Nach meinen Anmerkungen zur von mir als schnell empfundenen Auftaktakkorde in Lüneburg übermittelte mir der Lüneburger Musikdirektor und Dirigent des »Hoffmann«, Urs-Michael Theus, folgende Stellungnahme, für die ich mich ausdrücklich bedanken möchte, nicht zuletzt weil sie auch einen Einblick in die Vorbereitungsarbeit einer Operneinstudierung erlaubt.


„Mit Ihrer Ansicht, dass die ersten Takte des Vorspiels für ein maestoso zu schnell sind, haben Sie völlig recht. Ich habe mir über diese Einleitung lange des Kopf zerbrochen und mir die Haare gerauft.

Für mich ist Partiturtreue eine der wichtigsten Grundlagen meines Berufsstandes, und ich fühle mich ihr zutiefst verpflichtet. Wenn es Metronom-Angaben zu den Werken gibt, sind diese für mich beinahe so wichtig wie die richtige Tonhöhe oder der Rhythmus. (Natürlich weiß ich, dass die gleiche Metronomzahl – gespielt in einer Kirche – anders klingt, anders unsere Sinnesorgane erreicht als in einem Raum mit trockener Akustik.)

Über der Hoffmann-Einleitung steht keine Metronom-Angabe, sondern maestoso. Die rhythmische Struktur weist allerdings scharfe Synkopen auf. Und entweder man interpretiert die Stelle langsam, mehr „majestätisch“ - dann verpufft die scharfe Wirkung der Synkopen, oder man nimmt es etwas forscher, wie ich es gemacht habe, hat knackigere Synkopen, aber weniger maestoso. Ab Takt 5, wo die Synkopen-Rhythmen der Fanfare weichen, habe ich ja etwas gebremst und sehr majestätisch spielen lassen.


Vielleicht haben Sie sich auch über das schnelle Tempo gewundert, mit dem ich zu Beginn des Giulietta-Aktes die „Barcarole“ begonnen habe. Wie Sie sicher wissen, ist die Barcarole ursprünglich gar nicht aus „Hoffmann“, sondern aus der romantischen Oper „Die Rheinnixen“. Ich habe mir von diesem Werk eine Partitur besorgt, die beste, die ich bekommen konnte, nämlich die neue Urtext-Ausgabe. Und dort beginnt es nicht, wie im „Hoffmann“, mit allegretto 6/8, sondern mit allegro 6/8, erst kurz vor Gesangeinsatz gibt es dort ein ritardando, erst dann allegretto.

Über den „Hoffmann“ ist Offenbach leider verstorben, die endgültige Fassung nie ganz geklärt, die Instrumentation vieler Nummern von anderer Hand besorgt. Deshalb habe ich mir erlaubt, den Notentext der „Rheinnixen“ als den ursprünglichen anzusehen. Außerdem schließt sich so viel besser die Klammer um de Akt: Wenn Hoffmann sein Spiegelbild verloren hat, Giulietta sich davon macht und die Barcarole wiederholt wird, nun vom Chor gesungen, geht es auch in einen allegro-6/8-Teil über.

Das Piccolo habe ich nicht herausgenommen aus der Barcarole – in der Oeser-Fassung der Partitur ist es nämlich gar nicht vorgesehen, sondern ich habe es in der Einleitung sogar aus den Rheinnixen übernommen.“ Urs-Michael Theus




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