Ein bisschen
Südtirol, ein bisschen Graubünden
–– Teil 2 ––
Am Donnerstag starte ich noch einmal mit dem "Postauto". Am Bahnhof steige ich in die Linie über den Flüelapass ein. Im Gegensatz zum Vortag gilt nun mein Graubündenpass, so ich keine Fahrkarte für den Bus kaufen muss. Am Automaten der Rhätischen Bahn hatte ich mich aber vorher bereits mit einem Fahrschein für den nächsten Reiseabschnitt versorgt, da mein Graubündenpass nur im Süden gilt und ein Abstecher ins nördliche Graubünden bevorsteht. https://www.postauto.ch
Bei der Fahrt über den Pass ist das Wetter nur mittelmäßig – tiefhängende Wolken trüben die Aussicht. Die Flüelastraße endet in der Nähe des Bahnhofs Davos Dorf. Mein Zwischenziel und Endpunkt der Buslinie ist aber der Bahnhof Davos Platz am anderen Ende der Ortschaft. Hier wartet nach der Passüberquerung der zweite Höhepunkt des Tages: ein historischer Zug der Rhätischen Bahn, gezogen von einem sogenannten "Rhätischen Krokodil". Die Lok mit der Nummer 414 wurde 1929 in Betrieb genommen und ist eine von zwei betriebsfähigen Fahrzeugen dieses Typs. https://www.rhb.ch Der Zug verkehrt im Fahrplan der Regelzüge und ist ohne Aufpreis nutzbar. Neben historischen Wagen sind zwei offene Aussichtswagen dabei. Da anfangs das Wetter noch etwas fragwürdig aussieht, entscheide ich mich erst einmal für einen geschlossenen Wagen, bei dem man aber die Fenster großzügig öffnen kann. Gegen Ende der Reise durch das Landwassertal wechsele ich dann in einen Aussichtswagen. Das Flüsschen Landwasser ist berühmt wegen des Landwasserviadukts der Albulabahn. Das überquere ich heute nicht, kurz vor Filisur hat man aber Blick auf Viadukt und untere Albulastrecke. Das (oder die) Landwasser queren wir allerdings mittels des Wiesener Viadukts, das als höchste Brücke der Rhätischen Bahn das Landwasserviadukt deutlich übertrifft. Da die Wiesener Brücke weniger gekrümmt ist, lässt sie sich aus dem Zug allerdings nicht gut fotografieren. Eindrucksvoll ist aber der Blick 90 Meter hinab in die Landwasserschlucht. https://de.wikipedia.org Am Bahnhof Filisur endet die historische Zugfahrt. Ich steige in einen RhB-Interregio um, den ich aber nur eine Station bis Bergün nutze. Hier wurde seit meinem letzten Besuch vor vielen Jahren das Bahnmuseum Albula direkt neben dem Bahnhof angesiedelt. Bei inzwischen gutem Wetter nehme ich mir aber nicht die Zeit für einen ausführlichen Musemsbesuch. Dem im Stil alter Speise- und Salonwagen eingerichteten "Büfèt" kann ich allerdings nicht widerstehen. https://www.bahnmuseum-albula.ch Eine Stunde später geht es weiter mit nächsten Interregio, der als lokbespannter Gliederzug vom Typ Alvra daherkommt. Außer der Tatsache, dass am Ende RhB-typisch ein Güterwagen mit einem Container der Supermarktkette Coop mitgeführt wird, fällt mir im Zug zuerst das Freizeitabteil mit Kinderrutsche auf. Für mich relevant ist dann aber das Fotoabteil direkt hinter der Lok. Die Sitze sind in Längsrichtung in Wagenmitte angeordnet; die Fenster sind frei zugänglich und großzügig zu öffnen. Genau das richtige für das Kernstück der Albulabahn zwischen Bergün und Preda. https://de.wikipedia.org Bei Preda sieht man die Baustelle für den neuen Albulatunnel, der parallel zum bestehenden Tunnel errichtet wird. Ein Neubau ist laut RhB wirtschaftlicher als den alten Tunnel heutigen Standards anzupassen. Als wird vom südlichen Tunnelportal dann Richtung Engadin fahren, wird das Wetter endgültig sommerlich. Das kommt mir entgegen, weil ich noch eine kleine Schifffahrt geplant habe. |
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Nein, der Inn ist im Engadin nicht schiffbar. Aber er durchfließt die vier Seen der Oberengadiner Seenplatte: den St. Moritzersee, den Champfèrersee, der übergeht in den Silvaplanersee, sowie den Silsersee. Und auf letzterem gibt es auf annähernd 1800 Metern Höhe die höchstgelegene Kursschifffahrtslinie Europas. Das Wetter passt, also muss ich dahin. Zu diesem Zweck steige ich in St. Moritz in die Linie 4 von Engadin-Bus um. Der Bus bringt mich nach Sils (rätoromanisch: Segl), wo ich noch ein Stück durch den Ort und dann zum See laufe. Am Anleger liegt das kleine Boot bereit zum Zusteigen. Wir starten mit vier menschlichen Passagieren und einem Hund; unterwegs gibt es aber mehrere Zusteiger. Etwas windgeschützt sitze ich hinter der Kabine draußen und genieße die überwältigende Aussicht auf die den See einschließende Bergwelt.
https://www.sils.ch/schifffahrt
Endpunkt der Schiffstour ist nach 40 Minuten der Anleger Maloja. Auch hier liegt der Ort etwas entfernt vom See, so dass sich wie in Sils ein Fußweg von etwa anderthalb Kilometern ergibt. Maloja liegt als höchster Ort im Engadin knapp unterhalb des gleichnamigen Passes, der auch Namensgeber des im Engadin talabwärts wehenden Malojawindes ist. Ab Maloja nutze ich die Linie 2 von Engadin-Bus. Da der Bahnhof St. Moritz nur mit Umsteigen erreichbar ist, fahre ich weiter bis Pontresina, wo nach kurzer Wartezeit der Zug nach Zernez abfährt. |
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Der Freitag ist leider ein Schlechtwettertag. Aber Programm ist Programm, und Programm ist heute sowieso Bahnfahren. Ich habe einen Graubündenpass für das südliche Teilnetz der Rhätischen Bahn – da ist die Berninabahn unabwendbar, egal bei welchem Wetter. Von Zernez geht es wieder nach Pontresina. Hier ist neben St. Moritz ein Umsteigebahnhof zur Berninabahn. Außer dem Bernina-Express gibt es planmäßig keine durchgehenden Züge zwischen dem mit Wechselstrom betriebenen RhB-Stammnetz und der Gleichstrom-Strecke der Berninabahn. Der Zug der Berninabahn wird angeführt von einem Allegra-Triebwagenzug. Mit einer 1.‑Klasse-Fahrkarte könnte man dort dem Fahrer direkt über die Schulter schauen, da es eine Glaswand zum Führerstand gibt. Mir bleibt nur der Blick durch den völlig leeren 1.‑Klasse-Bereich. Aber immerhin gibt es in der zweiten Klasse zu öffnende Fenster, was sich allerdings wegen Regen zunächst nur eingeschränkt nutzen lässt. https://de.wikipedia.org Hinauf geht die Fahrt zum Berninapass und zum Lago Bianco. Am Bahnhof Ospizio Bernina erreichen wir mit 2253 Metern die Scheitelhöhe. Damit ist die Berninabahn die höchste den Alpenhauptkamm querende Bahnstrecke, fast 900 Meter höher als die niedrigste oberirdische Querung am Brenner. Der sehenswertere Teil der Bahnstrecke folgt aber nach Alp Grüm, wo es in zahlreichen Serpentinen ins Val Poschiavo hinabgeht. Sehenswert sind weiterhin die Vorbeifahrt am Lago Poschiavo sowie in Brusio die Serpentinen oberhalb des Bahnhofs und das weltbekannte Kreisviadukt. https://www.schweizersee.ch Am Ende der Strecke sind wir im italienischen Tirano. Die enge Ortsdurchfahrt teilt sich die Berninabahn zum Teil mit dem Straßenverkehr. In Tirano liegt der RhB-Bahnhof mit seinen Schmalspurgleisen direkt neben dem Bahnhof der Italienischen Bahn. Leider regnet es auch hier, aber zum Glück gibt es in Bahnhofsnähe ausreichend Möglichkeit für eine Mittagseinkehr. Die Rückfahrt erfolgt bei leicht besserem Wetter, und nachdem wir die Serpentinen am Ende des Val Poschiavo erklommen habe, steige ich für eine Kaffeepause in Alp Grüm aus. Das Fotografieren ist wetterbedingt noch immer etwas eingeschränkt. Die Aussicht ist trotzdem beeindruckend, auch wenn sich der Piz Palü in Wolken hüllt und von seinem Gletscher nur ein bisschen zu sehen ist. Auch bei der Fahrt über den Pass entlang des Lago Bianco und
anschließend abwärts nach Pontresina ist es nun etwas heller und
weniger regnerisch als am Vormittag. In Pontresina wartet bereits der Zug ins
Unterengadin, dem ich mich bis Zernez anvertraue. |
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Samstag ist Abreisetag. Geplant ist aber nicht die Rückfahrt nach München, sondern aus familiären Gründen eine Fahrt ins Rheinland. Gebucht ist eine Fahrkarte "Sparpreis Europa Schweiz" der Deutschen Bahn (DB), die vorsieht, dass ich bereits in Landquart in einen ICE steige, und in Basel noch einmal in einen anderen ICE umsteige. Die Buchung war schon etwas schwierig, da just an diesem Wochenende die Schnellfahrstrecke zwischen Frankfurt Flughafen und Köln gesperrt ist. Als die Buchung dann möglich war, empfahl mir das DB-Buchungssystem Umsteigen in Mannheim. Da aber der zweite ICE im Bahnhof Basel SBB beginnt und dort mit größeren Zeitreserve umgestiegen werden kann, änderte ich die Daten entsprechend ab. Und siehe da: Verschieben des Umsteigepunkts machte die Fahrt einige Euro günstiger. Soweit die Theorie. In der Praxis meldet mir die DB-App auf meinem Smartphone bereits am Vortag, dass gleichzeitig mit der Sperrung der Schnellfahrstrecke im Bonner Hauptbahnhof Arbeiten stattfänden, und dass einige ICE noch einmal und mit Fahrzeitverlängerung von der linken auf die rechte Rheinstrecke umgeleitet werden. Das sieht zwar nicht wie ein Qualitätsmerkmal der DB-Baustellenkoordination aus, aber ich habe Glück: Der gebuchte ICE 106 wird weiterhin mit Halt in Bonn Hauptbahnhof angezeigt. Der nächste Unterschied zwischen Theorie und Praxis zeigt sich am Abreisemorgen auf meinem Smartphone. Die Meldung lautet zunächst lapidar, dass ICE 72 ab Landquart ausfällt. Zum Glück habe ich auch eine App der Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) installiert, die mich im Gegensatz zur DB sofort über einen Ersatzzug in gleicher Zeitlage informiert. Mit dem Ersatzzug soll ich dann im Bahnhof Basel SBB den ICE 106 erreichen. Theoretisch. Praktisch fällt dort aber auch die Abfahrt des ICE 106 aus, was ich den schlecht zu verstehenden Durchsagen am Bahnsteig in Basel entnehmen kann. Dafür fährt aber der ICE 72 nun ab Basel SBB, und der soll trotz verspäteter Abfahrt den ICE 106 im Badischen Bahnhof Basels erreichen. Diese Vorhersage erfüllt sich zum Glück und die leichte Abfahrtsverspätung des ICE 106 wird bald aufgeholt. Ärgerlich ist, dass die DB wegen der Umleitung über das Rheintal das Bordbistro vor Frankfurt Flughafen schließt, obwohl die um eine Stunde verlängerte Fahrzeit eigentlich gebietet, nicht auch noch die Versorgung der Fahrgäste zu verschlechtern. Das Mittelrheintal begrüßt mich nach langer Fahrt unter
einer geschlossenen Wolkendecke mit Sonnenschein, so dass meine Kamera noch
einmal zum Einsatz kommt. Im Bonner Hauptbahnhof gibt es ziemliches
Gedränge, da für lange Fernzüge nur noch ein halber Bahnsteig zur
Verfügung steht und nur eine von zwei Bahnsteigunterführungen
erreichbar ist. Wie auch immer: die Reise ist insgesamt problemfrei verlaufen,
und die kleinen Hakeleien auf der Rückfahrt ist man als DB-Kunde sowieso
gewöhnt. Das Chaos im Bonner Hauptbahnhof lasse ich hinter mir, und ein paar
Tage später steht für die Fahrt nach München wieder die
Schnellfahrtrecke zur Verfügung. |
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Fahrplan, Kosten und weitere Informationen
Zuletzt geändert am 25.9.2018 /
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