Sonntagmorgen, 8:56 Uhr München Ost: Der Regionalexpress
Richtung Salzburg fährt wegen Bauarbeiten nur bis Traunstein. Aber
das stört heute nicht weiter, für uns ist bereits in Bad Endorf
Endstation. Das heißt: Genaugenommen geht es dort erst richtig los.
Denn ab Bad Endorf verkehrt an Sonntagen die Lokalbahn Endorf –
Obing.
Schon bei der Einfahrt in den Endorfer Bahnhof ist der schön
aufbereitete dunkelrote Dieseltriebwagen zu erkennen. Dieser von der
Maschinenfabrik Esslingen 1952 ausgelieferte Triebwagen ist nach einigen
Stationen nun bei den Lokalbahnern gelandet.

Auf dem Bahnsteig können wir bereits unsere Fahrscheine erwerben.
Dann geht es los. Bei schönstem Wetter wissen wir die Rundumsicht und
die offenen Fenster zu würdigen. Unterwegs müssen einige
Bahnübergänge noch manuell gesichert werden. Insgesamt geht es
aber so gut voran, daß der Fahrplan an den Stationen kurze
Aufenthalte hergibt. Dabei kann man zum Teil noch alte Stationsgebäude
oder auch abgestellte, teils auf Aufbereitung wartende Eisenbahnfahrzeuge
anschauen. Insbesondere der zweite Teil der Strecke ist landschaftlich recht
interessant.
Nächste Station: Obing. Der Triebwagen fährt bis zum Prellbock.
Auch hier steht auf dem Nebengleis weiteres Fahrzeugmaterial. Für unsere sechsköpfige Gruppe ist hier zwar die Fahrt, aber lange noch nicht unser
Ausflug beendet. Weiter geht es mit der natürlichsten aller
Fortbewegungsarten: zu Fuß.
Nachdem wir den richtigen Weg aus Obing hinaus gefunden haben, wandern wir
Richtung Südosten nach Großbergham. Dort gibt es zwei
Möglichkeiten den Weg fortzusetzen: Nach Süden über Talham
oder zunächst weiter südöstlich Richtung Griessee. Ich
entscheide, daß der Weg am See entlang wohl der schönere ist. Das
mag zwar richtig sein, trotzdem wird sich die Entscheidung als Fehler
herausstellen.
Am Griessee gibt es Badeplätze, und daher muß heutzutage auch
ein großzügiger Parkplatz in der Nähe sein. Auf diesen treffen
wir etwa einem Kilometer hinter Großbergham. Ab hier stehen verschiedene
Routen zur Wahl. Wir nehmen einen Weg, der zunächst geschwungen in ein
Tal hinabführt und dann in einem Waldstück verläuft.
Nach dem Waldstück kommen wir an eine Wiese mit Bienenstöcken.
Hier ist die Wegfindung etwas schwierig. Hinter einem Schilfgebiet ist jedoch
der See zu erahnen, und die Karte sagt eindeutig, daß wir am westlichen
Seeufer entlang müssen.
Unser Weg windet sich schmal zwischen Wald und Schilf mit Blick auf den
See. Die Schönheit des Weges wird aber leider von einer einmaligen
Mückenplage beeinträchtigt. Niemand von uns kommt ohne Stiche weg.
Man kann nicht stehenbleiben, um die Stiche zu verarzten, weil Bewegung das
einzige ist, das die Mücken etwas abhält.
Am Südende des Sees überqueren wir einen Steg und gelangen in ein
weiteres Waldgebiet. Auch hier gibt es noch zu viele Mücken. Trotz
eingeschränkter Beschilderung finden wir den richtigen Abzweig leicht
rechts bergab, und stoßen bald auf eine schmale Straße. Endlich hat
die Mückenplage nachgelassen. Nach einer Kurve kommt der nächste See
in Sicht: der Seeoner Klostersee mit dem auf einer Halbinsel thronenden
Kloster. An diesem See und auch im weiteren Verlauf der Wanderung werden wir
trotz einiger Gewässer keine Probleme mehr mit Mücken haben.
Wir wenden uns nach rechts und erreichen am Ufer entlang das Kloster. Da
inzwischen 12 Uhr vorbei ist, liegt die Einkehr auf die Terrasse der
Klostergaststätte nahe. Dies stellt sich leider als zweiter Fehler des
Tages heraus. Obwohl es draußen nur eine eingeschränkte Karte mit
Speisen vom Grill gibt, haben Küche und Bedienung die Situation nicht im
Griff. Wir warten zu lange und eines von sechs Essen wird auch noch vergessen.
Später als geplant brechen wir vom Kloster auf. Über den
Klostersteg erreichen wir die Nordseite des Sees und den Ort Seeon. Nachdem wir
auch hier den richtigen Abzweig gefunden haben, sehen wir in der Altenmarkter
Straße gleich zwei Gasthöfe, die sich wohl für unsere
Mittagspause besser geeignet hätten.
Von Seeon aus geht es Richtung Osten zur Alz. Diese erreichen wir in einem
Flußbogen, wo sich ein für schönes Wetter wohl
charakteristisches Bild darbietet: das Flüßchen ist übersät
mit Schlauchbooten. Sich von der sehr mäßigen Strömung treiben
zu lassen ist ganz offensichtlich eine beliebte Freizeitaktivität.
Unser Weg wendet sich alzaufwärts nach Süden. Wir folgen allerdings
nicht der ausgedehnten Flußschleife, sondern wählen eine direktere
Route. Über einen Hügel hinab erreichen wir Truchtlaching.
Alzbrücke, ein Flußschwimmbad, ein Biergarten direkt am Ufer und die
zahlreichen Schlauchboote bieten ein geradezu malerisches Bild.
Den Ort durchqueren wir von Nord nach Süd, halten uns allerdings am
Ortsende westlich der Hauptstraße. Richtung Südwesten geht es zum
Weiler Stöffling. Hier müssen wir noch einmal abbiegen. Dann kommt
auch schon Seebruck in Sicht und die Nachmittagshitze wird durch eine vom
Chiemsee heraufkommende kühle Brise erträglich.
Leicht abwärts erreichen wir ein Waldgebiet und nochmals das Alzufer.
Dann sind wir in Seebruck. Es bleibt etwas Zeit, die wahlweise für ein
Eis oder für ein Bad im Chiemsee genutzt wird. Um 16:20 Uhr wechseln
wir nochmals das Transportmedium: Zu Wasser geht es mit dem Fahrgastschiff
"Josef" über das Bayerische Meer.
Das Schiff ist gut besetzt, es ist jedoch kein Problem Plätze zu finden.
Auf dem Außendeck ist es recht sonnig aber der Fahrtwind kühlt. Das
Schiff fährt zuerst nach Chieming, dann geht es vorbei an der
prächtigen Alpenkulisse zur Fraueninsel. Hier kommt uns der Raddampfer
"Ludwig Fessler" entgegen. Nach einem weiteren Halt an der Herreninsel
erreichen wir Prien-Stock.
Etwas ermüdet von mehr als 15 Kilometern Wandern möchten wir die
Distanz zum Bahnhof Prien mit der dampfbetriebenen Chiemseebahn zurücklegen.
Leider gibt es einen kleinen Dissens um die Fahrpreise. Es existiert ein
Kombi-Fahrschein für Schiff und Bahn, wie vorab im Internet recherchiert
wurde. An Bord des Schiffes hatte man uns jedoch gesagt, daß dieser
Fahrschein nur in Prien verkauft würde. Die Hoffnung, daß daher das
Vorzeigen des Schifffahrscheins in der Chiemseebahn einen entsprechenden Rabatt
erbringt, erfüllt sich nicht. Reisende, die woanders als in Prien starten,
werden also benachteiligt. So zahlen wir statt 7,65 Euro pro Person
(Kombiticket inkl. Rabatt aufgrund unseres zur Anreise benutzen Bayerntickets)
nun 9,60 Euro. Ich habe das zum Anlaß genommen, eine Diskussion zur
Tarifgestaltung mit dem Betreiber zu beginnen, die noch nicht abgeschlossen ist.
(siehe Nachbemerkung).

Die Fahrt mit der Dampfbahn genießen wir trotzdem, auch wenn es einen
weiteren negativen Punkt gibt: Die Anschlüsse in Prien zu den Zügen
Richtung München könnten kaum schlechter sein. Wir sehen den leicht
verspäteten Zug, der um 18:09 Uhr fahren sollte, gerade noch aus der
am Bahnhof ankommenden Chiemseebahn (Planankunft 18:13 Uhr). So vertreiben
wir uns eine knappe Stunde am etwas unwirtlichen Priener Bahnhof.
Die um 19:09 Uhr nach München fahrende Regionalbahn ist ebenfalls
leicht verspätet. Trotz der vielen in Prien und an anderen Stationen
einsteigenden Radler und den damit verbundenen längeren Halten, gelingt es
dem Lokführer bis München Zeit gutzumachen. So ist (fast schon wider
Erwarten) mein Anschluß in München Ost auf die S1 gesichert. Umso
mehr, als es die DB wieder einmal nicht schafft, die S-Bahn vom Betriebswerk
Steinhausen pünktlich als Leerfahrt zuzuführen. Aber das ist ein
anderes Thema und wird die erfreuliche Gesamtbilanz des Tages ebensowenig
trüben, wie die anderen unschönen Kleinigkeiten. Was sind schon
zwölf Mückenstiche und knapp zwei Euro mehr bezahlt als erwartet,
im Vergleich zu einem wirklich gelungenen Ausflug?
Nachbemerkung: Die Firma Chiemsee-Schifffahrt
Ludwig Feßler KG hat in einem Schreiben die Randbedingungen und die
Motive für ihre Tarifgestaltung dargelegt. Insbesondere die schwierige
wirtschaftliche Situation der Chiemseebahn setzt dabei wohl enge Grenzen.
Herr Feßler hat dennoch zugesagt, zu prüfen, ob es eine mit
vertretbaren Aufwand umsetzbare Lösung gibt, die die hier kritisierten
Punkte verbessert.
|