Dieser Text basiert auf einem Artikel
für die PRO BAHN Post September 2018. Bearbeitungsstand: 21.8.2018 |
Bahnbaustellenrestverkehr Dieser Artikel ist eine Zwischenbilanz zur Sperrung der Bahnstrecke München – Freising und zu den dafür organisierten Ersatzverkehren. Die Erfahrungen des Autors beziehen sich in erster Linie auf den Schienenersatzverkehr (SEV) mit Bussen zwischen Feldmoching und Freising. Da aber nicht nur die S1 gesperrt wurde, sondern alle Regionalzüge von außen kommend in Freising enden, gibt es auch einen Ersatzverkehr von Freising über den Flughafen nach München. Dafür werden die Züge auf der Strecke der S8 durch die von Feldmoching kommenden S1-Fahrten zu einem 10-Minuten-Takt verstärkt. Einige Züge fahren vom Flughafen weiter über Neufahrn nach Freising. Da wegen der Baustelle nördlich von Neufahrn nur ein Gleis zur Verfügung steht, ist dies maximal im 30-Minuten-Takt und nicht zu allen Tageszeiten möglich. Zusätzlich fahren zwischen Freising und Flughafen-Besucherpark Busse im 10-Minuten-Takt. Einen 10-Minuten-Takt gibt es zu vielen Zeiten (inklusive Samstag/ Für Unmut sorgte bereits in der ersten SEV-Woche, dass ein Großteil der Busse in Freising nicht den direkten Weg nimmt, sondern außen herum über die Autobahn fährt. Wegen der Baustelle der Straßenwesttangente hatten Stadt und Genehmigungsbehörde auf diesem Weg bestanden. Neben dem weiteren Weg werden die Busse auf der vorgesehenen Strecke in Freising von etwa zehn Ampeln aufgehalten. Das führt dazu, dass der bereits entsprechend verlängerte Fahrplan oft nicht eingehalten wird. Während anfangs die Wegevorschrift oft zugunsten der direkten Strecke missachtet wurde, geht es ab der dritten Woche immer über die Autobahn (oder via Pulling). Bei der Fahrt zum Flughafen stiegen nach ein paar Tagen viele Fahrgäste trotz gegenteiliger DB-Appelle vom SEV auf die Linie 635 um, die zwar mehrere Zwischenhalte und einen schlechteren Takt hat, aber insgesamt die kürzere Route fährt. Als Folge des SEV-Umwegs sind, abhängig von der Ankunft der Züge in Freising, manche Fahrten der Linie 635 überfüllt. Das gilt auch für einige SEV-Busse, da die stark verlängerten Fahrzeiten niemanden motivieren, weitere 10 Minuten zu warten. ![]() Provisorische Lärmschutzwand an der SEV-Haltestelle Feldmoching. Neben verspäteten Bussen in der Hauptverkehrszeit tritt beim SEV gerne das umgekehrte Phänomen auf: In Zeiten und auf Streckenabschnitten mit weniger Verkehr sind viele Busse mehrere Minuten zu früh unterwegs. Auch als Ausgleich für die Umwegfahrt nach Freising wird auf dem ersten Abschnitt ab Feldmoching teilweise deutlich vor Fahrplan gefahren. Die oft nur provisorisch angelegten SEV-Haltestellen erlauben meist kein barrierefreies Ein- und Aussteigen. Auch die gerne durch Dienstleister der Deutschen Post blockierte Ausstiegshaltestelle in Freising gehört zu den Erschwernissen. Bezüglich anderer Defizite der Haltestellen wurde zumindest in Unterschleißheim nach zweieinhalb Wochen nachgebessert: Die Stadt stellte Fahrradständer auf und sorgte mittels an den Haltestellen aufgehängter Müllsäcke für Abfallentsorgung. ![]() Alle Busse müssen am Ende der Stichstrecke in Lohhof einmal komplett um den Kreisel herum (der Fotograf sitzt im vierten Bus). Ein großes Problem im Hitzesommer 2018 sind Busse ohne Klimaanlage. Zehn Minuten im Stadtverkehr lassen sich vielleicht auch bei hochsommerlichen Temperaturen überstehen; bei SEV-Fahrten von 45 Minuten oder mehr wird die Fahrt im überhitzten Bus aber vollkommen unerträglich. Auch sonst ist die Ausstattung der Busse SEV-typisch uneinheitlich. Teils werden Durchsagen gemacht, und in einigen Bussen sind die Displays an den SEV-Fahrplan angepasst; in vielen Bussen gibt es aber keinerlei Fahrgastinformation. Da die ungewohnte SEV-Strecke und die Halte abseits der Bahnhöfe die Orientierung erschweren, trifft man immer wieder auf etwas hilflose Fahrgäste. Während die DB versucht hatte, vorab gut zu informieren, ist das bei der aktuellen Fahrgastinformation trotz Hilfsposten an den Haltestellen und einem speziellen Beschilderungskonzept nicht immer der Fall. So enthält die Fahrplanbroschüre leider einige Fehler, was aber in der Kommunikation nicht eingestanden wurde. Verwirrend ist, dass die Auskunftssysteme die Halte der SEV-Busse immer an Bahnhöfen vermuten. Neben falschen Umsteigeverbindungen zur S-Bahn in Neufahrn und zu anderen MVV-Buslinien, ist nicht auszuschließen, dass insbesondere Gelegenheitsfahrgäste, die sich auf ihre Smartphone-App verlassen, zunächst zur falschen Haltestelle laufen. ![]() Drei Busse gleichzeitig in Lohhof – plus die Busse in Gegenrichtung, die oft zur selben Zeit dort sind. Für die Fahrgäste undurchsichtig ist auch die tarifliche Situation. Die DB hat keine Kosten und Mühen gescheut und an einigen SEV-Haltestellen Automaten und Entwerter aufgebaut. Es gibt jedoch auch Haltestellen ohne Möglichkeit des Fahrscheinkaufs oder des Entwertens vorab gekaufter Fahrkarten, und angesprochene Busfahrer ließen bisher jeden ohne Fahrschein mitfahren. Eine Fahrscheinkontrolle wurde bisher nicht gesichtet. Wir kämen als Fahrgäste gerne ohne solch unklare Tarifsituationen aus, weil wir diejenigen sind, denen man im Zweifelsfall versucht, 60 Euro abzunehmen. Alle Bemühungen der DB um gut organisierte Ersatzverkehre konnten allerdings die Fahrgäste nicht überzeugen. Waren in der ersten Woche nach etwa 50 Prozent der sonst üblichen Fahrgastzahlen zu beobachten, so gingen die Zahlen nach zehn Tagen auf vielleicht 20 Prozent zurück. Eine Rolle kann dabei auch der etwas holprige Start gespielt haben. Während es bei den Bussen nur wenige grobe Schnitzer mit Fahrern gab, die zum Teil weit vom Weg abkamen, hatte die S-Bahn in den ersten Tagen zahlreiche Ausfälle zwischen Freising und dem Flughafen, die durch weitere Störungen auf der S8-Strecke und der Stammstrecke ergänzt wurden. ![]() In Eching gibt es am SEV-Halt neben Fahrkarten (Automat steht etwas abseits nicht im Bild) auch Verpflegung. Aber man kann es natürlich auch geplant schlimmer machen. Im Spätverkehr gibt es seit 10. August wegen Stammstreckenarbeiten einen S1-Fahrplan bei dem man in Feldmoching ganze 20 Minuten auf die SEV-Abfahrt warten muss. Noch etwas schlimmer wurde es dann ab 16. August: Man war auf die Idee gekommen, die Streckensperrung für einige Tage bis nach Laim auszudehnen. Dazu wurde der bestehende SEV aber nicht bis Laim verlängert, sondern es wurde – ganztägig – ein davon getrennter Busverkehr in einem ungefähren 30-Minuten-Takt organisiert. Allerdings war der genaue Fahrplan nicht zu ermitteln, weil Fahrplanauskunft und PDF-Fahrplan der S-Bahn-Baustellenseite voneinander abwichen. Ebenso konnte die DB vorab nicht erklären, ob das Umsteigen von SEV zu SEV an derselben Haltestelle funktioniert, oder ob man zu Fuß den gesamten Bahnhof Feldmoching queren muss. ![]() Neben dem Fahrkartenservice für den Bus gibt es in Neufahrn auch Service für Autos (SEV Haltestelle etwas weiter rechts nicht im Bild). Während man beim regulären S1-SEV erkennbar versucht hatte, einiges auf die Beine bzw. Räder zu stellen, zählt bei den Arbeiten an der Stammstrecke und in Moosach die organisatorische und betriebliche Einfachheit für die DB wohl deutlich mehr als irgendwelche Fahrgastinteressen. Was dann im Ergebnis bleibt, hat kaum noch etwas mit einem Angebot für Fahrgäste zu tun. Es ist eher ein Alibiverkehr für den Auftraggeber Freistaat Bayern, der sich das zum Glück für die DB auch gefallen lässt. Die Bayerische Eisenbahngesellschaft (BEG), die im Auftrag des Freistaats den Regional- und S-Bahn-Verkehr in Bayern nach eigener Aussage plant, finanziert und kontrolliert, "geht davon aus, dass die Eisenbahnverkehrsunternehmen die Ersatzverkehre bestmöglich planen, um den Fahrgästen weiterhin ein adäquates Verkehrsangebot bereitstellen zu können". PRO BAHN kann davon in vielen Fällen leider nicht ausgehen. Warum im Titel dieses Artikels von "Restverkehr" die Rede ist, sollte mit Bezug auf die Zahl der Fahrgäste, die der DB in solchen Fällen erhalten bleiben, verständlich geworden sein. Schaut man auf die Zeiten, in denen zusätzliche Baustellen und Störungen hinzukommen, muss man leider sogar von einem Fahrgastvertreibungsverkehr sprechen. An die DB oder die BEG wegen besserer Lösungen zu appellieren, erscheint weitgehend sinnlos. Wer bereit ist, bei der Planung von Baustellen so etwas hinzunehmen, ist für die Belange seiner Kunden kaum noch erreichbar. Dass es überall auch engagierte Leute gibt, erkennt man aber an der Organisation des in vielen Bereichen auch gut durchdachten Ersatzverkehrs. Leider werden diese Bemühungen häufig konterkariert – teilweise aus dem DB-Konzern heraus, teilweise durch äußere Einflüsse wie von Kommunen oder Genehmigungsbehörden. Letztlich bleibt das Fazit, dass Ersatzverkehre mit Bussen, die sich über einen so langen Zeitraum und eine so große Entfernung hinziehen, und so viele Pendler und andere Reisende betreffen, selbst bei guter Planung nur einen kleinen Rest von Fahrgästen halten können. Bereits die langen Fahrzeiten werden von der Mehrzahl der Bahnkunden nicht akzeptiert. Kommen dann ein holpriger Start, scheinbar unmotivierte Umwege, zum Teil völlig unerträgliche Temperaturen in den Bussen, oder zusätzliche Baufahrpläne hinzu, wird es wirklich zur Fahrgastvertreibung. Die DB (und andere) müssen das Baustellenmanagement überdenken. Es reicht nicht, Bauarbeiten in das betriebliche Geschehen einzuphasen. Sie müssen viel stärker mit den Kundenerwartungen koordiniert werden; wie in anderen Unternehmen auch, muss man sich Kundeninteressen zu eigen machen. Dazu gehört, dass DB Netz sich endlich die Lage versetzt, bei allen seinen Planungen auch die Perspektive der Fahrgäste einzunehmen. Edmund Lauterbach ![]() Freising ist Endstation für die Regionalzüge, und die S-Bahn auf Gleis 4 muss die Einfahrt der S-Bahn aus Richtung Neufahrn abwarten, bevor sie auf die eingleisige Strecke darf. |
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