Der Text erschien als Artikel in der Ausgabe 8/1999 der PRO BAHN Post. Die Probleme mit den für Hannover vorgesehenen S-Bahn-Zügen waren zu dieser Zeit noch nicht bekannt. Aktueller Anlaß war damals eine Pressemitteilung der DB, nach der viele Behinderungen durch Baustellen im Schienennetz auf Vorbereitungen für das erhöhte Verkehrsaufkommen während der Expo 2000 zurückzuführen seien.


 

Die EXPO 2000 und die Probleme ihres "Official Carriers"

Die Bahn hat ein Problem weniger! Nach Einsetzung hochdotierter interner Arbeitskreise, wochenlangen Tagungen und heftigstem Brainstorming, lieferten die Krisenkommissionen jetzt ein Ergebnis, das Mitte Juli der Presse vorgestellt wurde: Die Probleme der Bahn sind im Wesentlichen durch die Expo 2000 verursacht!

Diese fast geniale Krisenbewältigung hat mehrere Vorzüge: sie ist nicht nachprüfbar, sie trägt noch mindestens ein Jahr, mit zunehmender Nähe des Ereignisses (oder gar während der Expo) lassen sich die Krisenszenarien mit gleicher Begründung noch drastisch steigern. Und endlich hat das Expo-Sponsoring eine Wirkung gezeigt, die an keinem Fahrgast unbemerkt vorübergeht!

Wenn ich also demnächst mal wieder in Freising ewig auf den Bus warten muß, hat das folgende Begründung: Der Bus kommt zu spät, weil er die S-Bahn abgewartet hat. Diese hatte Verspätung, weil unterwegs ein verspäteter RE überholen mußte. Der RE war verspätet, weil er einen ICE aus Norddeutschland abwarten mußte (das Szenario klappt auch in anderer Richtung mit Warten in Regensburg auf IC). Und dieser wiederum hatte Verspätung, weil - natürlich - da oben irgendwo und irgendwann die Expo stattfindet!

Ich traue mich kaum noch, beim RAN-Team anzumäkeln, daß mal wieder der Fahrscheinautomat in Unterschleißheim darniederliegt. Wenn ich die DB nötige, ihn zu reparieren, zieht das ja unweigerlich Geldmittel aus der DB-internen Vorbereitung für die Expo ab. Gefährde ich so etwa das Gesamtprojekt? Oder vermindere gar das Budget der DB-Findungskommission für gescheit klingende Ausreden bei globalen Verspätungslagen? Das kann ich natürlich kaum verantworten, da gerade diese Kommission auch nach Ende der Expo dringend gebraucht wird.

Doch halt, da kommt mir die Idee: Wie wär's mit einer Finanzierung der Automatenreparatur durch die Expo-Betreiber unter Anbringung eines Aufklebers "Official Carrier" auf ebenjenem Automaten? Und vielleicht kann man ihn sogar dahingehend aufrüsten, daß man dort demnächst Expo-Eintrittskarten (sorry, das heißt selbstverständlich Tickets) erwerben kann. Das würde den Automaten noch etwas cooler machen, als er nach der kürzlich erfolgten MVV-Tarifrevolution ja eh' schon ist. Und überhaupt: Unterschleißheim als Teil der Expo-Community - da schaut man doch über so manche DB-verursachte Verunstaltung im Bahnhofsbereich hinweg.

Und so findet alles letztlich doch sein Gutes, und die Expo verhilft Unterschleißheim zu einem funktionierenden Fahrscheinautomaten. Und sitze ich mal wieder in einem verspäteten ICE, werde ich mich nur noch beschweren, falls am Triebkopf der Expo-Werbeaufkleber fehlen sollte.  E.L.

 


Nachbemerkung: Inzwischen ist die EXPO lange vorbei, die Probleme des Unternehmens, das sich den Aufkleber "Official Carrier" auf seine Fahrzeuge klebte, jedoch nicht. Beim Ausdenken von Gründen, warum etwas nicht so funktioniert, wie es die Kunden erwarten, kann man zwar nicht mehr auf die EXPO zurückgreifen, ansonsten ist man auf diesem Gebiet weiterhin kreativ.

 


 

Official Carrier – Part Two

 


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