Dieser Text basiert auf einem Artikel
für die PRO BAHN Post Mai 2016.
Bearbeitungsstand: 22.4.2016

 

Quellen und Querverweise
 

 

Verkehrskonferenz München Nord
Viel Straße, wenig Schiene

Am 19. April fand in Dachau die zweite Verkehrskonferenz München Nord statt. Hier treffen sich Kommunalpolitiker und Fachleute aus des Landeshauptstadt und den angrenzenden Landkreisen München, Dachau und Freising um über die unübersehbaren Verkehrsprobleme der Region zu reden. Dabei waren dieses Mal auch Vertreter des Autokonzerns BMW und der bayerische Verkehrsminister Herrmann. Vertreter der betroffenen Fahrgäste waren nicht eingeladen.

Schaut man in die die Verkehrskonferenz begleitende Pressemitteilung von Verkehrsminister Herrmann, findet man auch etwas zum Thema Bahn. Allerdings bestehen die Zukunftsideen zur Schiene aus einem einzigen Punkt, den der Minister und seine Vorgänger bereits seit Jahrzehnten vor sich her tragen: ein zweiter Stammstreckentunnel für München. Zum Thema Verbesserung der für Pendler relevanten Bahnstrecken fällt dem Minister ansonsten wenig ein. Insbesondere kommt die Strecke München – Freising als vom Fahrgastaufkommen her wichtigste Schlagader der Region in keinen Plänen des Ministeriums vor.

Beim Thema Straße ist das Ministerium wesentlich einfallsreicher. Hier lobt man sich für ganzes Bündel von Maßnahmen:

  • Ausbau/Verbreiterung des Autobahnrings A99 (mehrere Abschnitte)
  • Sechsstreifiger Ausbau der A92 von Feldmoching bis zum Neufahrner Kreuz
  • Ausbau der Anschlussstelle Dachau/Fürstenfeldbruck der A8
  • Vierstreifiger Ausbau der B471 (mehrere Abschnitte)
  • Vierstreifiger Ausbau der B13 zwischen Lohhof und Haimhausen

Im Bundesverkehrswegeplan (www.bvwp2030.de, www.bvwp-projekte.de) sind weiterhin kreuzungsfreie Ausbauten der A92-Anschlüsse Ober- und Unterschleißheim berücksichtigt sowie ein achtstreifiger Ausbau der A92 vom Neufahrner Kreuz bis zum Flughafenabzweig. Betrachtet man die Achse von Norden nach München hinein, so kommen als Planung der Landeshauptstadt ein A99-Anschluss nördlich Hasenbergl und ein Tunnel unter der Schleißheimer Straße dazu. In Freising wird die Südwesttangente gebaut und eine Nordosttangente geplant. Ein neues Teilstück der Bundesstraße 301 ist östlich der Isar bereits fertig und wird irgendwann zu einer durchgehenden Trasse von Mainburg bis Ismaning gehören.

Auf der Verkehrskonferenz wurde dann nach Medienberichten noch über den Münchner Eisenbahnnordring, tangentiale Buslinien und Radschnellwege geredet. Das sind alles wichtige und interessante Punkte. Beim Nordring sind die Details einer möglichen Verkehrsführung, die Machbarkeit und das Kosten-Nutzen-Verhältnis noch zu klären. Der Ausbau von tangentialen ÖV-Verbindungen und von Radwegen hinkt bereits seit langer Zeit dem Bedarf hinterher. Die eigentliche Lücke tut sich aber bei den Pendlerverbindungen nach München auf. Ohne eine Stärkung der Bahnachsen, insbesondere zwischen Freising und München, wirken die Programme der Minister Herrmann und Dobrindt wie eine Aufforderung an die Pendler ins Auto statt in die Bahn zu steigen.

Von München nach Freising führt die am stärksten belastete Bahnstrecke ohne eigene S-Bahn-Gleise. Die S1 gehört zu den Linien mit den höchsten Fahrgastzahlen. Sie hat das schlechteste Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage aller S-Bahn-Linien, insbesondere keinen 10-Minuten-Takt in der Hauptverkehrszeit. Sie hat die meisten Verspätungen und Ausfälle aufgrund von Störfällen – selbst bei Störungen auf der Stammstrecke trifft es die S1 meist stärker als andere Linien. Die im Bau befindliche Neufahrner Kurve hilft dem Raum München nicht, erhöht aber die Belastung der Strecke und der Bahnhöfe in Freising und am Flughafen. Dadurch wird die S1 sicher nicht zuverlässiger.

Aus einem Bericht zur Sitzung des bayerischen Ministerrats in Traunstein geht hervor, dass das Ministerium selber erkannt hat, dass für die Strecke München – Freising – Landshut zur Zeit keine Ausbauperspektive besteht. Die Schuldzuweisung dafür erfolgt an den Bund. Allerdings plant dieser im Gegensatz zum auch genannten Streckenabschnitt der S2 bis Markt Schwaben im Norden von München keine Ausbaustrecke für den Fernverkehr. Es ist daher nicht zu erwarten, dass Minister Dobrindt hier Verantwortung übernimmt. Die unklare Abgrenzung, was als Nahverkehrsprojekt vom Freistaat finanziert wird, also beispielsweise zum "Bahnknoten München" gezählt wird, und was der Bund übernimmt, erschweren den Bahnausbau, machen aber das Hin- und Herschieben von Verantwortung umso leichter.

So sehr das Engagement Bayerns im Infrastrukturausbau zu begrüßen ist, es gehört mehr Klarheit und Transparenz in die Aufgabenverteilung. Ein erster Schritt muss sein, den gesamten Ausbaubedarf im Bundesverkehrswegeplan zu berücksichtigen und mit einheitlichen Methoden zu bewerten. Eine Aufteilung der Zuständigkeiten kann dann nach einer solchen Bewertung geschehen. Nur so ist Rosinenpickerei der Bundesländer einerseits und völlige Ignoranz wie bei München – Freising andererseits auszuschließen. Merkwürdigerweise scheint es beim Straßenbau sehr viel weniger Kompetenzgerangel zu geben – es entsteht der Eindruck, dass sich hier Bund und Bayern die Bälle gegenseitig so zuspielen, dass die Zunahme der Asphaltbänder in der Landschaft nördlich Münchens sehr gut abgesichert ist.

Mit seinen Erkenntnissen zu München – Landshut ist Minister Herrmann leider etwas spät dran. PRO BAHN hatte schon unter seinem Vorgänger Zeil die Perspektivlosigkeit der Strecke gerügt. Ausbaupläne der 1990er-Jahre wurden unter Wiesheus Transrapid-Träumen begraben und von seinen Nachfolgern ignoriert. Heute ist man keinen Schritt weiter. Und zur Zukunft: Nordring – schöne Idee neu aufgewärmt; bessere Radwege – wichtig; tangentiale Buslinien – her damit. Trotzdem ist das alles nur Gerede um den heißen Brei herum. Wenn man bei der S1 nicht ganz schnell etwas tut, wird der Autoverkehr im Norden Münchens weiterhin überproportional wachsen. Leiden darunter werden neben der Stadt München viele Ortschaften in der Region, und letztlich die Menschen, die dort leben.

Edmund Lauterbach

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