Dieser Text basiert auf einem Artikel
für die PRO BAHN Post Juni 2004.
Bearbeitungsstand: 12.5.2004
  Biomasse-Transport Garching – Zolling
Güter auf die Bahn?

"Güter auf die Bahn!" – eine politische Forderung seit Jahrzehnten. Oder ist es etwa keine ernstgemeinte Forderung, sondern nur eine Formel für Sonntagsreden?

Seit über zwei Jahren wird nördlich von München um die Frage Schiene oder Straße anhand des Transports sogenannter Biomasse (im wesentlichen Altholz) über 40 Kilometer von Garching-Hochbrück zum Kraftwerk Zolling-Anglberg bei Freising gestritten. Der Kraftwerksbetreiber Eon plante 2002 zunächst einen Straßentransport, obwohl an Start- und Zielpunkt Bahnanschluß vorhanden war. Dies hätte bis zu 100 Lkw-Fahrten pro Tag unter anderem in den Ortsdurchfahrten Langenbach und Haag bedeutet.

Neben einer örtlichen Initiative hatte sich im Laufe des Jahres 2002 auch PRO BAHN in dieser Sache engagiert, und zunächst Kontakte zu Anbietern von Bahntransporten und eines speziellen Lade-/Transportsystem für die in Form von Holzschnitzeln vorliegende Biomasse vermittelt. Begleitend wurden unter dem Titel "Drohende Verkehrsbelastung durch Eon-Kraftwerk" Medien und Politik mobilisiert (siehe PRO BAHN Post 06/02).

Im Dezember 2002 sah es dann nach einem kompletten Sieg aus. Das bayerische Wirtschaftsministerium veröffentlichte eine Meldung "Biomassekraftwerk Anglberg wird über Schiene beliefert / Bayerns Verkehrsminister gelingt Durchbruch bei Verhandlungen" (siehe PRO BAHN Post 01/03). Minister Wiesheu hatte seine Schlagzeile und das Biomasse-Kraftwerk ist im Herbst 2003 in Betrieb gegangen. Nur: Ein Zug ist bisher noch nicht gefahren, angeliefert wird mit dem Lkw.

Im September hieß es in der Presse: "Biomassekraftwerk startet ohne Gleisanschluss" und "Anlieferung auf Schienen verzögert sich, weil Genehmigung fehlt". Insbesondere hatte der Bau der Verladestation am Beginn des Transportswegs in Garching zu diesem Zeitpunkt noch nicht begonnen, sondern das Genehmigungsverfahren dafür war gerade erst eingeleitet worden. In Aussicht gestellt wurde der Bahntransport für August 2004. Während der Bau einer Entladestation am Kraftwerk seit Januar genehmigt ist, gibt es neue Verzögerungen, weil die Anliegergemeinden des Anschlußgleises Lohhof – Garching-Hochbrück Einwände erheben.

Wenn man sich die momentane Diskussion um dieses Verfahren anschaut, kann man an den hiesigen Politikern verzweifeln. Da existiert ein Gleis, das unmittelbar an der Verladefirma AR-Recycling vorbei führt. Für das Gleis liegt eine Genehmigung für 12 Zugfahrten pro Tag vor. Dieses Potential wird von der Firma BMW, die den Bahnanschluß bisher als einzige nutzt, bei weitem nicht ausgeschöpft. Auch mit den Biomasse-Transporten würde die zur Zeit genehmigte Fahrtenzahl nicht erreicht. Trotzdem bricht bei einigen Kommunalpolitikern Hysterie aus, weil man Lärmbelästigungen und Verkehrsbehinderungen durch "Erhöhung der Zugfrequenz" befürchtet.

Die Gemeinde Eching sieht Nachteile für ihre Ortsteile Gut Hollern und Geflügelhof sowie für das geplante Erholungsgebiet Hollerner See. Diese Einwände müssen sicher erwogen werden. Aber: Gut Hollern ist, wenn überhaupt, Lärmemissionen von der Autobahn und der Bahnstrecke München – Freising ausgesetzt. Am Geflügelhof gibt es einen durch Lichtzeichen gesicherten Bahnübergang, der bei langsam fahrenden Güterzügen der Sicherheit vollkommen Genüge tut. Das Anschlußgleis ist hier, ebenso wie die parallel laufende, vierspurige und sicher nicht ganz leise Bundesstraße 13, durch einen Lärmschutzwall von der Besiedlung getrennt. Und wer einen Badesee-Betrieb kennt, muß sich fragen, ob dieser nicht eher selber eine Lärmquelle darstellt, als eine wenige Male pro Tag befahrende Bahnstrecke.

Das beanstandete Gleis kreuzt aber auch die Staatsstraße zwischen Eching und der Bundesstraße 13. Die Vermutung, daß Eching sich den Ersatz des lichtzeichengesicherten ebenerdigen Bahnübergangs durch eine Brücke oder Unterführung erhofft, liegt nahe. Dies ist jedoch einerseits kaum realistisch, andererseits würde es wohl dem gesamten Projekt den Todesstoß versetzen und könnte sogar den Bahnanschluß des BMW-Auslieferungslagers Hochbrück gefährden.

Man schaue sich die Alternative an: Jährlich 20000 Lkw-Fahrten! Verkehrsminister Wiesheu hat sich mit gutem Grund persönlich für die Verlagerung dieser Fahrten auf die Schiene eingesetzt. Eine Verfahrensverzögerung aufgrund der Echinger Einwände richtet mit Sicherheit mehr Schaden an, als die maximal absehbaren Auswirkungen des Zugbetriebs. Das Geschehen ist ein typisches Beispiel dafür, wie Engagement für eine sinnvolle Sache von der Politik entwertet wird. Müssen die Lkw-Fahrer, anstatt in Lohhof auf die Autobahn zu fahren, erst den etwas kürzeren Weg durch das Echinger Ortszentrum nehmen, bevor die Politiker zur Vernunft kommen?

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