeitern V2-Geschosse produziert.) Beim Wiederaufbau des Theaters hatte man auf alle Schnörkel und jeden Schnickschnack verzichtet. Keine schallschluckende Deko, dafür kahle Steinwände, kein teurer Lüster über dem Parkett.




Hoffmann und Muse


Dieser nüchterne Eindruck machte bald Platz für Freude, als das Orchester zu spielen begann: die Akustik in Nordhausen ist hervorragend. Und auch die ersten Takte kamen wie gewünscht: fein akzentuiert und maestoso, wie von JO vorgegeben, begann das Orchester unter dem neuen GMD Markus Frank.


Aus einer Proszeniumsloge im ersten Rang eröffnete eine junge Frau im Petticoat den Gesang. Anja Daniela Wagner bestach sogleich mit ihrem vollen und warmen Mezzo und ihrer Stimmdramatik. Während das Orchester weiter spielte, huschte sie über die Treppen ins Parkett, von wo aus sie weiter die Einleitung der Muse ganz zauberhaft vortrug. Ein gelungener Anfang. Übrigens, in Nordhausen wurde deutsch gesungen.


Auf der schwarz eingerahmten Bühne (sieht man jetzt oft bei »Hoffmännern«) lag der Hoffmann auf einer schwarzen Ledercouch und wand sich in einer Zwangsjacke hin und her. Die Muse brachte ihm seine Medizin und versuchte, ihn zu beruhigen. Wir befanden uns nämlich in der geschlossenen Abteilung einer psychiatrischen Klinik. Ein Eisengitter verdeutlichte dies. Mehrere Gestalten, die Patienten, gingen allerlei absonderlichen Betätigungen nach. Auch Lindorf war unter ihnen! Das gefiel mir doch gleich: Politiker ab ins Irrenhaus. Was für ein poetischer Ort würde die Welt draußen ohne Machtmenschen werden, voller E.T.A.s, Jacques Offenbachs, Paul Barbiers, Musen usw.




Olympia und Spalanzani




Olympia und Spalanzani


Antonia und Hoffmann


Mirakel


Die Insassen spielten Hoffmanns Erzählungen! Das erinnerte mich an »Die Verfolgung und Ermordung Jean Paul Marats« von Peter Weiss, die auch in einem Asyl aufgeführt wird. Und an den sogenannten Antipsychiater Ronald D. Laing aus Glasgow (1927 - 1989), der in den sechziger Jahren für Aufsehen sorgte, als er behauptete, unsere Realität sei so verrückt, dass man die Gesunden in den Irrenhäusern suchen müsste, wohin sie verbannt wurden, weil sie in unserer absurden Realität nicht mehr mitspielen wollten. Schon mal ein fesselnder Auftakt, in dem der Gastregisseur Søren Schuhmacher (von der Deutschen Oper Berlin) mit verschiedenen Wahrnehmungsebenen spielen ließ, wie schon Peter Carp in Luzern und Johannes Erath in Bern.


Dann bestach Lindorf den Boten des Briefes mit Stellas Schlüssel. Der Preis betrug nur Groschen, denn wer hat im Asyl schon Geld? Brief und Schlüssel gingen statt der üblichen 40 für nur zwei Taler an Lindorf. Und Lindorf bezeichnete Hoffmann als Phantasten. Das macht sich gut, wenn ein Psychiatriepatient das tut. Der Chor der Insassen hob dynamisch an. Auch agierten die acht (!) Männer ganz hervorragend.


Als Hoffmann mit dem Klein-Zack anhob, erschien Stella als Projektionsbild im Hintergrund. Real erschien sie auf der Station als die Ärztin in einer stummen Rolle. Lindorf und Hoffmann gingen konsequent mit Boxhandschuhen versehen aufeinander los. Drei Verkörperungen Stellas wurden im Hintergrund sichtbar, und der Olympia-Akt begann.


Eine helle Leuchtschrift aus Glühlampen hing über der Bühne: Navire des rêves - Schiff der Träume. Das ist ein Film von Fellini. Coppelius erschien als wendiger High-tech-Dealer seiner Zeit. Hoffmann und die Muse trugen blinkende Augen vor sich her, auf der Leinwand erwachte ein Porzellangesicht zum Leben, als dessen Augenlider sich auf und ab bewegten. Optisch war einiges geboten hier. Spalanzani erschien als smarter Manager. Die Gesellschaft in seinem Labor bestand aus identisch gekleideten Klonen, wobei alle rot-grüne 3-D-Brillen aufhatten. Die Herren trugen neckische Pantoffeln aus weißem Pelz mit Hasenohren zum Frack, die Damen waren alle blond. Putzig und surreal gleichzeitig. Die Bewegungen des Chores waren aufwändig einstudiert. Was für ein Augenschmaus, und was für ein Kontrast zum eher statischen »Hoffmann« in Erfurt.


Olympia trat nun live auf, nachdem sie vorher nur auf der Leinwand zu sehen war. Sie hatte sich in dem projizierten Film wie ein Spielautomat monoton um ihre Längsachse gedreht. Nun trug sie ein Glitzerkostüm, das man in einer Edeldisko erwarten würde. Als sie zu ihrer Arie anhob, legten sich die Damen des Chores an den vorderen Bühnenrand, mit ihren Gesichtern zum Zuschauerraum gewandt und wedelten mit ihren Waden im Takt zur Musik. (Den Takt müssen sie allerdings noch besser einhalten. Jemand müsste das Wadenballett dirigieren.) Während die reale Olympia sang, bewegte sich auf der Leinwand immer noch die projizierte. Die wurde auch von Cochenille wiederbelebt, als sie schwächelte. Der Regisseur schien uns Zuschauer häufig daran erinnern zu wollen, dass es mehrere Realitäten und Wahrnehmungsebenen gibt.


Dann kam es zu einer Konfrontation zwischen der Olympia und der Muse, die sichtbar litt, als Hoffmann ganz hingerissen war vom Auftritt des Automaten. Gut dargestellt wurde die Verliebtheit Hoffmanns in Olympia. Hoffmann fuhr voll auf sie ab, doch Olympia stand nur unbeteiligt da. Von der Leinwand im Hintergrund verschwand die projizierte Olympia. Es war nun nur mehr eine blaue Fläche zu sehen, dazu der Text: no signal. Hochinteressant, diese Regiearbeit, wie sie die Wahrnehmung des Zuschauers unterstützte. „No signal" ist genau das, was von Olympia ausgeht. Ihre Schönheit liegt im Auge des betrachtenden Hoffmann. Auch schon die späteren Reinfälle Antonia und Giulietta kündigten sich an, indem die Darstellerinnen stumm aus dem Hintergrund dräuten. So wurde die Olympia gleich dreifach zerschlagen, und die Leinwand dahinter wurde leer - wie Hoffmanns inneres Auge.


Antonia, blond und weiß gekleidet, erfreute das Publikum mit ihrer schönen Stimme. Überhaupt wurde in Nordhausen generell ordentlich bis sehr gut gesungen und musiziert. Der Nordhäuser Franz (Marcos Liesenberg) zeigte großes komödiantisches Talent und sang auch ganz prima. Während seines Auftritts zog er hochhackige Damenschuhe an. Ganz hervorragend intoniert und mit großer Inbrunst sang Niklaus die Geigenarie.


Hier muss ich mal das Nordhäuser Publikum loben wegen seiner Applausfreudigkeit. Spontan und oft kam der Szenenapplaus. Ich kann mich nicht erinnern, dass irgendwo häufiger geklatscht worden wäre. Das hatte auch Rückwirkungen auf das Ensemble, das spürbar an Nervosität verlor.


Gespenstisch grün beleuchtet und von Nebel umwabert erhob sich Mirakel aus dem schwarzen Flügel, der den Mittelpunkt des Bühnenbildes bildete. Die Musik ist ein Teufel. Jacques Offenbach starb ja über der Arbeit am (ernsthaften) »Hoffmann«, nachdem er Jahrzehnte lang der leichten Muse gefrönt hatte. Hoffmann sah in dieser Szene aus wie der junge Goethe auf einem Gemälde. Allerlei rauchende Essenzen waberten in Mirakels Hand. Antonia stand völlig im Banne Mirakels und gehorchte ihm blind, auch Hoffmann und Krespel (Amit Friedman) wurden von ihm geführt. Ausgezeichnete Beleuchtungsführung charakterisierte diesen Akt. Wie schon in Detmold gesehen, sang die Muse die Stimme der Mutter und wurde so zur Gehilfin Mirakels. Nur wurde dieser Rollenwechsel in Nordhausen plausibel gemacht, indem Mirakel die Muse in seinen Bann brachte. Antonia starb singend mit einer Geige in der Hand, dem Instrument ihres Vaters.


Giulietta, auch blond und weiß gekleidet, schwebte hoch auf einer Schaukel, als sie zusammen mit der Muse die Barkarole sang. Wunderschön taten sie das. Leider klang sie etwas zu leise, weil die Position der Giulietta über der Bühne akustisch nicht so günstig war. Man sollte sie etwas weiter vorne schweben lassen.


Keine Gondeln auf der Bühne, viel Kunstnebel symbolisierte das Wasser von Venedig. (Gondeln scheinen out zu werden. Ich glaube, die letzte habe ich in der antiquierten Inszenierung von Wien gesehen.) Über der Bühne schwebte ein aufwändiger Kristalllüster, wohl an Murano erinnernd. Das Orchester spielte jetzt richtig sahnig-opulent-erotisch. Der kluge Dirigent hatte das Piccolo durch die Querflöte ersetzt. Sehr schön!



Giulietta und Hoffmann




Giulietta


Die Nordhäuser Giulietta kam als eher ambivalentes Wesen rüber. Einerseits fand sie den Hoffmann doch ganz sympathisch und versuchte, ihn mehrfach vor sich und ihren Reizen zu warnen, doch dann tat sie auch wieder, was sie tun musste. Also eine verführerische Kurtisane, aber mit Herz, wenn auch begrenzt. Eine nachdenkliche Giulietta, die aber dann doch nicht aus ihrer vorgegebenen Rolle fiel. Die Sängerin der Giulietta war ein hochdramatischer Sopran, aber auch mit einem lyrischen Touch. Hoffmanns Verliebtheit in sie wurde gut herausgestellt. Wunderschön, wie die beiden ihr Duett sangen. Antonias Flügel hing noch drohend über beiden. Hoffmanns Unglück war omnipräsent. Als Hoffmann sein Spiegelbild an Dapertutto verloren hatte, begann es zu schneien. Es wurde kalt für ihn.


Das Sextett wurde gesungen. Die Sänger standen an der Rampe vor dem Orchestergraben. Hinter mir auf dem Rang hatte sich der Chor aufgestellt, und ich hörte alles im Quadro-Sound. Einige Sänger standen nur einen Meter hinter mir. Ein gewaltiges Hörerlebnis. Ich hätte die Chorsänger hinter mir am liebsten umarmt, so schön klang das, wenn auch die Musik des Sextetts möglicherweise nicht von Jacques Offenbach stammt. Also unbedingt den oberen Rang buchen. Während es kalt wurde für Hoffmann und es schneite, fing der schwebende Flügel an zu brennen. Was für eine bizarre Szene. Die Barkarole erklang dabei erneut, wieder ohne Piccolo. Gut so.


Das Nachspiel fand wieder in der geschlossenen Abteilung statt. Nachdem er den Schluss des Klein-Zack gesungen hatte, kam Hoffmann wieder in die Zwangsjacke, wohl zur Strafe für seine Fantasmagorien. Er fügte sich aber nicht unfreiwillig in sein Schicksal, denn er hatte sich ja jetzt seine traumatischen Erlebnisse mit Olympia, Antonia und Giulietta von der Seele singen können. Die drei Akte waren für ihn sozusagen eine Psychotherapie. Die Gestalten aus dem Vorspiel bevölkerten wieder die Bühne, nun als stumme Erinnerungen.


Die Muse gab Hoffmann sein Spiegelbild wieder, und er gesundete sichtbar und wurde aus seiner Zwangsjacke befreit. Doch dann schnitt er sich mit dem zerbrochenen Spiegel die Pulsadern auf und verblutete. Daraufhin wurde die Muse in die Zwangsjacke gesteckt, in der sie weinend lag. Die Phantasie, verkörpert durch den Dichter, und die Inspiration durch die Muse waren tot beziehungsweise gefesselt. Die Tränen der Muse quollen, und die nüchterne Wirklichkeit hatte uns wieder.


Was für ein schöner »Hoffmann«! Das Nordhäuser Publikum feierte sein Ensemble, es wurde rhythmisch geklatscht. Allen wurde applaudiert, und natürlich besonders der überwältigend guten Muse. Mangels Uhr weiß ich nicht, wie lange der Premierenapplaus dauerte, aber deutlich länger, als ich in letzter Zeit gehört habe.


Nordhausen zum Zweiten

Nachdem dieser »Hoffmann« so gut war, musste ich ihn nochmal ansehen (30.11.2008). Die 500 Kilometer von München waren kein Hindernis, und die gesunkenen Benzinpreise wischten meine ökonomischen Bedenken vom Tisch, wenn auch nicht die ökologischen. Ich war genauso begeistert von diesem inspirierten »Hoffmann« wie bei der Premiere. Einige Stimmen klangen noch eine Idee besser als bei der Premiere. Das Wadenballett zur Arie der Olympia hatte man gestrichen.


Hoffmann, Mirakel und Krespel


Nach der Vorstellung saß ich mit einigen Sängern und Sängerinnen noch lange in der Theaterkantine, bis uns die Wirtin nach Hause schickte. Dabei bekam ich auch mit, wie dieses großartige kleine Theater Nachwuchsarbeit für zukünftige Zuschauergenerationen betreibt. Eine Gruppe Jugendlicher wurde nach der Vorstellung in die Theaterkantine eingeladen, wo sie mit Gavin Taylor, dem Darsteller des Widersachers, lange über die Aufführung debattierten. Beispielhafte Öffentlichkeits- und in Deutschland dringend gebotene Nachwuchsarbeit für zukünftige Zuschauer!


Diesen unbekümmert lebendigen »Hoffmann« eines unglaublich engagierten Ensembles in einer Thüringer Kleinstadt werde ich mir noch ein drittes Mal ansehen. Leser dieser Zeilen können die letzte Aufführung am 28.03.2009 noch miterleben. Ich werde nach Möglichkeit dort sein. Den Nordhäuser »Hoffmann« zähle ich mit dem Berner und Aachener zu den bisher drei besten des Jahres 2008. Dass Anja Daniela Wagner heiße Kandidatin für die Muse des Jahres wird, ist ausgemacht. Aber noch stehen Trier und Covent Garden aus. Ensemble des Jahres wird Nordhausen auf jeden Fall.


Giulietta und Hoffmann


Nordhausen zum Dritten

Ökologisch korrekt mit der Bahn fuhr ich zu meinem dritten »Hoffmann« am 21.02. nach NDH und sollte es nicht bereuen. Es wurde gut wie schon die beiden Male vorher gesungen und gespielt, wenn auch das Orchester nicht so konzentriert spielte wie zuvor.


Die Olympia wurde von Alexandra Steiner gegeben, einer Nachwuchssängerin vom Opernstudio Thüringen, das der Musikhochschule „Franz Liszt" in Weimar angegliedert ist. Die haben einen Kooperationsvertrag mit dem Theater Nordhausen, und so dürfen junge Talente mal unter realistischen Bedingungen Opern singen. Alexandra Steiner überraschte mit brillianter und präziser Koloratur sowie einer dynamischen Stimme.


Nach der Vorstellung traf ich mich wieder mit dem harten Kern der Sänger im Theaterrestaurant Da Capo. Der Nordhäuser »Hoffmann« hatte mir wieder so gut gefallen, dass ich mir vermutlich auch noch die letzte Vorstellung am 28.03. ansehen werde.



... und Nordhausen zum Vierten von Marcus Ebeling

Auf Grund der oben genannten Eindrücke des europaweit ermittelnden »Hoffmann«-Außendienstes von www.jacques-offenbach.de fuhr ich als der für die Internet-Seite Verantwortliche im Rahmen der Qualitätssicherung zur Dernière am 28.03.2009 nach Nordhausen.


Die extra dafür unternommene Reise von Hamburg nach Thüringen war alle Mühe wert, denn das Nordhausener Ensemble präsentierte uns eine rundum gelungene Produktion der Oeser-Fassung von »Hoffmanns Erzählungen«. Auch wenn das Septett »Hélas! Mon coeur s'égare encore« bekanntermaßen nicht von Offenbach stammt und quasi als Fremdkörper in die Aufführung integriert wurde, so zahlte sich diese kleine Quellenuntreue aus: als Zuschauer mit Platz im 2. Rang des 480 Personen fassenden Theaters erlebte auch ich den beeindruckenden Auftritt des Chores direkt hinter unseren Sitzen, während die Solisten unten auf der Bühne sangen. Es war wie ein kleines Bad in der Musik dieses etwas plakativen, aber nicht minder eindrucksvollen Stückes. Vielen Dank an den Regisseur Søren Schuhmacher für die originelle Idee und an den Chor des Theaters Nordhausen für die präzise und wohlklingende Arbeit!

Die Veröffentlichung der hier verwendeten Photographien erfolgt mit den ausdrücklichen Genehmigungen des Theaters Nordhausen & des Photographen Roland Obst, bei welchen sämtliche Rechte für die Nutzung der Bilder liegen. Vielen Dank für die freundliche Kooperation!


Den Abschluß des Abends bildeten zwei gemeinsame Stunden mit den Darstellern der Protagonisten in der Theaterkneipe. Insoweit habe ich Hugo Mallet, Anja Daniela Wagner, Gavin Taylor, Sandra Schütt und nicht zuletzt Marcos Liesenberg (der einen vorbildlichen Franz auf der Bühne präsentierte) nicht nur für eine respektable Vorstellung der schönsten Oper der Welt, sondern auch für einen dauerhaft in Erinnerung bleibenden Abend - natürlich inklusive Autogrammstunde - zu danken.




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