Dieser Text basiert auf einem Artikel
für die PRO BAHN Post März 2021. Bearbeitungsstand: 21.2.2021 |
Quellen und weiterführende Dokumente
Wirtschaftsstandort München und Schienengüterverkehr PRO BAHN kümmert sich als Fahrgastverband hauptsächlich um den Personenverkehr. Als wichtiger Nutzer der Infrastruktur liefert aber auch der Güterverkehr einen Beitrag zur Rentabilität des Schienennetzes, von dessen Erhalt und Ausbau wiederum die Fahrgäste profitieren. Betrachtet man die öffentliche und politische Diskussion in München, so entsteht oft der Eindruck, Schienengüterverkehr wird nur als Last betrachtet. Ein Beispiel ist dafür sind die Planungen zum Bahnausbau zwischen Trudering, Riem, Daglfing und Johanneskirchen. Andererseits bekennt sich die Rathauskoalition explizit zum Wirtschaftsstandort München. Der Münchner Wohlstand hängt an BMW, die IAA wird als Wirtschaftsförderung in die Stadt geholt, Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit gilt als wirtschaftsfeindlich, notfalls werden auch schon verworfene Tunnelprojekte reaktiviert, damit BMW-Mitarbeiter nicht so oft im Stau stehen. Auto, Auto über alles? Hoffentlich wissen die Leute im Rathaus auch, dass in Allach Loks gebaut werden, dass z.B. Knorr-Bremse nicht nur im Automobilsektor Zulieferer ist, sondern auch für die Bahnindustrie, oder dass Bauelemente wie sie beispielsweise Infineon im Raum München entwickelt, nicht nur in Computern und Autos stecken, sondern auch in großer Stückzahl in modernen Loks und Stellwerken. Die Güterzüge stören, die LKW sind irgendwo draußen auf dem Autobahnring? Ganz so ist es nicht. München ist ein wichtiger Industrie- und Logistikstandort. Güterzüge kann man nicht aus der Stadt verbannen, auch weil sie hier rangiert und neu zusammengestellt werden, und weil es in Riem ein wichtiges Terminal für den Kombinierten Verkehr gibt. Und die Industrieunternehmen in der Stadt werden massenweise von LKW angefahren. Sogar städtische Betriebe wie die Markthallen lassen zu, dass alles via Straße abgewickelt wird; die Eisenbahnlogistik hat man jahrelang vernachlässigt und ausbluten lassen. Ebenso wie man sich mit den LKW auf dem Mittleren Ring und anderswo arrangiert hat, da ja der Wirtschaftsverkehr auch durch eine Verkehrswende möglichst unangetastet bleiben soll, muss auch die politische Akzeptanz für Güterzüge da sein. Statt sie nun irgendwo hinter Mühldorf oder tief in die Erde verbannen zu wollen, muss die Stadt München die Schienenlogistik fördern. Anders ist ein zukunftsfähiges Verkehrs- und Logistiksystem kaum vorstellbar. Wer das anders sieht, kann auch direkt aufhören, über den Klimawandel und seine Folgen nachzudenken. Die Region Frankfurt hat die Probleme erkannt, die dadurch entstehen, dass zu viel Logistik per LKW abgewickelt wird, und zu wenig mit der Bahn. Ein dort initiierter Lösungsansatz ist die Einrichtung eines "Schienencoachs", der dabei helfen soll mehr Güter auf die Schiene zu bringen. Er soll Unternehmen und Kommunen bei Fragen rund um das Thema Schiene beraten und unterstützen. In Frankfurt handelt man in dem Bestreben, durch Verlagerung von Gütertransporten auf die Schiene das Bahnsystem insgesamt zu stärken, und damit letztlich auch bessere Angebote im Personenverkehr zu ermöglichen. ![]() Vor 30 Jahren gab es in München noch örtlichen Güterverkehr – hier am ehemaligen Südbahnhof. Auch überregional gibt es durchaus Hoffnung auf eine Trendumkehr. Dank vieler privater Betreiber von Güterzügen nimmt der Schienengüterverkehr zu. Selbst DB Cargo scheint mit der neuen Chefin eine kleine Kehrtwende zu vollziehen. Der Einzelwagenverkehr soll gestärkt werden, und es wird ernsthaft versprochen, neue Kunden für die Schiene zu gewinnen. Erst kürzlich war von Minister Scheuer zu hören, dass der Zugang von Unternehmen zur Schiene verbessert werden solle. Unter anderem will das BMVI Gleisanschlüsse und Umschlagpunkte in Städten und Gemeinden stärker fördern. Geld ist also da – was tun, damit es auch zu Ergebnissen führt? Ohne Initiative vor Ort droht das alles zu verpuffen. Wer die fortwährende Erhöhung der LKW-Dichte in unseren Städten stoppen will, muss jetzt handeln. Ein lokaler Kümmerer wäre dazu ein wichtiges Element, auch für den Raum München. Ein solcher "Schienencoach" steht andererseits nicht alleine da. Beispielsweise Programme des Fachverbands europäischer Gütereisenbahnen ERFA oder die Frachtbörse "Freit-One" liefern Werkzeuge und Unterstützung. Beim ERFA-Programm ist sogar das bayerische Verkehrsministerium mit einer Anschubfinanzierung dabei. Wie schaffen wir es, dass die Saat einer Wiedererweckung regionaler Schienenlogistik auch in München Früchte trägt? Bisher ist hier ein Ende des Niedergangs nicht zu erkennen. Von den ehrgeizigen Zielen der 1990er-Jahre mit einem dezentralen Güterverkehrskonzept wurde nichts umgesetzt. Das negative Fazit einer städtischen Studie zu Gleisanschlüssen im Jahr 2012 führte zu keinen Aktivitäten. 2015 schrieb die Süddeutsche Zeitung im Zusammenhang mit dem Wegfall der letzten innenstadtnahen Verladestelle an der Friedenheimer Brücke: "Der Zug ist abgefahren". Im Februar 2020 fiel bei einer Präsentation im Bezirksausschuss Sendling unangenehm auf, dass in den Plänen für die neue Großmarkthalle kein Gleisanschluss vorgesehen ist. Dass die Stadt dort kein umweltgerechtes Logistikkonzept vorsieht, war allerdings schon Jahre vorher beschlossen worden. Die misslungene Vorbildfunktion Münchens strahlt natürlich auch aufs Umland ab, wo DB Netz seit vielen Jahren Anschlussgleise und Ladestellen zurückbaut (bekannte Beispiele: Neufahrn, Lohhof, Weilheim u.v.m.). Ist also auch für München noch Zeit zum Umsteuern? Letztlich wissen wir alle: der Klimawandel lässt uns keine andere Chance, als aktiv zu werden. Wenn der zuletzt viel beschworene Wirtschaftsstandort München in irgendeiner Form erhalten bleiben soll, geht das nur mit anderen Konzepten als heute. Wenn Unternehmen weiterhin für den Wohlstand der Region sorgen sollen, kann die Basis nicht immer mehr LKW-Verkehr sein. Wir brauchen sehr bald eine neue Initialzündung an der Schnittstelle zwischen Bahn und Unternehmen vor Ort. Ein Güterverkehrszentrum als Basis für Schienenlogistik abseits des Containerumschlags wäre ein guter Start, und der "Schienencoach" ist ein Weg, Dinge anzuschieben. Aber egal wie – München muss beginnen, Probleme zu lösen, statt in Form der Großmarkthalle neue zu schaffen, oder einfach den Schienengüterverkehr an den Rand der Wahrnehmung zu drängen. Edmund Lauterbach |
© Edmund Lauterbach – 21.02.2021 /
Impressum / Kontakt