Dieser Text basiert auf einem Artikel
für die PRO BAHN Zeitung 1/2000
Bearbeitungsstand: 14.11.1999
Surf & Rail

Die Deutsche Bahn verkauft Fahrscheine außer am Schaltern und am Automaten auch über das Internet. Nicht nur normale Fahrkarten sind dort zu haben, sondern neuerdings auch Fahrkarten zu Aktionspreisen. Unter dem Titel "Surf & Rail" werden seit dem 25. Oktober 1999 Fahrscheine angeboten, die es nicht am Schalter gibt. Ist das nur ein Test oder der Beginn einer fragwürdigen Entwicklung?

Der Bildschirm als Reisebüro

Bereits seit einiger Zeit ist es möglich, Fahrscheine der Deutschen Bahn im Internet zu bestellen. Diese Fahrscheine werden bisher per Post zugesandt oder können auch an einem Fahrkartenschalter hinterlegt werden. Die Zahlung erfolgt per Kreditkarte oder einer vorab erteilten Einzugsermächtigung.

Seit Anfang Oktober werden Reservierungen direkt online vorgenommen. Das heißt, die Reservierungsbestätigung trifft via Internet sofort am heimischen Computer ein und kann am eigenen Drucker ausgedruckt werden. Ziel der Bahn ist es, dieses Verfahren auch für den Fahrscheinkauf einzuführen.

Als erster Test hierfür läuft nun seit Ende Oktober das Angebot "Surf & Rail". Hier werden Fahrscheine für 111 ausgesuchte Direktverbindungen zwischen 25 Großstädten online verkauft. Der vom Fahrgast selbst auszudruckende Beleg gilt als Fahrschein. Die Zugbegleiter der betroffenen Züge erhalten Listen, in denen alle für ihren Zug gebuchten Fahrkarten verzeichnet sind.

Surf-&-Rail-Fahrscheine sind nur für durchgehenden Züge von DB Reise & Touristik erhältlich. Die genauen Konditionen sind im Kasten auf dieser Seite aufgelistet. Die Pauschalpreise für Hin- und Rückfahrt betragen je nach Strecke zwischen 75 und 195 Mark. Die Reservierung ist im Preis enthalten. Mit Bahncard erhält man einen Preisnachlaß von fünf Mark. Dies ist zwar ein absolut minimaler Preisvorteil, geht aber zumindest prinzipiell auf die Forderung von PRO BAHN ein, auch auf Sonderangebote einen Rabatt für Bahncard-Besitzer zu gewähren.

Auf der Internet-Seite werden nur die Verbindungen überhaupt angezeigt, die grundsätzlich über Surf & Rail buchbar sind. Aber auch in diesen Zügen sind die verfügbaren Plätze kontingentiert. Es wird jeweils durch ein rotes oder grünes Signal neben der Verbindung angezeigt, ob für den ausgesuchten Zug noch freie Plätze vorhanden sind. Die Buchung von bis zu fünf Plätzen ist möglich, gemeinsame Platzreservierungen für Fahrgäste mit und ohne Surf-&-Rail-Fahrschein sind jedoch nicht möglich.

Im Folgenden nennen wir ein paar Preisbeispiele für Besitzer einer Bahncard. In Klammern wird zur jeweiligen Relation die Preisdifferenz gegenüber einem normalen Bahncard-Fahrschein inklusive Zuschläge und Reservierung angegeben.

Für 190 DM bekommt man beispielsweise München - Berlin (Einsparung 17 DM gegenüber dem Normalpreis mit Reservierung bei Fahrt im Intercity) oder Düsseldorf - München (18 DM / IC), jeweils inklusive Rückfahrt. Für 140 DM geht es von Stuttgart nach Dortmund und zurück (21 DM / IC) oder von Bonn nach München und zurück (48 DM / IC). Ebenfalls für 140 DM kommt man von Berlin nach Köln und zurück (54,50 DM / IC). 34 Kilometer weiter bis Bonn kosten aber bereits 190 DM und man spart gegenüber dem Normalpreis im Intercity inklusive Reservierung nur noch 8 DM.

Für 100 DM kommt man von München nach Frankfurt (57 DM / ICE) oder von Hamburg nach Leipzig (55 DM / IC) einschließlich der jeweiligen Rückfahrten. Für 70 DM sind Relationen wie Frankfurt - Wuppertal (28 DM / IC) oder Essen - Hannover (21 DM / IC) zu haben. Es sind durchaus auch einige Strecken vertreten, auf denen nicht IC oder ICE sondern nur Interregio fahren. Als Beispiel sei die Relation Gelsenkirchen - Saarbrücken genannt, für die Fahrscheine zum Preis von 100 DM verkauft werden. Gegenüber einem normalen Bahncard-Fahrschein mit Reservierung spart man hier 15 DM.

Am Wochenende fast ausgebucht

Was auffällt ist, daß einige Strecken nur von einem der beiden Endpunkte aus gebucht werden können. Beispielsweise gibt es ein Surf-&-Rail-Ticket für die Strecke von Dortmund nach Dresden und zurück. Für den Startpunkt Dresden wird Dortmund aber nicht als Ziel angeboten. Nürnberg kommt nur als Zielort, nicht jedoch als Startpunkt für Surf & Rail in Frage.

Bei einigen Relationen sind annähernd alle Direktverbindungen über Surf & Rail buchbar. Sofern freie Plätze verfügbar sind gilt das auch für Züge und Zeiten, bei denen man bereits eine sehr gute Auslastung erwarten muß. Auf anderen Strecken werden deutlich erkennbar zu bestimmten Zeiten keine Züge mit Surf-&-Rail-Plätzen angeboten (siehe auch Kasten "PRO BAHN hat getestet" auf dieser Seite). Diese Diskrepanz spricht dafür, daß die DB verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten auslastungsabhängiger Angebote testen will.

Aus Sicht einiger Fahrgäste ist dieses Angebot sicher interessant, die Mehrheit der Fahrgäste wird es jedoch nicht nutzen können. Einerseits gibt es die einschränkende Verknüpfung von Internet-Zugang und Kreditkartenbesitz. Andererseits wohnen auch viele Bahnkunden nicht im Einzugsgebiet einer der 25 berücksichtigten Großstädte. Und selbst wenn dies erfüllt ist, heißt das noch lange nicht, daß von diesem Startpunkt eine Verbindung zum gewünschten Zielpunkt angeboten wird.

Wer zusätzlich zum Surf-&-Rail-Preis noch Anschlußverbindungen zu oder von einem der 25 Start- und Zielpunkte zahlen muß, für den wird das Angebot schnell unattraktiv. Außerdem kommt die Möglichkeit eines Anschlußverlustes hinzu, der sich bei Surf & Rail noch unangenehmer auswirkt, als bei anderen Fahrscheinarten.

Aus Sicht der DB mag dieses Angebot ein Markttest sein. Aber hier stellt sich sofort die Frage wofür? Für den Online-Verkauf über Internet? Für ein Angebot mit Pauschalpreisen auf ausgesuchten Strecken und mit einer begrenzten Anzahl von Plätzen in ausgesuchten Zügen? Allein die Verquickung dieser Aspekte läßt die Möglichkeit einer Akzeptanzaussage nach Abschluß eines solchen Testangebots fraglich erscheinen.

Ebenfalls berücksichtigt werden sollte die Zurückhaltung vieler Menschen, ihre Kreditkartennummer über das Internet bekanntzugeben. Die Verbindung zum Buchungsrechner ist zwar verschlüsselt, eine bessere Aufklärung über diese Tatsache durch die DB ist jedoch wünschenswert. Allgemein sollte die Bahn beim Verkauf über Internet auch zukünftig Aspekte der Datensicherheit angemessen berücksichtigen. Gerade weil Surf & Rail ein Test für zukünftige Angebote und Verkaufswege sein soll, muß auf vorhandene Vorbehalte in der Bevölkerung Rücksicht genommen werden.

Als vorübergehender Markttest kann ein Angebot wie Surf & Rail aus Sicht der Fahrgäste gerade noch akzeptiert werden. Für ein Dauerangebot erfüllt es aber eine ganze Reihe von Voraussetzungen nicht, die PRO BAHN an eine vernünftige Tarifstruktur stellt. Wenn es ein Test ist, so sollte die DB die Ziele und Rahmenbedingungen offenlegen. Im Gegensatz zu Versuchskaninchen haben die Fahrgäste ein Recht darauf zu erfahren, welche eventuellen Rückschlüsse aus ihrem Verhalten gezogen werden können.

Daß die Bahn sich viele Freunde macht, wenn zusätzlich zum existierenden Tarifwirrwarr, immer neue temporäre Angebote hinzukommen, ist nicht zu erwarten. Temporäre Sonderangebote haben sicherlich Sinn; ein Ersatz für eine Bereinigung der bestehenden Tarifstruktur können sie aber nicht sein.

Eine Ausweitung der Verkaufsmöglichkeiten über das Internet macht genauso Sinn. Außer für den Direktverkauf an den Endkunden bietet das Internet auch eine Zukunftschance für kleine Fahrkartenagenturen. Dort, wo sich ein Start- oder Kurs-90-Terminal nicht lohnt, kann der Fahrscheinverkauf über einen vorhandenen Internet-Anschluß abgewickelt werden. Nicht nur das Reisebüro wird so zur Alternative zum nicht mehr vorhandenen DB-Schalter, sondern auch Post, Tankstelle oder Supermarkt. Ob solche Verkaufsstellen auch eine Beratung liefern können, oder ob diese vorab über Telefon oder auch online über Internet geschehen kann, muß die Zukunft zeigen.

Wünschenswert sind aber auf jeden Fall die stärkere Vernetzung und Vereinheitlichung der verschiedenen Möglichkeiten zu Informationen und Fahrscheinen zu kommen. Surf & Rail ist hier nur ein kleiner Schritt, der vielleicht auch nicht genau in die Richtung geht, die aus Fahrgastsicht sinnvoll wäre.
 

Literatur



Surf & Rail: Konditionen


Surf & Rail: PRO BAHN hat getestet

Am Montag, dem 8.11.99 haben wir uns vormittags an einen Computer gesetzt und versucht verschiedene Surf-&-Rail-Verbindungen für das nächste Wochenende zu buchen. Wunsch war eine Hinfahrt am Freitagnachmittag und eine Rückfahrt am Sonntagnachmittag, jeweils für eine Person. Die von uns gewählten Verkehrstage entsprechen einerseits dem Bedarf großer Fahrgastgruppen und erfüllen andererseits die Surf-&-Rail-Bedingung, daß die Rückfahrt frühestens am Sonntag nach der Hinfahrt erfolgen darf.

Die Testergebnisse:




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