Un opéra vraiment fantastique

dans un théâtre sympathique


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www.theater-nordhausen.de




Besuchte Vorstellung 26. September 2025 (Premiere)







Regie


Benjamin Prins

Dirigent


Gábor Hontvári

Chorleitung


Markus Fischer

Bühne


Wolfgang Kurima Rauschning

Kostüme


Emma Gaudiano

Version


Kaye-Keck

Sprache


Französisch




Hoffmann


Kyounghan Seo

Muse


Rina Hirayama

Olympia


Yuval Oren

Antonia


Julia Ermakova

Giulietta


Jana Marković

Widersacher


Alik Abdukayumov






Ehrenplakette für kleine Theater in Städten unter 50.000 Einwohnern


Fazit Nordhausen: Eine durch und durch gelungene Neuinszenierung der Contes auf den Tag genau 17 Jahre nach dem letzten »Hoffmann« an dieser Adresse. Mehrere Aspekte sind hervorzuheben. Die Regie verzichtete weitgehend auf unverständliche Bizarrerien wie beim letzten Mal. Die musikalische und vokale Qualität hat sich deutlich verbessert, die Choreografie war lebhaft, und es gab kaum Leerlauf. Das internationale Ensemble bestand aus Künstlern aus aller Damen und Herren Länder, wie ich es in dieser Multinationalität noch nicht erlebt habe. Das Bühnenbild war klar und verständlich, die Kostüme passend. Die Geschichte wurde richtig erzählt und führte zu einem glücklichen Ende. Belebend wirkte sich die Mitarbeit eines Choreografen aus, so dass die Darsteller immer in Bewegung blieben und nicht unmotiviert herumstanden. Die Auswahl der Nummern war auf aktuellem Stand. Das Publikum ging gut mit und war begeistert: Beim Schlussapplaus spendete es schon nach cirka einer halben Minute stehend Applaus, was in dieser Spontaneität nur ganz selten vorkommt. Acht Minuten dauerte der Sclussapplaus, der meiner Einschätzung nach deutlich über zehn Minuten hinausgangen wäre, wenn er nicht brutal vom Vorhang abgewürgt worden wäre. Schluss jetzt, wir wollen uns abschminken und unter die Dusche. Zur Zeit wird in Nordhausen in einem kinosaalähnlichen Anbau gespielt, da der Theaterbau selbst renoviert und umgebaut wird. Wieder einmal hat die sogenannte Provinz vorgeführt, wo man die besten Opern erlebt. Vergleicht man den Nordhäuser »Hoffmann« mit dem der Hamburger Staatsoper, fällt die Wahl leicht. In Hamburg findet eine aussagelose Aneinanderreihung von teuren Bühnenbildern statt, in Nordhausen eine kreative Interpretation dieser Oper mit einfachen Mitteln.

Man kann dieser inspirierten Inszenierung nur viele Aufführungen und immer ein volles Haus wünschen. Hingehen, anschauen und genießen.

Das Theater Nordhausen hat am Montag einen leider hektischen Videoclip auf Youtube gestellt. Hier der Link dazu:

www.youtube.com/watch?v=_wfwHffqhJU

Sollte der Link nicht funktionieren, einfach den Link kopieren und in die Adresszeile einfügen, oder bei Youtube suchen nach: nordhausen hoffmanns.

Eine Bitte an die Videomacher: Lasst doch einfach die einzelnen Szenen statt der kurzen Sekunden etwas länger laufen, damit man einen besseren Eindruck bekommt.



Gibt man in eine Suchmaschine ein „theater nordhausen hoffmanns erzählungen“ findet man mehrere Kritiken, unter anderem auch von der politisch umstrittenen Vera Lengsfeld.


Mit dem Theater Nordhausen verbindet mich eine alte Liebe, seit ich dort am 26. September 2008 die Premiere eines »Hoffmann« besuchte. Zum einen war es die umwerfend gute Muse der Anja Daniela Wagner, eine der besten die ich je sah, und dann die intime Atmosphäre in einem kleinen Theater, das damals um sein Überleben kämpfen musste. Nach der Premiere traf man sich im Theaterkeller, und sofort war ich in den Kreis der Darsteller einbezogen und führte lebhafte Gespräche mit ihnen. Die Inszenierung gefiel mir, aber es war das Zusammentreffen mit den Solisten und Ensemblemitgliederm, das mich noch drei weitere Male nach Nordhausen lockte, um mir diesen »Hoffmann« anzusehen. Um so erfreuter war ich, dass dort wieder ein »Hoffmann« inszeniert wurde. Dazwischen lagen 127 weitere von mir besuchte und besprochene »Hoffmann«-Inszenierungen zwischen New York und Zypern, sowie zwischen Lissabon und Umeå nahe dem Polarkreis.


Das Dreispartentheater Nordhausen liegt in einer der vier kleinsten mir bekannten Städte mit eigenem Theater, an dem regelmäßig Opern gespielt werden. Die drei anderen unter 50.000 Einwohnern sind Halberstadt, Meiningen und Neustrelitz. Die beiden letzteren haben nur halb so viele Einwohner wie Nordhausen, nämlich gut 20.000. Damit sind wir einmalig in der Welt. Es gibt zwar noch kleinere Orte, an denen Opern inszeniert werden, die finden dann aber nur einmal im Jahr statt, z.B. in Waidhofen an der Ybbs in Österreich oder Nordfjord in Norwegen. Alle vier kleinen deutschen Städte mit eigenen Opern liegen übrigens auf dem Gebiet der ehemaligen DDR, in der man die klassische Kultur pflegte und nicht auf die Kosten achtete wie im westlichen Deutschland, Die Untertanen der DDR gingen auch gerne ins Theater, weil außer Westfernsehen und Jubelveranstaltungen für die SED sonst nichts los war. Das Theater wird betrieben von den beiden Städten Nordhausen und dem 20 km entfernten Sondershausen, das Sitz des Loh-Orchesters ist, welches Musiktheateraufführungen in Nordhausen begleitet. Die Zusammenarbeit mit der Presseabteilung war freundlich und problemlos.



Wegen des Umbaus des Theaters wurde an gleichem Ort im Anbau gespielt, in dem 320 Besucher Platz finden. Der Zuschauerraum ist stark ansteigend, so dass alle gut sehen können. Da es im Anbau keinen Orchestergraben gibt, spielte das Orchester aus den Kulissen. Die Sänger können also den Dirigenten nicht sehen und bekommen ihre Einsätze über Bildschirme mitgeteilt. Einen Souffleurkasten sah ich nicht. Aber es klappte alles schon bei der Premiere. Das Theater war ziemlich voll mit nur wenigen freien Plätzen. Das Publikum war altersmäßig gut durchmischt mit vielen Besuchern der jüngeren und mittleren Generationen. Auch hier ein Unterschied zu vielen Statdttheatern im Westen, wo manche Theaterdirektoren verzweifeln: Mir stirbt mein Publikum weg.



Die Aufführung begann mit einer projizierten Szene aus Mozarts Don Giovanni, den E.T.A. Hoffmann bewunderte, Stella sang die Donna Anna, doch ihr Gesang wurde von einem Schwächeanfall unterbrochen, und sie wurde von drei Männern in ein Krankenbett gebracht. Es folgten flotte Auftakte. Bitte etwas mehr maestoso. Donna Anna wurde von zwei Sanitätern in ein Krankenbett gebracht, denn sie ist ja eines der Opfer des ruchlosen Don Giovanni alias Giacomo Casanova. Hoffmann wollte sie besuchen. Eine weiß gekleidete und lorbeerbekränzte Muse trat auf. Eine ziemlich lange Selbstdarstellung der Muse folgte, Die verwandelte sich dann in einen Schulbuben mit Ranzen und in kurzen Hosen. Lindorf trat auf und wollte den Arzt bestechen, damit er ihm den Brief Stellas an Hoffmann aushändigt, was ihm auch gelang. Und schon gab es den wichtigen ersten Szenenapplaus für den Lindorf. Dieser trug ein blutrotes Teufelszeichen auf der Stirn.



Hoffmanns Freunde bestanden aus nur einem Mann, und für den sang er den Kleinzaches. Als er zu Stella überging, setzte er sich an ihr Bett und bekam Applaus für seinen hellen Tenor. Und schon war nach erträglichen 30 Minuten der erste Akt vorbei, der ohne Wirt Lutter stattfand, Das Publikum applaudierte.


Damit waren wir im Olympia-Akt. Wieder stand vorne links ein Krankenbett, oder sagen wir eher ein Klinikbett, denn Olympia wurde ja vom Physikus Spalanzani zusammengenäht. Das klare Bühnenbild bestand aus senkrechten Stelen, auf die sich bewegende Augen projiziert wurden. Mit viel Mimik sang Niklaus die Gockelarie um Hoffmann zu warnen, doch vergeblich, und bekam ihren verdienten Applaus dafür. Dann trat der Augenlieferant Coppelius als Metzger auf. Die Regie schien drastische Bilder zu mögen. Warum nicht? Professor Spalanzani war offensichltich wieder Arzt. Zwei seiner Pfleger trieben allerlei Schabernack am Bett der Olympia. Für die trois ducats des Coppelius gab es wiederum Applaus. Der Arzt Spalanzani erinnerte mich irgendwie an den französischen Komiker Louis de Funès.


Der Chor bei Spalanzani war einheitlich als Krankenschwestern gekleidet, auch die Männer. Applaus für seinen Auftritt. Eine blonde Olympia im blauen Kleid mit schwarzem Haarband und Petticoat trat auf, Sah nicht Alice im Wonderland im Zeichentrickfilm vor Jahrzehnten so aus? Präzise kam das Lob des Chores auf Olympias Augen. Olympia gerierte sich als tänzelndes mechanisches Püppchen. Mit ausdrucksvoller Mimik begleitete sie ihre Arie. Wenn sie schwächelte, wurde sie von einem Tablet wieder auf Zack gebracht. Olympia wurde auch mit einem Staubsauger und einer Teigschüssel als Hausfrau präsentiert. Neckisch trippelte sie über die Bühne. Kräftiger Applaus für ihre souverän vorgetragene Arie. Dann kam der Schlachter Coppelius und erstach die Olympia. Hoffmann wurde verlacht, und Spalanzani war bestürzt. Applaus für diesen gelungenen Akt.



Im Antonia-Akt stand wieder vorne links ein Krankenbett als Running Gag, der aber in diesem Fall dazugehört. Neben einem Trichtergrammophon stand ein gerahmtes Bild der Mutter im Bühnenkleid. Von einem Arzt bekam sie eine Infusion. Für ihr seelenvoll vorgetragenes Auftrittslied bekam sie verdienten Applaus. Auf der Bühne zog der Herbst ein. Ein verspielter Franz musste wohl sein, aber erfreulicherweise hatte man seinen Auftritt verkürzt. Applaus für ihn. Besser gefiel mir die wunderschöne Geigenarie der Muse, die ebenfalls beklatscht wurde. Hoffmann saß dazu an einem Cello, dem Instrument Jacques Offenbachs.



Überzeugende Duette der beiden Liebenden folgten nach dem Wiedersehen. Zum zweiten setzte sich Niklaus an´s Cello. Als Vater Krespel hereinkam, versteckte sich Hoffmann unter dem Bett der Antonia. Es donnerte, als Docteur Miracle auftrat. Am leeren Krankenbett vollzog er seine Pseudodiagnose. Es begann zu schneien, als Mirakel seine Therapie beschrieb.


Die Stimme der Mutter erklang vom Grammophon, aber dann erschien sie selbst, aber wie makaber: Ihr Gesicht bestand aus einem Totenkopf.mit roten Haaren darüber. Vater Krespel kam zum Terzett hinzu und versuchte, Antonia am Singen zu hindern, doch vergeblich. Es begann wieder zu schneien. Zu den letzten Takten des beeindruckend gesungenen Terzetts tanzte Vater Krespel mit seiner verstorbenen Frau. Mirakel tauchte wieder auf, um den Tod der Antonia zu bestätigen. Kräftiger, langer Applaus für diesen gelungenen Akt und einzige Pause, die aber ziemlich kurz war.



Zu Beginn des Giulietta-Aktes stand vorne links kein Bett (warum eigentlich nicht ein Lotterbett?) sondern eine Badewanne. Sollte damit auf Venedig angespielt werden? Und wieder einmal pfiff zur Barkarole eine Piccoloflöte, die das lauteste Instrument war. Ein großes Pentagramm leuchtete, ein Drudenfuß, ein Teufelssymbol, wie es auch der Widersacher während der ganzen Oper auf der Stirn trug. Der Chor war in Schwarz gekleidet und trug schwarze Augenmasken. Giulietta war erstaunlicherweise in einer Art züchtiger Schwesterntracht gekleidet. Schlemihl trug auch Weiß und hatte einen Lorbeerkranz auf dem Kopf, wie ein antiker Dichter. Als einzige Anspielung auf ein erotisches Ambiente hüpfte ein Playboyhäschen in schwarzem Mieder herum. Dapertutto sang die korrekte Diamantenarie, also das von Jacques Offenbach komponierte Original, und zwar die Staccatoversion. Gut so!


Dann entledigte sich Giulietta ihres Umhangs und zeigte sich im kleinen Schwarzen. Hoffmann und Giulietta vergnügten sich in der Badewanne. Zur Wiederholung der Barkarole pfiff wiederum das Piccolo, aber zum Duell passt ja eine gewisse Schärfe. Giulietta schaute ungerührt dem Duell Hoffmann – Schlemihl zu, in dem Hoffmann mit einem Standleuchter auf den Schlemihl einschlug. Dann gab sie Hoffmann den Schlüssel zu sich, warnte ihn aber sofort, zu verschwinden. Doch Hoffmann besang ungerührt seine Liebe zu ihr und bekam Applaus. Dann erfolgte der Raub des Spiegelbildes, der ziemlich unspektakulär mit einem Handspiegel dargesellt wurde. Für Hoffmanns Spiegelbild bekam Giulietta von Dapertutto ein Geschmeide. Hoffmann erkannte, dass er betrogen worden war und erstach Giulietta. Applaus für diesen Akt.


Zum Finale lag Stella wieder in ihrem Bett und hing am Tropf. Hoffmann verzweifelte an seinem Schicksal und trank aus einem Flachmann. Er griff sich an den Kopf: Was habe ich nur getan? Dann erklang der à cappella Männerchor. Den Schluss des Klein-Zaches sang Hoffmann an den Schüler. Die Muse kam wieder mit Lorbeerkranz. Der Don Giovanni wurde wieder angedeutet, und Hpoffmann drückte das Bühnenkleid der Donna Anna an sich. Zum Finale sang die Muse von der Asche seines Herzens und trocknete seine Tränen.



Dann folgte ein mir neuer Schluss. Dass die drei Verflossenen wieder auftauchen, hatte ich schon öfter gesehen, aber dass sie Hoffmann zu seiner neuen Liebe mit der Muse Glück wünschten, das war neu. Ein guter und versöhnlicher Einfall. Das Vergangene ist vorbei, die Zukunft steht euch offen. Und Vorhang.



Dann erlebte ich etwas, was ich in dieser Spontaneität noch nie gesehen hatte. Ich glaube, es waren weniger als 30 Sekunden, bis das Publikum aufstand und stehend Applaus spendete, und den nicht zu wenig. Leider störten ein paar Pfifferlinge, offensichltich vom Fußballplatz des 1. FC Nordhausen den Applaus, Nach fünf Minuten kam das Orchester mit den Instrumenten, soweit tragbar, in den Zuschauerraum, und nun sah man endlich, dass die Herren in Frack mit weißer Fliege gekleidet waren. Die Damen durften kleines Schwarzes tragen. Jubel für alle, und nach acht Minuten beendete der Vorhang den hochverdienten Applaus, der meiner Einschätzung nach locker über die zehn Minuten hinaus gegangen wäre. (Der von mir erlebte Rekord liegt bei 14 Minuten.)


Anschließend lud das Theater Nordhausen sein Publikum zu einer gut besuchten Premierenfeier ein, auf der ich auch alte Bekannte vom »Hoffmann« des Jahres 2008 wieder traf. Bei Gesprächen mit Premierenbesuchern erfuhr ich, dass Regisseur und Operndirektor Bejamin Prins dem Opernbetrieb in Nordhausen neues Leben eingehaucht hatte. Ich kann mir das gut vorstellen, denn seine lebhafte und nahbare Art muss Ensemble wie Zuschauer einfach motivieren. Die Premierenfeier setzte sich anschließend noch in einer Privatwohnung fort.



Auf der Premierenfeier gelang es, alle vier Frauen Hoffmanns auf ein Bild zu bekommen:




Von links: Giulietta, Antonia, Olympia und Muse

Alle Rechte an den obigen Szenenfotos liegen bei und beim Fotografen...... Wir danken für die freundliche Zusammenarbeit.


Nachtrag zu meinem früheren Besuch in Nordhausen im September 2008

Ich war noch ziemlich neu im Geschäft und beschrieb meine »Hoffmann«-Berichte auf der Seite www.jacques-offenbach.de des Hamburger Juristen Marcus Ebeling, die aber inzwischen wegen Arbeitsüberlastung des Betreibers geschlossen ist. Marcus Ebeling motivierte mich 2007, Opernkritiken zu schreiben, was ich bis dahin noch getan hatte. Marcus Ebeling reiste aus Hamburg nach Nordhausen an. Unsere gemeinsamen Erlebnisse von 2008 sind beschrieben auf www.myway.de/hoffmann/08-nordhausen.html

Aus Marcus Ebelings Seite www.jacques-offenbach.de mit verschiedenen Themen entstand dann www.hoffmannserzählungen.de. Ich wusste damals noch nicht viel über die komplizierte Aufführungsgeschichte dieser Oper und wagte es noch nicht, Pressekarten zu beantragen, die ich inzwischen von den meisten Theatern bekomme. Nur in Dresden sowie an einigen lateineuropäischen Opern wollte man mich nicht haben. In Stuttgart zählte die Presseabteilung mich nach 89 besuchten und berichteten Inszenierungen nicht zur Fachpresse. Ganz anders der freundliche Empfang in Nordhausen. Wenn es sich ergibt, werde ich diese erfreuliche Inszenierung nocheinmal besuchen. Dank und Glückwunsch an alle Mitwirkenden. Und Dank natürlich an die Städte Nordhausen und Sondershausen, dass sie ein Dreispartentheater und ein klassisches Symphonieorchester betreiben. Von so etwas können zehnmal so große Städte z.B. in Großbritannien nur träumen.

















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