Dieser Text basiert auf einem Artikel
für die PRO BAHN Post Dezember 2021.
Bearbeitungsstand: 12.11.2021

 
 

Wo bitte geht's zum Bus?

Im Zuge der Bemühungen, auch im Münchner Verkehrsverbund (MVV) das Konzept einer Verkehrswende möglichst rasch in konkrete Tatsachen und Vorteile für die Fahrgäste umzuwandeln, setzt man zunächst auf den Ausbau des Busnetzes. In München geschah schon einiges, aber auch die Landkreise im Umland arbeiten – mit unterschiedlichen Ambitionen – seit Jahren an Verbesserungen. Ein großer Schritt erfolgt mit Einrichtung des Expressbusrings zum kommenden Fahrplanwechsel.

Größere Investitionen sind in den letzten Jahren nicht nur in Buslinien, sondern auch immer wieder in Fahrgastinformationssysteme geflossen. Echtzeitinfos am Bahnsteig werden vorausgesetzt, auch in den Zügen sieht man die aktuelle Fahrplanlage, oft inklusive Anschlussverbindungen, und bei den Bussen kommt dies hoffentlich bald ebenso flächendeckend.

All dies kostet nicht wenig Geld. Ein Expressbusring wird nicht von Anfang an von Fahrgästen überrannt werden, sondern braucht über mehrere Jahre eine erhöhte Anschubfinanzierung. Für "landesbedeutsame Buslinien" fließt wie auch bei der elektronischen Fahrgastinformation einiges an Fördermitteln des Freistaats. Die Steuerzahler, um dessen Geld es ja eigentlich geht, erwarten nicht zu Unrecht, dass Staatsregierung und ausführende Stellen am Erfolg der von ihnen geförderten Systeme interessiert sind, und Fehlentwicklungen auch korrigieren.

Fahrgäste für die Expressbusse gewinnt man – wie für jede andere Linie – nicht nur mittels direkter Verbindungen, sondern auch über gute Umsteigeverknüpfungen. Der Haltepunkt Unterschleißheim ist ein solcher Verknüpfungspunkt. An zwei Haltestellen beiderseits der Bahnlinie fahren Buslinien in fünf Richtungen ab. Um Wartezeiten nicht zu groß werden zu lassen, sind die Umsteigezeiten nicht gerade üppig bemessen – man sollte die Bushaltestellen nicht erst suchen müssen. Jeder Bahnsteig ist über 200 Meter lang, hat drei Ausgänge sowie Zugänge zu Aufzug und zu einer nicht ganz übersichtlichen Rampenkonstruktion.

Bushaltestelle Unterschleißheim

Da liegt prinzipiell die Idee nahe, auf den Bahnsteig zumindest die Richtung zu den Bushaltestellen zu kennzeichnen. Der Expressbusring wird zusätzliche Umsteiger bringen. Für jemanden aus Neufahrn oder Eching ist es bisher nicht selbstverständlich, in Unterschleißheim umzusteigen. Aber wer beispielsweise nach Ismaning will, wird das vielleicht künftig der teuren Fahrt über den Flughafen vorziehen. Eine Wegweisung zu den Bushaltestellen existiert nicht – und das gilt wohl nicht nur für Unterschleißheim. Steigt jemand am falschen Bahnsteigende aus, und muss sich erst orientieren, ist der Anschlussbus schnell weg. 20 Minuten zusätzliche Wartezeit führen jedes Expressbussystem ad absurdum.

Leider ist ein Hinweisschild nicht Teil eines geförderten elektronischen Systems. Offensichtlich werden so simple Maßnahmen durch kein Konzept abgedeckt, und der Streit darum, wer verantwortlich ist, scheint wichtiger zu sein als eine rasche Umsetzung. Die DB, für die das Aufstellen von Schildern wohl am einfachsten wäre, hält es nicht für ihre Aufgabe, sich darum zu kümmern. Das "Bahnhofsteam" von Station & Service schreibt, dass das nicht in ihre Zuständigkeit fällt, "weil laut Ausstattungskatalog für Bahnhöfe der Kat. 5 dies nicht erforderlich ist". Das ist dann vielleicht eine etwas sehr konzerninterne Definition von "erforderlich". Wegen der Zuständigkeit verweist man auf die Stadt Unterschleißheim.

Die Stadt antwortet auf eine Anfrage, dass man sich bereits vor geraumer Zeit um entsprechende Beschilderung bemüht hätte, aber damit bei der DB gescheitert sei. Auch eine "übersichtliche Wegeführung bereits in der Unterführung" sei Ziel der Stadt, ließe sich aber nur mit Zustimmung der DB umsetzen. Als Alternative werden Apps von Kartenanbietern genannt (die zu Bushaltestellen nicht immer detailliert genug informieren), oder die MVV-App, die Umsteigewege meist gut darstellt. Leider nutzt nicht jeder die passende App, und wenn man erst nach dem Aussteigen eine solche App aufruft, vergeht oft zu viel Zeit, um ohne Stress und Lauferei den gesuchten Bus zu finden.

Was nun? Ist es zu naiv, auf das koordinierende Eingreifen der MVV GmbH zu hoffen? Da der MVV die Regionalbusse organisiert, sollte er eigentlich ein Eigeninteresse daran haben, dass die Fahrgäste sie annehmen, und nicht durch Kleinigkeiten wie fehlende Schilder abgeschreckt werden. Andererseits agiert der MVV im Auftrag der Landkreise, die als Aufgabenträger für die Buslinien auch einen Großteil der Finanzierung tragen. Für Fragen rund um Bushaltestellen sind wiederum die Kommunen zuständig. Die S-Bahn der DB verliert das Interesse an ihren Kunden anscheinend in dem Moment, wo diese durch die S-Bahn-Tür auf den Bahnsteig treten. Freistaat Bayern und Bayerische Eisenbahngesellschaft haben aber als Besteller nur Einfluss auf die S-Bahn und nicht auf DB Station & Service, obwohl letztere in vielfacher Weise von Investitionen des Freistaats lebt (Stationsgebühren aufgrund von Zugbestellungen, elektronisches Informationssystem, Förderung Bahnhofsausbau, usw.).

Von einem integrierten Nahverkehrssystem ist nichts zu sehen. Noch nicht einmal der oft zitierte "integrierte DB-Konzern" zeigt irgendwelche Wirkung, von der Fahrgäste profitieren könnten. Eine fehlende Beschilderung ist nur ein kleines Symptom. Dass man dadurch Fahrgäste nachhaltig verärgern kann, und die dann bezüglich ÖPNV ihre Schlüsse ziehen, scheint vielen Beteiligten nicht so wichtig zu sein. Marketing und Politikerfotos mit tollen Informationssystemen und superschnellen Expressbussen lassen sich ja erst einmal auch ohne Fahrgäste machen. Und stellt sich der erhoffte Fahrgastzuwachs nicht ein, ist das halt ein gesellschaftliches Problem, weil "die Leute" eben doch lieber Autofahren.

Edmund Lauterbach

 Hier bitte geht's zum Bus!  (Artikel PBP 08/2022)

 


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