Ekstatisches Musikerlebnis an einem Theater zum Verlieben


www.opera.lt




Besuchte Vorstellungen am 2. Februar und am 3. Februar 2024 (Derniere)









Regie


Frederico Grazzini

Dirigent


Martynas Stakionis

Chorleitung


Česlovas Radžiūnas

Bühne


Andrea Belli

Kostüme


Valeria Donata Bettella

Version


Kaye-Keck

Sprache


Französisch

Besetzung


02.02.24

Hoffmann


Jean-François Borras

Muse


Jelena Kordić

Olympia


Monika Pleškytė

Antonia


Viktorija Miškūnaitė

Giulietta


Lina Dambrauskaitė

Widersacher


Rory Musgrave




Besetzung


03.02.24

Hoffmann


Jason Kim

Muse


Olivia Vote

Olympia


Gunta Gelgotè

Antonia


Gabrielė Bukinė

Giulietta


Sarah Vautour

Widersacher


Rory Musgrave







Fazit Vilnius: Ein »Hoffmann« auf allerhöchstem musikalischem Niveau, stimmlich wie orchestral, wie man es sonst nur an sogenannten ersten Adressen erleben darf, inszeniert und aufgeführt an einem wunderschönen modernen und perfekt organisierten Theater in der Hauptstadt eines interessanten Landes, dessen hohe Musikkultur von den mitteleuropäischen Mainstreammedien nur selten gewürdigt wird. Von der Interpretation her hielt sich das italienische Regieteam an den üblichen librettogerechten Rahmen und garnierte den mit einigen mediterranen Verspieltheiten. Hoffmanns Erlebnisse wurden korrekt und verständlich erzählt und endeten mit einem gewaltigen Finale furioso. Bühnenbild und Kostüme entsprachen dem guten Stil der Inszenierung. Die beiden letzten Vorstellungen, die ich besuchen durfte, fanden vor vollen Häusern statt. Das Publikum war begeistert und spendete spontan stehenden Applaus.



Litauen war das letzte baltische Land, das ich kennenlernen durfte. Und wie nach Tartu in Eestland führte mich ein Hoffmann in dieses sympathische Land zwischen Weißrussland, Königsberg und Lettland. Die Hauptstadt Litauens hat 370.000 Einwohner und eine wechselvolle Geschichte. Litauen genießt eigentlich erst jetzt nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 eine längere Phase der Eigenständigkeit. Die längste Besatzungszeit erlitten die Litauer durch die Russen, aber auch die Polen herrschten lange hier. Und dann wüteten in Vilnius die napoleonischen Franzosen und im 2. Weltkrieg die Deutschen. Und erstaunlicherweise bewahrte sich diese kleine Nation ihre Eigenständigkeit, kulturell wie sprachlich. Litauisch ist weitläufig mit dem Lettischen verwandt, während die Eesten im Norden eine Variante des Finnischen sprechen, das einer ganz anderen, nichtindogermanischen Sprachfamilie angehört.

Da am gleichen Tag, dem 26. Januar, eine Hoffmann-Premiere in Detmold stattfand und ich von der früher erfahren hatte, reiste ich eine Woche später nach Vilnius, um die letzten beiden Vorstellungen zu besuchen.



Die litauische Nationaloper befindet sich in einem wuchtigen Bau mitten in der Stadt. Das Gebäude wurde noch in Sowjetzeiten von der damals noch relativ jungen litauischen Architektin Elena Nijolė Bučiūtė entworfen und 1974 eröffnet. Der Stil ist so ganz wohltuend anders als der anderer Theaterneubauten der Sowjetzeit, die oft Bahnhofsgebäuden gleichen. Vergleichbar ist die Oper mit der wesentlich neueren Oper von Oslo, die 2008 eröffnet wurde. Außen ist die Oper von Oslo sicher eindrucksvoller, aber im Inneren gefällt mir die Oper von Vilnius besser. Ich fühlte mich sofort richtig wohl in diesem Musentempel.



An der Staatsoper Vilnius werden nur Opern gespielt und Ballettabende gegeben. Für Operetten und Musicals ist das Musiktheater im 100 km entfernten Kaunas zuständig. Die Oper von Vilnius hat ein festes Ensemble. Vor zwei Jahren wurde die Oper modernisiert und akustisch verbessert. Die Zusammenarbeit mit der Presseabteilung und der Opernleitung war problemlos und vorbildlich. Wenn das nur überall so wäre.



Diese Inszenierung wurde von einem dreiköpfigen italienischen Regieteam gestaltet und in dieser Spielzeit nur eine gute Woche lang jeden Abend gespielt. Alle Hauptrollen waren doppelt besetzt mit überwiegend ausländischen Gastsängern, von denen schon zwei an der Met gesungen hatten und eine am Covent Garden. Stimmlich war also in Vilnius in allen Rollen Weltklasseniveau wie an den sogenannten ersten Adressen geboten. Auf gleichem Spitzenniveau spielte das hauseigene Orchester, einfühlsam und dynamisch geleitet von einem jungen einheimischen Dirigenten.



Kaum hatte ich dieses schöne Opernhaus betreten, beeindruckten mich mehrere Dinge: Einmal die wohltuend anheimelnde Atmosfäre des Inneren des Hauses mit seiner unaufdringlichen Eleganz, den augenfreundlichen Farben und den zahlreichen fantasievollen Leuchten unter der Decke. Und dann das gepflegt gekleidete Publikum. Nun war ich ja nicht auf der Premiere, bei der man oft die besten Garderoben zu sehen bekommt sondern in den letzten beiden Vorstellungen. In der Met in New York sieht man Opernfreunde in karierten Hemden und braunen Cordhosen, die von breiten Hosenträgern gehalten werden. Nichts dergleichen in Vilnius. Elegante Damenmoden und anständig gewandete Herren. Und was mir besonders gefiel: Viele junge Leute, bis herunter in´s Teenageralter, und auch die mittlere Generation um 30 und 40 war gut vertreten. Wie in Tartu/Eestland überwogen die weiblichen Opernfans deutlich. Ich schätzte so um mindestens zwei Drittel. Mehrere großzügige Bars luden zum Sitzen und Diskutieren ein. Ein mittlerer Platz in Vilnius kostet 30 Euro. Ein mittleres Einkommen in Litauen beträgt ungefähr 1000 Euro. Die sonstigen Preise, z.B. für Lebensmittel, liegen auf unserem Niveau. Aber der Bus zum Flughafen kostet einen Euro, für Rentner 50 Cent





Eine besonders gelungene Idee war eine rosa Leuchtschrift, die einen begrüßte, wenn man vom Eingangsbereich die Treppe zum Foyer hinaufging: Hofmano Istorijos prangte auf weißem Hintergrund, davor eine kleine Fläche, auf der man sich hinsetzen und fotografieren lassen konnte. Etwas Ähnliches hatte ich noch nie gesehen. Dieser Willkommensgruß wurde fleißig genützt. Manchmal musste man sogar anstehen um fotografiert werden zu können. Mit solchen netten Kleinigkeiten erfreut man doch gleich die Besucher. Ich kenne jetzt 130 Theater und Opernspielstätten von innen, aber am wohlsten fühlte ich mich spontan in der Oper von Vilnius.

Der Zuschauerraum ist in braunem Holz und gedämpft roten Sitzen gehalten. Das Parkett hat einen Mittelgang und einen Quergang. Alles gut durchdacht. Im Orchestergraben zählte ich vier Kontrabässe und vier Celli, am zweiten Abend fünf Celli. Das Theater war an beiden Abenden voll besetzt.


Und gleich ging es erfreulich los: Der Dirigent hielt sich an Jacques Offenbachs Vorgabe und spielte die Auftakte in gediegenem Maestoso.

Der Vorhang ging auf, und wir blickten in eine nüchterne Sporthalle mit Basketballeinrichtung, rechts oben eine Zuschauertribüne. Diese Szene erinnerte mich an die bizarre Inszenierung in Göteborg im November 2022, die in der Dusche eines Fitnesstudios begann. Ein Tuch mit einer Aufschrift wurde aufgehängt: Together we will get through this. Hmm. Wo bin ich denn hier gelandet? Das verlinkte Bild zeigt den überragenden Tenor Jean-François Barros auf Bierkästen stehend.



Die burschikose Muse erschien in lockerer Sportkleidung mit einem beschrifteten T-Shirt, das sie als Muse auswies und stellte sich vor: Ich werde Hoffmanns Herz retten. Ein drohend eleganter Lindorf manifestierte sich. Na, gottseidank war ich doch in der richtigen Oper. Nur ein kurzer Schock, es ging nicht so extrem weiter wie in Schweden, und die Muse wurde nicht als Grendels Mutter gezeigt. Hoffmann trat im Trenchcoat auf.

Die Übertitel wurden auf Litauisch und Englisch angezeigt.



Die Muse holte ein Bild der Stella hervor, das dann zerknüllt und an einer Tafel aufgehängt wurde. Lindorf verschaffte sich schnell Stellas Brief, las ihn und zündete ihn an. Dann folgte eine Balletteinlage mit amerikanischen Cheerleaders in Lutters Taverne, in der Can Can getanzt wurde. Und zwei Gorillas turnten häufig mit Basketbällen durch den Raum. Wenn die Jacques Offenbach gesehen hätte.



Und dann kam ein riesiger Männerchor von 30 identisch gekleideten Freunden Hoffmanns, alle in gleichfarbenen Trenchcoats herein, die sogleich lebhaft agierten. Eine riesige Bierflasche von 1773 Marke Drig füllte die Bühne. Hoffmann sang den Klein-Zaches auf zwei Bierkästen, mit denen vorher jongliert worden war. Was für eine beeindruckende Stimme wurde hörbar: Ein kultivierter voller und warmer Tenor sang. Später erfuhr ich, dass Jean-François Barros schon an der Met aufgetreten war. Als er zu Stella überging, erschien sie in Bühnenkleid auf der Tribüne. Für den hervorragend gesungenen Klein-Zaches gab es aber nur kurzen Applaus. Aus den litauischen Übertiteln lernte ich, dass Krick-Krack in Vilnius triokšt-sprakt heißt. Im eestnischen Tartu war das kriks-kröks gewesen.



Das Vorspiel in Lutters Turnhalle zog sich mit 35 Minuten ziemlich lange hin. Andere schaffen das in 20 Minuten, aber es gab auch schon noch längere.

Applaus für den Rahmenakt, und stumme Umbaupause, und schon waren wir bei Spalanzani. Ein riesiger Glaskasten enthielt Schenkel, Arme, Rümpfe und andere Körperteile aus Plastik für Spalanzanis Kreaturen. Und dann noch ein gewollt witziger Cochenille als clowneske Lakajin in schwarzem Lackkleid als Dienstmädchen, der eine Magnumflasche in der Hand hielt. Naja, wenn es denn sein muss. Hoffmann wurde von Spalanzani als kommender Physikprofessor vorgestellt.



Die Erschaffung Olympia war noch nicht abgeschlossen, aber schon verliebte sich Hoffmann in sie, obwohl er seine Zauberbrille noch gar nicht erhalten hatte. Die Muse verspottete den liebesblinden Hoffmann, indem sie ihm ein Körperteil aus Plastik nachwarf, doch der merkte nichts. Dann sang die Muse die Nummer über die Liebe, die in der Kaye-Keck-Version meistens erst im Finale gebracht wird. Erst dann kam die Vogelarie, wobei sie Hoffmann mit zwei Plastikbeinen stupste.



Es wurde wirklich wunderschön gesungen in Vilnius, und das Publikum spendete immer wieder Applaus, zum Beispiel für die Trois ducats. Und immer wieder tanzten die Balletteusen über die Bühne. Spalanzani und Coppelius wurden als zwei verschworene Gauner vorgestellt. Spalanzanis Gäste, mindestens 60 an der Zahl, waren alle identisch in Trenchcoats gekleidet und mit magischen Brillen und identischen Perücken versehen, lauter Klone. Ich kann mich nicht erinnern, je einen so großen Chor gesehen zu haben. Olympia wurde auf einem grünen Bühnenkasten hereingefahren. Der Chor brachte ein superschnelles Lob auf ihre Augen aus. Da hatte man fleißig geübt.



Spalanzani war ein eitler Typ und steuerte seine Olympia während ihrer Arie mit einer Funkfernsteuerung für Modellflugzeuge. Eine perfekte Koloratur erklang.

Eine laszive Olympia ging gleich auf den Hoffmann los und vernaschte ihn in Cowgirlstellung vor versammelter Mannschaft. Dabei entledigte sie sich ihrer Oberbekleidung, bis sie nur mehr in hautengem Bodystocking dastand. Also alles ganz brav, keinerlei Nuditäten wie sogar an der Met im sonst offiziell prüden Amerika. So energisch vernaschte sie den Hoffmann, dass Cochenille sie wegreißen musste. Schließlich waren wir im katholischen Litauen, wo an jeder zweiten Straßenecke eine Kirche steht.

Dabei verlor sie ihre Perücke und lief hinaus. Dann wurde sie von Coppelius zerstört, und ihre Einzelteile wurden vom Balkon heruntergeworfen. Hoffmann wurde verlacht, Applaus und Pause.


Antonia wurde als krank dargestellt. An ihrem Bett hing ein Tropf. Hoffmann befand sich zwar in ihrer Nähe, aber beide nahmen sich gegenseitig nicht wahr. Nach ihrem Auftrittslied wurde sie von zwei Pflegern in ihr Bett gelegt. Franz war als Hilfskraft im Krankenhaus dargestellt, der den Boden fegt.

Dann folgte gleich ein witzig gemeinter Franz mit seinem Couplet. Leider fand man in Vilnius nicht den Mut, den Franz wegzulassen, wie das immer mehr Regisseure tun. Eine besondere Funktion hatte man ihm nicht zugewiesen. Immerhin stellte er sich neben Hoffmann. In den englischen Übertiteln beklagte er sich über das Fehlen der method, was genauso sinnlos übersetzt ist wie das deutsche Methode.


Nachdem die Muse Hoffmann vor einem weiteren Reinfall à la Olympia gewarnt hatte, kam gleich die Geigenarie, für die es natürlich Applaus geben musste. Erst dann gab es ein freudiges Wiedersehen Antonias mit Hoffmann. Wunderschöne Duette zweier begnadeter Stimmen folgten.

Mirakel trat gleich mit zwei energischen Pflegern auf, aus denen dann vier wurden. Die wurden dann bei seiner Pseudodiagnose in einer Art Ballett im Bett verarztet. Schon wieder Gaudi in diesem tragiscen Akt.

Dann ging es Vater Krespel an den Kragen. Einer der Pfleger jonglierte drohend mit Messern. Dieser Akt entwickelte Längen und könnte gestrafft werden. Zumindest den Franz hätte man weglassen können. Mirakel ließ Hoffmann von zwei seiner Pfleger hinausbringen.


Gut wurde dargestellt, wie Antonia an ihrer Kunst zweifelte und daran verzweifelte. Sie warf die Notenblätter wütend zu Boden. Zum musikalischen Höhepunkt dieser Oper, dem Terzett Mutter – Antonia – Mirakel, sang die Mutter vom Balkon aus. Mirakel hätte Antonias Bühnenkarriere deutlicher ausmalen können. Antonia sang ihre letzten Töne in ein Shure-Mikrofon. Kräftiger Applaus belohnte dieses beeindruckend interpretierte Terzett, doch der Dirigent ließ weiterspielen. Antonia starb in den Armen ihres Vaters, und am Schluss gesellte sich Hoffmann zu ihr. Kräftiger Applaus und zweite Pause. Und wieder stand eine lange Schlange von Frauen vor der Damentoilette.


Zur Barkarole kreischte am 2. Februar erfreulicherweise keine Pikkoloflöte, am Tag danach aber war die Pikkoloflöte wieder einmal das lauteste Instrument. Der Chor begleitete die Barkarole von der Zuschauertribüne der Turnhalle aus, was ein differenziertes Klangbild ergab.

In der Mitte der Bühne befand sich ein Knäuel von acht männlichen und weiblichen Eroten, die für die BDSM-Szene typische Bekleidung mit vielen Riemen und schwarzem Leder trugen. Aber wieder war alles züchtig mit keinerlei Nuditäten oder unanständigen Posen, lediglich leicht anzügliche Bewegungen. Für ihr neckisches Ballett bekamen sie Applaus. Giulietta war auch brav in schwarzem Lederkleid gestylt. Nur eine Peitsche wies sie als Domina aus. Insgesamt strahlte sie strenge Erotik aus. Hauptmann (Capitano) Dapertutto war ganz in Rot als eine Art Zirkusdirektor gestylt.


Dann folgte eine konventionelle und von fremder Hand eingefügte Spiegelarie des Andreas Bloch, für die es kurzen Applaus gab. Schade eigentlich, denn seit 40 Jahren kennen wir die beiden Originalmelodien Jacques Offenbachs. Hier die melodiöse Originalversion, gesungen von Laurent Naouri. (Leider ist dieses Video zur Zeit auf Youtube zur Zeit nicht erreichbar)

Giulietta reizte Hoffmann: Schlemihl hat den Schlüssel zu meinem Gemach.

Zum Duell mit Schlemihl bekam Hoffmann von Dapertutto ein Messer zugesteckt. Die Muse beobachtete diese Szene von oben und begrub ihr Gesicht verzweifelt in den Händen.

Das Publikum beklatschte Hoffmann und Giulietta, als sie die Freuden der Lust besangen. Einfallsreiche Beleuchtung illustrierte diesen Akt. Hoffmanns Verlust des Spiegelbildes wurde auf neue Art dargestellt. Er stand vor einem riesigen Spiegel, hinter dem die Eroten tanzten. Dann verzerrte sich der Spiegel, und Hoffmann merkte, wie er betrogen worden war, als ihn Giulietta hinauswarf.


Großartig, wie der Chor auf der nun erweiterten Tribüne mit gewaltigem Gesang das turbulente Geschehen auf der Bühne begleitete. Gellend kamen die Akkorde im Stil eines Chores der griechischen Tragödie. Hoffmann, hau ab! Eine der beeindruckendsten Szenen dieser Inszenierung. Und das Orchester begleitete höchst dramatisch.

Dann tötete Hoffmann aus Rache an Giulietta deren Liebling Pitichinaccio, und war sofort über seine eigene Tat verzweifelt. Und so endete der Akt. Stumme Umbaupause.



Zum Finale stand Hoffmann im Kreise seiner Freunde und trank. Der Konflikt Hoffmann – Muse wurde gut herausgestellt: Realitätsprinzip der Muse gegen Hoffmanns triebhafte Spontaneität und Phantasmagorien. Dann kam Stella und sang, wie in der Kaye-Keck-Version vorgesehen. Sie erklärte Hoffmann, dass sie ihn verachtete. Der siegreiche Verehrer Lindorf kam mit einem Blumenbukett, und beide gingen ab. Hoffmann war am Boden zerstört.



Der Schlussapplaus. Das Bild zeigt das Einheitsbühnenbild, das im Wesentlichen unver-ändert blieb.


Hoffmann und seine Muse befanden sich alleine auf der Bühne. Bewegend besang die Muse die Asche seines Herzens. Dann strömten alle Charaktere auf die Bühne, mit denen Hoffmann zu tun gehabt hatte, und besangen ihn. Dabei wurden die Muse und Hoffmann in warmen Tönen beleuchtet, und die übrige Gesellschaft in fahlem Blau. Es gab eine richtige Apotheose, und „die Muse soll deine Sorgen heilen“, und hinter den Fenstern der Tribüne ging die Sonne auf. Das war ein Ende nach meinem Geschmack und besonders auch des Publikums. Kaum war der letzte Ton des gewaltigen Finales verklungen, spendete das Publikum kräftigen Applaus, und viel Jubel war zu hören. Innerhalb wenniger Sekunden sprangen die ersten Zuschauer von ihren Sitzen auf und spendeten stehend Applaus und klatschten rhythmisch. Nach acht Minuten beendete ein gnadenloser Vorhang den Applaus.




Nach der letzten Vorstellung trafen sich einige Solisten im Café Houdini, in dem folgendes Bild entstand. Nachdem man sich dort gestärkt und entspannt hatte, trafen sich die Mitwirkenden in der Opernbar auf dem Dach des Theaters (7. Stock, ohne Lift), auf dem noch bis in den frühen Morgen weitergefeiert wurde. Erfreulicherweise war mein Hotel (Artis; sehr empfehlenswert) in der Nähe der Oper.






Vorne links Jean-François Barros (Hoffmann), leider verdeckt hinter ihm Olympia Gunta Gelgotè, rechts von ihr Jason Kim aus Südkorea, dann Giulietta Lina Dambrauskaitė, rechts neben ihr Giulietta Sarah Vautour, und ganz rechts Muse Olivia Vote. Herzlichen Dank an Olivia, dass sie mich in diesen illustren Kreis mitnahm.








Touristische Hinweise

Da Litauen nicht zu den üblichen Reisezielen wie Mallorca und Kanaren gehört, hier ein paar Anmerkungen zum Land.

Litauen ist der südlichste der drei baltischen Staaten und liegt zwischen Putins Exklave Königsberg und Lukaschenkos Weißrussland. Im Norden grenzt es an Lettland. Zwischen Königsberg und Weißrussland grenzt Litauen an Polen. Diese Grenze ist nur 100 km lang und wird Suwalki-Lücke genannt. Über die muss man einreisen, wenn man nach Vilnius fliegt. Direktflüge von 'Deutschland aus finden hauptsächlich von Frankfurt aus statt. Man kann auch mit dem Schiff über die Ostsee nach Klaipeda/Memel anreisen.

Litauen hat unter drei Millionen Einwohner. Von denen leben über 500.000 in der Hauptstadt Vilnius. Vilnius hat wie Litauen eine bewegte Geschichte und genoss bisher nur wenige Jahre der Eigenständigkeit. Meistens wurde es von den Russen bzw. Sowjets besetzt, doch auch Polen herrschten hier, und die Nazideutschen besetzten es von 1941 bis 1944. In der napoleonischen Zeit wurde Vilnius von den Franzosen geplündert. Trotz allem haben die Litauer ihre kulturelle und sprachliche Eigenständigkeit bewahrt.

Wegen der langen polnische Zeit überwiegt im Gegensatz zu den anderen baltischen Ländern der Katholizismus, und die große Zahl der Kirchen (Barockstil) ist verblüffend. Litauen hat den Euro, und Lebensmittel- und Restaurantpreise haben mitteleuropäisches Niveau. Ein Durchschnittseinkommen liegt bei 1000 Euro.

Die Litauer sind freundliche und entspannte Menschen: Keine korinthenkackenden Pedanten wie die Deutschen, keine Puritaner wie die Schweden, keine Grobiane wie die Russen, keine Hysteriker wie die Südeuropäer. Alle unter 40 sprechen gut Englisch und erklären einem geduldig den Weg zu den Sehenswürdigkeiten. Die Digitalisierung liegt weit über dem deutschen Niveau.

Da ich nur 48 Stunden in Vilnius war (viel zu wenig), konnte ich neben den beiden Opernabenden nur das Nationalmuseum auf der anderen Seite des Flusses besuchen, in dem man moderne Kunst des Landes zu sehen bekommt, also keine Picassos und Rembrandts, dafür aber Bilder in einem eigenen litauischen Stil. Der öffentliche Nahverkehr ist gut ausgebaut und billig. Zum Teil fahren noch Oberleitungsbusse aus der Sowjetzeit (bis1991).

Im Winter ist es dunkel und kalt, aber bei meinem Aufenthalt war es ungewöhnlich mild mit Temperaturen leicht über Null. Von den anderen baltischen Staaten kenne ich Eestland seit 1993 und mehreren Besuchen danach. In Tartu sah ich 2009 einen genial interpretierten Hoffmann in einer Übernahme aus Moskau. Riga in Lettland besuchte ich 1995.

Die zweitgrößte Stadt Litauens ist Kaunas, ungefähr 100 km von Vilnius entfernt. Dort gibt es auch ein Musiktheater, an dem Operetten und Musicals gegeben werden. Mein Opernbesuch in Vilnius gehört zu den schönsten seit Ausbruch meiner Hoffmannie 2007, und ich muss da wieder hin. Möglicherweise, wenn dieser Hoffmann wegen des Erfolges wieder aufgeführt wird. .

















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