Dieser Text basiert auf einem Artikel
für die PRO BAHN Post März 2016. Bearbeitungsstand: 14.2.2016 |
Internetzugang im Öffentlichen Verkehr
Wann brauchen wir wieviel WLAN (Wireless Local Area Network) in welchen Verkehrsmitteln? Was ist beim mobilen Internetzugang im Öffentlichen Verkehr technisch und finanziell sinnvoll? Wie sollen die entstehenden Investitions- und Betriebskosten auf Internetnutzer, Fahrgäste oder Steuerzahler umgelegt werden? Alles Fragen, die auch für PRO BAHN relevant sind. Das Thema ist natürlich nicht neu. Allerdings geht Verkehrs- und Digitalminister Dobrindt in den letzten Wochen mit der Forderung hausieren, Bahnunternehmen und Besteller sollten für kostenloses WLAN im Nahverkehr sorgen. PRO BAHN veröffentlichte im Herbst eine Pressemitteilung mit dem Titel "Mobilfunknetze entlang der Bahnstrecken ausbauen". Etwa zur selben Zeit erschien eine Studie mit Kostenschätzungen zum Thema (siehe www.pro-bahn.de/aktuell/aktuell_one.php?sel_id=553&sel_db=25). Aktuell wurde bei einem PRO-BAHN-Treffen im Januar kurz über die Sinnhaftigkeit von WLAN im Münchner städtischen Nahverkehr diskutiert. Die dort geäußerten Gedanken noch im Kopf, sah ich zwei Tage später zufällig im Blog eines DB-Mitarbeiters (derbloggendebahner.de) eine provokante These: "Darum ist WLAN im Nahverkehr gar nicht notwendig". Durch Verlinkung des Blogbeitrags auf facebook.com/pro.bahn konnte der Diskussion auch bei PRO BAHN eine Plattform gegeben werden. Die Argumente der WLAN-Befürworter sind nicht von der Hand zu weisen. Ausländische Fahrgäste tun sich schwer, wenn der Internetzugang nur mittels eines (deutschen) Mobilfunkvertrags funktioniert. Gerade in Deutschland sind Mobilfunktarife eher teuer und die Grenze des Datenvolumens, bis zu dem ein schneller Netzzugriff möglich ist, ist schnell erreicht. Im Übrigen sei Deutschland in Internetfragen vergleichsweise rückständig, und zukunftsweisend sei nur, wenn WLAN möglichst überall und möglichst kostenlos funktioniere. Eher konservative Gegenpositionen äußerten sich in Ratschlägen, dass man auch ein Buch lesen oder aus dem Fenster zu schauen könne. Hinweise auf die Schädlichkeit hochfrequenter elektromagnetischer Strahlung, oder des Rückgangs der direkten menschlichen Kommunikation fehlten ebenso nicht. Ob die Deutsche Bahn die richtige Strategie verfolgt, ist natürlich eine Frage, die man stellen muss. Auffallend ist, dass die Schweizer Bundesbahnen im Gegensatz zur DB nicht auf WLAN setzen, sondern auf Verbesserung der mobilen Verbindungsqualität mittels Repeater. Die Nachteile gegenüber WLAN sind oben bereits erwähnt; Vorteil ist, nicht nur an ein Mobilfunknetz und einen Anbieter gebunden zu sein. Ist der Mobilfunkempfang im Zug schlecht, kann auch ein installiertes WLAN kaum besser sein, da die von außen über Mobilfunk kommenden Daten ja nur auf WLAN umgesetzt werden. Wenn man heute durch einen ICE geht, sieht man, dass der größere Teil der aufgeklappten Laptops inzwischen nicht mehr für berufliche Zwecke genutzt wird. Je mehr Leute dann versuchen, Dienste wie Videostreaming zu nutzen, umso größer werden die Anforderungen an die Bandbreite einer WLAN-Verbindung. Im Zug lässt sich das technisch lösen; bei den von draußen kommenden Daten ist das jedoch kurzfristig kaum verbesserbar. Genau hier liegen die Probleme – die Anwendungen, die das vertragliche Datenvolumen beim Mobilfunk schnell erschöpfen, machen auch die WLAN-Ausrüstung schwierig und teuer. Dass sich die DB bisher recht einseitig an die Deutsche Telekom gebunden hat, war auch eher innovationshemmend. Es arbeiten zwei Konzerne zusammen, die beide über eine wenig wettbewerbsfördernde staatliche Rückendeckung verfügen. In den Augen der Nutzer ist ja immer die DB schuld, wenn Internet im Zug nicht richtig funktioniert. Auch dann, wenn das Problem eigentlich von der Telekom verursacht wird – sei es die schlechte Netzabdeckung oder der mangelhafte Zustand der WLAN-Ausrüstung. Bei der Frage, welche Netze die DB unterstützt, zeichnet sich nun aber eine Verbesserung ab. Die WLAN-Router in den ICE-Zügen sollen künftig als "Multiprovider-System" ausgelegt werden. Zur Speisung des zugeigenen WLAN würde damit nicht nur auf das Telekom-Netz, sondern auf alle deutschen Mobilfunknetze zugegriffen, was zu einer besseren Stabilität des Internetzugriffs führen sollte. Trotzdem sieht DB-Fernverkehrschef Huber die Notwendigkeit, eine Begrenzung des Datenvolumens beim Netzzugriff vorzunehmen. Auch bei den oft als Beispiel genannten Fernbussen gibt es immer wieder Totalausfälle der Internet-Versorgung – nicht jeder Busfahrer ist in der Lage oder willens, sich mit technischen Problemen auseinander zu setzen. Trotzdem tun sich die Fernbusanbieter in einigen Aspekten des Internet-Zugangs deutlich leichter. Die Netzabdeckung an Autobahnen ist meist besser als an Bahnstrecken und die geringere Zahl von Reisenden im Bus senkt die Anforderungen an die Übertragungskapazität. Bei der Einrüstung von zusätzlicher Elektronik in Züge sprechen die Aufsichtsbehörden ein größeres Wort mit, als das bei Straßenfahrzeugen der Fall ist – auch so eine Asymmetrie zu Lasten der Bahn. Ähnlich ist Situation beim städtischen Nahverkehr: bessere Netzabdeckung und meist weniger Internetnutzer pro Fahrzeug als im Bahnbereich. Fazit: Die Diskussion muss fortgeführt werden, ohne die Akteure davon abzuhalten, die Situation des Netzzugangs zu verbessern. Internet- und Mobilfunktechnologie entwickeln sich weiter – mit einer Geschwindigkeit, bei der Großkonzerne und Behörden auch künftig kaum mitkommen werden. Sich wie Verkehrsminister Dobrindt hinzustellen, und von den Bahnen die WLAN-Einrüstung zu fordern, seinerseits aber nichts zu tun, um das zu erleichtern, ist keine Position, die man einnehmen sollte. Edmund Lauterbach |
Quellen und Querverweise
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