Dieser Text basiert auf einem Artikel
für die PRO BAHN Post März 2010. Bearbeitungsstand: 10.2.2010 |
Neues vom MVV-Tarif
Teurer ist nicht teuer genug Im Dezember erhöhte der Münchner Verkehrsverbunds seine Preise um durchschnittlich 4,5 Prozent. Bahnfahrten außerhalb des MVV-Gebiets wurden im Durchschnitt 1,8 Prozent teurer – nach einer Preissteigerung von 3,9 Prozent ein Jahr zuvor. Wer glaubt, Verbund und Unternehmen gäben sich mit den Erlösen aus dieser Verteuerung zufrieden, der wird leider enttäuscht. Als zusätzliche Einnahmequelle haben sich der MVV und die Bahnunternehmen ausgerechnet die Leute ausgesucht, die, weil sie von außerhalb des Verbundgebiets ins städtische Verkehrsnetz Münchens fahren, sowohl einen MVV-Fahrschein als auch eine Bahnfahrkarte benötigen. Bekanntlich hat München einen großen Einzugsbereich. Pendler von außerhalb des MVV sind ebensowenig ungewöhnlich wie Arbeitsplätze, deren Erreichen in München ein Umsteigen in Tram, U-Bahn oder Bus erfordert. Genau diese Fernpendler wurden Opfer einer Neuregelung des MVV-Tarifs. Bis zum 12.12.2009 waren MVV-Fahrkarten jeweils ab dem ersten Halt des Zuges im MVV-Gebiet nutzbar. Dies wurde so geändert, dass die MVV-Fahrscheine nur noch ab dem ersten Halt innerhalb ihres Geltungsbereichs genutzt werden können. Die neuen Regeln sind zudem mehrdeutig und sehr verwirrend formuliert. Einzelne Verkehrsunternehmen haben sie aber bereits zu Lasten der Fahrgäste ausgelegt. Daher muss damit gerechnet werden, dass die Nutzung einer Fahrscheinkombination, die dieser einseitigen Auslegung nicht entspricht, demnächst als Schwarzfahren geahndet wird. Was die auf den ersten Blick unscheinbare Neuregelung bedeutet, und wie sich ihre strikte Interpretation preislich auswirken kann, sei beispielhaft dargestellt. Ein Pendler von Pfaffenhofen ins Münchner Messegelände konnte bisher eine DB-Abo-Zeitkarte bis Untermenzing mit einer MVV-Isarcard für die Tarifringe 1 bis 3 kombinieren. Mit dieser Fahrscheinkombination war es erlaubt, ab Pfaffenhofen Regionalzüge zu nehmen, die nicht an der S-Bahn-Station Untermenzing halten. Voraussetzung war ein Halt des Zuges innerhalb des MVV-Gebiets vor Untermenzing. Die große Mehrzahl der Züge hält in Petershausen, einige in Dachau. Seit 13.12.2009 ist das Anstückeln der beiden Fahrscheine in Untermenzing nur gestattet, wenn man die S-Bahn nutzt. Dies wird ein Pendler über eine solche Entfernung vermeiden. Also muss er in den sauren Apfel beißen und seine Fahrschein-Abos so umstellen, dass sie bis und ab Petershausen gelten. Das kostet ihn im Jahr fast 200 Euro mehr, was einer Preissteigerung von annähernd 10 Prozent entspricht. Diese Verteuerung addiert sich zur eingangs erwähnten Tariferhöhung bei MVV und DB. Beispiele wie Paffenhofen finden sich rund um München. Ebenso betroffen sind Münchner, die beispielsweise eine Isarcard für den MVV-Innenraum haben, und schonmal über die MVV-Grenzen hinaus fahren. Wegen der Innenraumkarte reichte für eine Fahrt nach Ingolstadt bisher ein Fahrschein ab Karlsfeld zum Preis von 11,50 Euro. Will man nicht bis Petershausen in der langsamen S-Bahn unterwegs sein, und dort auf den Regionalzug warten müssen, zahlt man ab Hauptbahnhof nun 15,50 Euro. Dies ist eine Preiserhöhung von fast 35 Prozent. Diese zum Teil enormen Preissteigerungen wurden nicht angekündigt. Auf die Idee, eine solche Strukturänderung des MVV-Tarifs zunächst einmal zur Diskussion zu stellen, kam man offensichtlich weder bei Verbund und Verkehrsunternehmen, noch in der Politik, die solche Änderungen genehmigen muss. Die Art und Weise, so etwas einfach von oben zu verordnen, entspricht nicht dem, was man sich in einer modernen Gesellschaft erwartet. Das Vorgehen ist schlicht von gestern. Zu bedenken ist auch, dass anderswo der Übergang zwischen Eisenbahntarif und Verbundtarif schon immer liberaler als beim MVV gehandhabt wurde. Beispielsweise verlangen Verkehrsverbünde in Nordrhein-Westfalen nicht, dass der Verbundtarif erst ab dem Halt eines Zuges im Verbundgebiet gilt. Die bisherige MVV-Regelung passte vielleicht in die Zeit der Gründung des Münchner Verbunds. Dass man sie nie modernisierte, ist sicher auch dem MVV-Finanzausgleich zu verdanken, den man nicht antasten wollte. Diese überkommenen Regeln nun aber noch weiter zu verschlechtern und komplizierter zu machen, ist eine Dreistigkeit. PRO BAHN hat sich Anfang Februar in Briefen an den Münchner Oberbürgermeister Ude und den bayerischen Verkehrsminister Zeil mit der Bitte gewandt, die Änderung vom 13.12.2009 zurückzunehmen. Zudem wurde eine Prüfung des Tarifübergangs im Hinblick auf die anderswo üblichen moderneren Regeln angeregt. Dies würde den Tarif vereinfachen, und einfache Tarife steigern bekanntlich die Attraktivität des Öffentlichen Verkehrs. Im Anhang sind alte und neue Tarifregeln im
Übergang zwischen Eisenbahntarif und MVV sowie weitere Beispiele zu den
Auswirkungen zusammengestellt. Unter
www.myway.de Edmund Lauterbach |
Anhang 1: |
Werdegang der relevanten Regelung in den Tarifbestimmungen von MVV und DB Beispielhaft werden die Regelungen für den einbrechenden Verkehr zitiert. Die entsprechenden Abschnitte für Fahrten aus dem MVV-Gebiet nach Zielen außerhalb (ausbrechender Verkehr), sind jeweils analog formuliert.
Davon, dass der Zug am erwähnten Bahnhof halten muss, steht dort nichts. Das entspricht auch den Tarifprinzipien der DB und des MVV: In beiden Fällen setzt eine Fahrscheinstückelung – sofern tariflich erlaubt – nicht den Halt des Zuges am Anstoßpunkt der beiden Fahrscheine voraus.
Hier taucht nun das Wort "Haltebahnhof" auf. Dies kann man noch als Präzisierung verstehen, da der MVV-Tarif im einbrechenden Verkehr gewöhnlich ab dem ersten Haltebahnhof im Verbundgebiet gilt – dies war schon länger so und ist keine Verschärfung der Tarifbestimmungen. Diese Regelung wurde im Dezember 2009 erstmalig direkt in die neu gefassten MVV-Tarifbestimmungen integriert und dort dann so formuliert:
Hier ist nun im Widerspruch zur oben zitierten Tfv 612 der Satz so verdreht, dass "innerhalb ihres [der MVV-Fahrkarte] örtlichen Geltungsbereichs" hinter "Haltebahnhof" steht, sodass die Interpretation, dass der Haltebahnhof im Geltungsbereich der MVV-Fahrkarte liegen muss, zwar nicht zwingend ist, aber auch nicht zwingend verneint werden kann. Die Südostbayernbahn hat Ihren Kunden eine Interpretation vorgegeben, allerdings einseitig zu deren Nachteil (und durchaus im Widerspruch zu § 305c (2) BGB und zu den bereits zitierten "Ausführungsbestimmungen der Eisenbahn"):
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Anhang 2: |
Steigende Kosten für die Fahrgäste (Beispiele) Alle Preisangaben beziehen sich auf die Tarife ab 13.12.2009. Eine Gewähr für die Korrektheit der Angaben kann nicht übernommen werden. Quellen für Preisangaben sind Webseiten der Münchner Verkehrs- und Tarifverbund GmbH sowie die Auskunftsysteme für Reiseverbindungen und Zeitkartenpreise der Deutschen Bahn AG. Beispiel 1: Ein Pendler aus Pfaffenhofen arbeitet im Münchner Messegelände. Es ergeben sich folgende Preise für Abo-Zeitkarten:
Beispiel 2: Einstiegsbahnhof Walpertskirchen, Arbeitsplatz in Neuperlach. Fahrweg bis München Ost, dort Umsteigen in die U-Bahn. Bisherige Fahrscheine: DB-Abo bis Feldkirchen plus ein MVV-Abo für die Ringe 2 bis 4. Die Gesamtkosten lagen pro Jahr bei 1489,00 EUR (monatliche Zahlung). Jetzt benötigte Fahrscheine: DB-Abo bis München Ostbahnhof plus ein MVV-Abo für die Ringe 2 bis 3, oder ein DB-Abo bis Markt Schwaben plus ein MVV-Abo für die Ringe 2 bis 8. Die jährlichen Fahrtkosten betragen nun mindestens 1587,40 EUR (monatliche Zahlung / Anstückeln in Markt Schwaben). Dies entspricht einer weiteren Verteuerung der Fahrtkosten von 6,6 Prozent. Beispiel 3: Ein Landshuterin arbeitet im Krankenhaus Schwabing. Bisher hatte sie ein DB-Abo bis Feldmoching und ein MVV-Abo Innenraum, um die U-Bahn-Station Scheidplatz in der Nähe des Krankenhauses zu erreichen. Je nach Schichtbeginn fuhr sie entweder mit einem Zug der in Feldmoching hält und stieg dort in die U-Bahn-Linie U2 um, oder sie nutzte einen durchgehenden Zug und nahm den Umweg über den Hauptbahnhof. Seit 13.12.2009 muss sie sich entscheiden:
Beispiel 4: Ein Münchner besitzt ein MVV-Abo Innenraum (Ring 1 bis 4) und eine Bahncard 50. Für eine Fahrt nach Landshut genügte bis zum 12.12.2009 ein Fahrschein Feldmoching – Landshut zum Preis von 5,75 EUR. Mit dem neuen Tarif muss der Abschnitt Hauptbahnhof – Feldmoching doppelt gezahlt werden, oder es muss bis Freising die S-Bahn benutzt werden. Will man nicht deutlich länger unterwegs sein, erhöht sich der Fahrpreis auf 6,80 EUR pro Person. Dies sind 18 Prozent mehr als bei Anwendung der alten Regelung. Beispiel 5: Ein Rosenheimer arbeitet in Haar. Er fährt abends von seiner Arbeitsstelle schonmal in die Münchner Innenstadt und nutzte dafür bisher eine MVV-Tageskarte Innenraum zum Preis von 5,20 EUR. Für den Heimweg nimmt er ab Hauptbahnhof oder Ostbahnhof einen durchgehenden Zug. Seit dem 13.12.2009 muss er zusätzlich noch einen MVV-Einzelfahrschein zwischen Haar und Grafing zum Preis von 4,80 EUR lösen, obwohl er für diesen Streckenabschnitt bereits eine DB-Monatskarte besitzt. Beispiel 6: Eine Münchner Rentnerin besitzt eine Isarcard60 für den MVV-Innenraum. Regelmäßig besucht sie von Samstag auf Sonntag ihre Tochter in Ingolstadt (beispielsweise um den Eltern ihrer Enkelin ein Ausgehen am Samstagabend zu ermöglichen). Bisher reichte dazu ein Fahrschein ab Karlsfeld – hin und zurück zum Preis von 23 EUR. Seit 13.12.2009 zahlt sie für den Familienbesuch 31 EUR, da der Fahrschein bereits ab München Hauptbahnhof gelöst werden muss. |
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