Dieser Text basiert auf einem Artikel
für die PRO BAHN Post November 2009.
Bearbeitungsstand: 15.10.2009

 
 

Dokumentation
Wohlfühlstation Unterschleißheim

S-Bahn-Stationen sind sicher Objekte, bei denen es nicht einfach ist, einen Zustand zu wahren, der von den Benutzern dieser Stationen als positiv empfunden wird. Neben der normalen Abnutzung durch Wind, Wetter und viele Menschen, die tagtäglich durch solche Stationen geschleust werden, kommt es immer wieder zu Vandalismusschäden.

Andererseits sind die Nutzer von S-Bahn-Stationen und Bahnhöfen Kunden der Organisation, in deren Eigentum sich der jeweilige Haltepunkt oder Bahnhof befindet. Neben dem allgemeinen Satz, dass Eigentum verpflichtet, kommt also hinzu, dass die Kunden für eine Transportleistung Geld bezahlen, von dem ein Teil vom jeweiligen Transportunternehmen an den Halter der Infrastruktur weitergegeben wird. Aufgrund dessen können die Kunden von demjenigen, der für Bahnhöfe und Haltepunkte zuständig ist, eine gewisse Gegenleistung verlangen. Und den Umfang dieser Gegenleistung kann, wie woanders auch, der Anbieter nicht völlig alleine in eigener Selbstherrlichkeit festlegen, sondern die, die zahlen – die Kunden – sollten sich diesbezüglich nicht beliebig viel gefallen lassen müssen.

Eigentlich alles ganz einfach und selbstverständlich. Trotzdem geht es hier – exemplarisch herausgegriffen – um einen Fall, in dem die genannten Zusammenhänge völlig entgleist sind.

Aufgrund von Schäden am S-Bahnhof Unterschleißheim begann der Autor im Juni 2009 einen Dialog mit dem Bahnhofsmanagement München. Es wurden viele Worte gewechselt – passiert ist leider nichts. Nachdem die Kommunikation mit dem Bahnhofsmanagement Anfang August wegen offensichtlicher Zwecklosigkeit zum Erliegen kam, entstand dann am 21. August eine kleine Fotodokumentation der Zustände am Haltepunkt.

Nicht alles, was auf den Fotos zu sehen ist, liegt in direkter Verantwortung des zuständigen Unternehmensbereichs der Deutschen Bahn AG (DB Station&Service). Es geht um das Gesamtbild, dass den hier abfahrenden und ankommenden Fahrgästen geboten wird. Denn der Eindruck, den die Bahnhöfe insgesamt machen, beeinflusst wesentlich das Bild, dass die Öffentlichkeit vom Konzern Deutsche Bahn AG und seiner Arbeit hat.

Die Fotodokumentation wurde dann am 8. September an den Vorstand der Deutschen Bahn AG geschickt. Antwort kam mit Schreiben vom 28. September von Herrn Stefan Garber, Vorstand Infrastruktur des DB-Konzerns. Die Fotos und die Reaktion der DB darauf kann man sich im Internet unter http://www.myway.de/e.lauterbach/hpush/ anschauen. Dort findet man ebenfalls einen Link zum Firmenprofil der DB Station&Service AG, indem als Firmenziel angegeben ist, dass man Bahnhöfe und Haltepunkte zu Wohlfühlorten machen will.

"Wohlfühlbahnhöfe sind unser Ziel" – eine Aussage, die aus Fahrgastsicht eher auf Realitätsverlust als auf konkrete Absichten deutet. Ist der baulich vergleichsweise neue S-Bahn-Bahnhof Feldmoching, wo die DB die Umsteiger zur U-Bahn seit Jahren Umwege laufen lässt, ein Ort an dem man sich wohlfühlt? Wird Heimeranplatz durch den Bau eines Aufzugs und den Rückbau der (jahrelang nicht reparierten) Rolltreppe zur Wohlfühlstation? Natürlich wird die DB für alles Gründe anführen können. Im Zweifelsfall sind bessere Lösungen oder auch nur das Vermeiden von Unfähigkeit zu teuer. Aber wenn man (finanziell) mit dem Rücken zur Wand agiert, sollte man vielleicht auch Worte wie "Wohlfühlbahnhöfe" einsparen.

Der Begriff Wohlfühlstation tauchte bereits 2004 in einem lokalen Zeitungsbericht auf. Im gleichen Artikel heißt es zum Haltepunkt Unterschleißheim:

"Pläne für den barrierefreien Ausbau liegen nach Information der Bahn längst in der Schublade. Er ist geplant für den Zeitraum 2005/2006. Das Planungspaket enthält auch die immer wieder von den Reisenden geforderte WC-Anlage."
Leider konnten die Pläne für 2005/2006 auch bis 2009 nicht umgesetzt werden. Laut Herrn Garber warten wir nun "voraussichtlich" auf den Zeitraum "ab 2012" – auf die WC-Anlage wohl eher deutlich länger.

Das wäre ja alles nicht so schlimm, wenn man den Eindruck hätte, dass Unterschleißheim ein absoluter Ausnahmefall wäre. Der Eindruck, der tatsächlich entsteht, ist jedoch, dass die DB an Bahnhöfen und Haltepunkten nur noch etwas macht, wenn jemand anderes dafür bezahlt. Die Annahme, dass die Infrastruktur der DB AG aus den Einnahmen des Fahrbetriebs wirklich finanzierbar ist, entlarvt sich immer mehr als ein Truggebilde der Bahnreform.

Und wenn dann etwas gemacht wird, kommen oft genug fahrgastfeindliche Lösungen heraus. So hat die DB in Oberau an der Strecke München – Garmisch den Bau eines neuen Bahnsteigs dazu genutzt, den Weg zu dort haltenden Zügen um etwa 200 Meter zu verlängern. Vom Bahnhofsgebäude und Fahrscheinautomat muss man erst die Hälfte des bestehenden Bahnsteigs entlang, dann über einen öffentlichen Bahnübergang, und dann erreicht man erst das Ende des neuen Bahnsteigs, der nicht mit einer Möglichkeit zum Fahrscheinkauf ausgestattet ist. Oberau ist kein Einzelfall: Wege zu Bahnsteigen wurden bereits in Eschenlohe und Mittenwald unnötig verlängert.

Diese Ergebnisse von Baumaßnahmen sind keine Fortschritte – nicht für die Fahrgäste und nicht für die Bahn. Sie sind abschreckende Beispiele dafür, wie man potentiellen Kunden das Bahnfahren madig machen kann. Mit viel Geld eine insgesamt schlechtere Situation herzustellen ist im Bereich der DB AG leider nicht unüblich. Es zeigt die Unfähigkeit der Verantwortlichen, kundenorientiert zu handeln: man denkt einfach, die Umwege sind hinnehmbar – es trifft ja nur Fahrgäste der Bahn. Dass für den Bahnsteig in Oberau wegen angeblicher Herstellung von Barrierefreiheit auch noch Fördermittel aus Steuergeldern flossen, ist ein Skandal. In Wirklichkeit wurde dieses Geld dazu benutzt, neue Barrieren zu errichten. Die Politik schaut zu.

Schlussbemerkung: Fahrten von Unterschleißheim nach Zielen innerhalb des Gebietes des Münchner Verkehrsverbunds verteuern sich ab Dezember 2009 um durchschnittlich 4,5 Prozent. Fahrten darüber hinaus werden durchschnittlich 1,8 Prozent teurer – nach einer Preissteigerung um 3,9 Prozent ein Jahr zuvor.

Edmund Lauterbach

 


 
 


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