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Professionell inszenierter »Hoffmann« in Oldenburg
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Besuchte Vorstellung 26. April 2025 (Premiere)
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Regie |
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Angela Denoke |
Dirigent |
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Vito Cristofaro |
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Chorleitung |
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Thomas Bönisch |
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Bühne und Kostüme |
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Susana Mendoza |
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Version |
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Kaye-Keck |
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Sprache |
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Französisch |
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Hoffmann |
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Jason Kim |
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Muse |
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Dorothee Bienert |
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Olympia |
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Penelope Kendros |
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Antonia |
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Tatiana Miyus |
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Giulietta |
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Adréana Kraschewski |
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Widersacher |
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Seungweon L |
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Fazit Oldenburg: Ein gefälliger, richtig verstandener und perfekt inszenierter klassischer »Hoffmann« auf bestem musikalischem und schauspielerischem Niveau in einem schnuckeligen Theater nahe der Nordsee. Schöne Stimmen in allen Rollen, auch und besonders in den Kleineren. Dazu ein gut aufgestellter Chor vor einem klaren Bühnenbild. Besonders auffallend war die sorgfältig gestaltete Gestik und Mimik aller Charaktere. Außer ein paar wenigen Kleinigkeiten gibt es an dieser Inszenierung nichts auszusetzen. Schon bei der Premiere klappte alles. Erfreulich die Abwesenheit von unverständlichen Bizarrerien und eigenmächtigen Verfremdungen des Librettos. Die Charaktere waren anschaulich und phantasievoll gezeichnet, besonders der der Muse. Die Kostüme waren teilweise extravagant, aber durchaus passend. Die Männer meist in einfachem Schwarz, die Damen in allen Farben. Das Publikum ging gut mit und spendete fast zehn Minuten Premierenapplaus, der von einem schwarzen Vorhang beendet wurde. Hinfahren, anschauen, und genießen. |
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Am Samstag, dem 26 April fanden in Deutschland zwei »Hoffmann«-Premieren statt, eine in Saarbrücken, eine In Oldenburg. Ich hatte also die Wahl, und die fiel mir leicht. Das Theater Saarbrücken hatte nämlich eine »Hoffmann«-Inszenierung der Oper Göteborg übernommen, die ich vor gut zwei Jahren dortselbst sah. Eine absurdere Interpretation dieser wunderbaren Oper kann man sich kaum vorstellen, wie sie sich der polnische Regisseur Krystian Lada ausgedacht hatte. Wenigstens hatte man in Göteborg wunderschön gesungen und musiziert, und die schwedische Nachtigall Kerstin Avemo sang alle drei Sopranrollen. Nach diesem Göteborger Schmarrn fiel mir die Wahl leicht., und Oldenburg belohnte sein Publikum mit einem gelungenen »Hoffmann«. Ich hatte den Saarbrückern geraten, die Inszenierung Ladas gründlich zu überarbeiten, aber dem standen wohl urheberrechtliche und vertragliche Verpflichtungen entgegen. Die Kritiken der Saarbrücker Region fielen entsprechend negativ aus: „brutal-poetisch“, „nichts Schöngeistiges“, „schwer verdaulich“, und es gab Pfiffe für das Regieteam. |
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Das beschauliche Oldenburg ist eine der unbekannteren Städte Deutschlands und besitzt den Charme einer Kleinstadt, hat aber doch 180.000 Einwohner. Wie so viele andere Regionen Deutschlands wurde es im 19. Jahrhundert von den militaristischen Preußen geschluckt. 1879 wurde dort das anheimelnde klassische Theater eröffnet, dem ein moderner Anbau spendiert wurde. Das Innere des Theaters hat für Opern nur 500 Plätze mit drei Rängen über einem Parkett mit 15 Reihen. Das Theater war voll, im Orchestergraben zählte ich zwei Kontrabässe und vier Celli. Das Theater wird vom Land Niedersachsen betrieben. Die Zusammenarbeit mit der Oldenburger Presseabteilung war freundlich und problemlos. |
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Vor dem Vorhang auf der Bühne moppte ein Putzmann, pardon Facility Manager den Fußboden. Der stellte sich später als der Franz heraus. Pünktlich um 19:30 hob der Dirigent seinen Taktstock und preschte gleich mit einer gar nicht so maestoso klingenden Serie von Takten los. Die Muse, in Unterkleidung sang von der Asche deines Herzens und setzte so gleich einen Rahmen für die Handlung. Hinter einem Gazevorhang vermutete ich mal den Widersacher, der alles lauernd beobachtete. Stella wurde von einer stummen Balletteuse mt eleganten Bewegungen dargestell, die in einer fahrbaren Vitrine hereingebracht wurde. Der 25köpfige Männerchor von Hoffmanns Freunden trug Anzug und Krawatte und sang ebenso gepflegt, wie er gekleidet war und bekam gleich den ersten Applaus. So ein früher Applaus ermutigt und entspannt die Darsteller. |
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Hoffmann Jason Kim, der mich schon in Vilnius erfreut hatte, begann mit seinem Klein-Zaches. Als er zu Stella überging, wurde die Tänzerin aktiv. Applaus. Die Muse hatte sich inzwischen mit einem lässigen Hosenanzug bekleidet. Bei der fast handgreiflichen Auseinandersetzung Hoffmann – Lindorf ging sie dazwischen. Der erste Akt wurde mit 31 Minuten etwas zu lang. Fausta und Gretchen könnte man weglassen. |
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Der Olympia-Akt wurde optisch beherrscht von einem einfachen und klaren Bühnenbild, das mit wechselnder Beleuchtung variiert wurde. Eine elegant und exquisit gekleidete blonde Olympia stand vor einer großen roten Sonnenscheibe. Die erinnerte mich stark an Marilyn Monroe, rot gekleidet mit langen Handschuhen. Da blieb dem Hoffmann nichts anderes übrig als sie zu bewundern. |
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Die Gockel-Arie der Muse war etwas abgekürzt, und sie erklärte anchließend Hoffmann ihre Liebe. Der aber fuhr auf den blonden Vamp ab. Das Ewig Weibliche zog ihn hinan. Dann kam Coppelius mit gewaltigem und sonoren Bariton und verkaufte die Zauberbrille. Applaus für die trois ducats. Hoffmann und seine Muse standen übrigens immer nahe beieinander. Als die Damen des Chores bei Spalanzani eintrafen, glänzten sie mit festlichen Abendroben und langen Kleidern, ähnlich gekleidet und verziert wie Olympia, die Herren dazu in klassischer Abendgarderobe. Diese Gesellschaft bei Spalanzani war die bestgekleidete, die ich je in einem »Hoffmann« sah. Schnell und präzise kam das Lob auf Olympias Augen. Und die war eine Reinkarnation der Marilyn Monroe. Spalanzani dagegen war ein wuseliger und schicker Dandy und als einer der wenigen Herren nicht in Schwarz. . |
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Die Herren waren total begeistert von Olympia, doch die wehrte energisch alle Versuche ab, sie zu befummeln. Nicht einmal ihren Schöpfer Spalanzani ließ sie an sich heran. Mit einer schwelgerischen Koloratur bis in höchste Töne überzeugte sie. Hoffmann war total hingerissen und wurde von ihr in der Cowgirl-Position vernascht. Kräftiger Applaus belohnte sie. Zum Walzer der Olympia tanzte die gesamte Gesellschaft. Habe ich auch noch nicht gesehen. Olympias Ende wurde auch ungewöhnlich dargestellt: Sie entzauberte sich selbst, indem sie jegliches Schmuckwerk und Zierat von sich riss und plötzlich ganz alltäglich dastand. Applaus und Pause. |
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Wuchtig und dräuend gedehnt erklangen die Auftaktakkorde zum Antonia-Akt. Krespels Tochter lag ausgestreckt auf einem fahrbaren Katafalk, den man auch als Seziertisch sehen konnte. Hinter ihr ein fahler Mond und ein bizarr-zackiges Gebilde, alles andere als schön und harmonisch. Rührend beklagte sie sich über die entflogene Taube. Mit wohlklingendem und voluminösem Bass sang Vater Krespel. Schon wieder zwei schöne Stimmen. Auch in Oldenburg glaubte man nicht auf einen Franz verzichten zu können, doch sein Couplet bestand nur as wenigen Phrasen. Einen besonderen Sinn hatte man ihm nicht gegeben. Die Muse erfreute mit einer gefühlvoll und dramatisch gesungenen Geigenarie, wofür sie den verdienten Applaus erhielt. |
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Antonia, 20 Jahre alt, wurde als jugendliches und unbekümmertes Mädchen präsentiert, leicht zu begeistern und in Hoffmann verliebt. Für das erste Duett der beiden Verliebten gab es wiederum Applaus. Mirakel erschien in einem Kabuff über der Bühne und beobachtete die beiden. Dann machte er sich an Antonia heran. Aus diesem Kämmerichen zauberte Mirakel mit einer Handbewegung die Mutter herbei. Ein großartiges und dramatisch gesungenes Terzett folgte, und der Dirigent ließ uns applaudieren. Bravo! Antonia starb in den Armen ihres Vaters und Hoffmanns. |
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Dann stumme Umbauspause, die dann von Franz verlängert wurde, als er den Rest seiner Verse sang. Doch dann, o Graus, in den Übertiteln beklagte er seinen Mangel an METHODE, Das sollte nun nicht mehr vorkommen. |
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Endlich flirrten die Geigen, die die Barkarole einleiteten, dann folgte wieder einmal einr leider zu laute Piccoloflöte. Aber, Kommando zurück, erfreulicherweise schwieg die Flötistin, als die Muse den Gesang eröffnete. So geht’s auch, brava. Im Hintergrund im Halbdunkel bewegten sich sinnliche Tänzerinnen und Tänzer in intimer Nähe. Eine elegante Giulietta trat mit lässiger Grandezza auf. Dapertutto war jetzt nicht besonders kostümiert, aber Schlemihl wirkte wie ein Zuhältertyp aus der Halbwelt des Rotlichtmilieus. . |
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Sehr erfreulich die Diamantenarie des Dapertutto, und zwar die des Jacques Offenbach, nämich die melodiösere Version, wie sie leider nur selten zu hören ist. Die unechte sog. Spiegelarie des Andreas Bloch stirbt hoffentlich langsam aus. Und souverän mit wohlklingender Stimme wurde sie von Dapertutto vorgetragen. Zusammen mit der sinnlichen Stimme der Giulietta bildete er ein Traumpaar. Das Duell Hoffmann – Schlemihl wurde erst mit Fäusten ausgetragen, dann kamen Messer zum Einsatz. Doch Hoffmann wurde nicht glücklich über seine Tat, als er merkte, was er angerichtet hatte. |
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Giulietta erklärte dem Hoffmann ausführlich, warum sie sein Spiegelbild wolle: Ich will ein Stück von dir behalten. Gute Idee. Und Hoffmann verzweifelte, als er merkte, dass er seine Seele verloren hatte. Dann schenkte sie dem Hoffmann das Leben, das er mit seinem Mord an Schlemihl verwirkt hatte. |
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Dann folgte doch ein Fremdkörper, und zwar das Sextett mit Chor, das zwar eine eindrucksvolle Nummer darstellt, aber nicht von Jacques Offenbach stammt. Und Applaus. |
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Der Übergang zum Finale geschah mit dem ernüchternden Hörnerchor, darauf der melancholische à capella-Männerchor, perfekt gesungen von schönen Stimmen. Das Ende kündigte sich an, als die Muse Hoffmanns Erzählungen in Fetzen zerriss und dem Hoffmann um die Ohren warf: Hier hast du deine Irrungen, warum hast du nicht auf mich gehört? Aber dennoch gestand sie ihm ihre Zuneigung und Liebe. Ein gewaltiger Chor erklang: On est grand par l´amour, mais plus grand par les pleurs. Dazu standen Hoffmann und die Muse ein paar Meter auseinander. Nein, es gab keine romantische Umarmung, aber auch keine Trennung, und schon gleich gar nicht ließ Oldenburg den Hoffmann sterben, wie leider auf so vielen Bühnen in der Vergangenheit geschehen. Das war eine Schlusskonstellation, mit der man gut leben kann: Versöhnung mit einem Schuss Skepsis von Seiten der Muse. |
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Spontaner heftiger Applaus, als die letzten Töne verklungen waren. Bald spendeten zahlreiche Besucher Applaus im Stehen, und natürlich wurden alle Solisten bejubelt, besonders die Muse und Hoffmann. Knapp zehn Minuten dauerte der Schlussapplaus, bis er von einem schwarzen Vorhang beendet wurde. Wir hätten gerne noch weiter geklatscht, um diese gelungene Inszenierung zu würdigen. |
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Alle Rechte an den obigen Szenenfotos liegen bei und beim Fotografen...... Wir danken für die freundliche Zusammenarbeit |
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Das hochverehrte Publikum war zur Premierenfeier eingeladen, und der Intendant hielt eine zeitlich überschaubare Rede über die erfreulichen Leistungen seines Ensembles. Das Theater spendete Häppchen, die Getränke konnte man kaufen. Alles bestens organisiert. Danke Oldenburg, die weite Anreise hatte sich gelohnt, und die Bahn war pünktlich gewesen. Auf der Premierenfeier entstanden folgende Bilder: |
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