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Stadtbahnvisionen
Moderner Schienenverkehr für das Münchner Umland
Im September (1995) fand in der Gemeinde Neuried eine Podiumsdiskussion
darüber statt, wie die Verkehrsprobleme der Gemeinden im unmittelbaren
Umfeld der Millionenstadt München zu lösen sind. An der Diskussion
waren Politiker und Verkehrsexperten beteiligt darunter auch Vertreter
von PRO BAHN.
Neuried ist für die augenblickliche Verkehrssituation ein abschreckendes
Beispiel, da sich hier jeden Morgen der Pendlerstrom in Richtung
Landeshauptstadt wälzt unter anderem auch zur P+R-Anlage der
unmittelbar hinter der Stadtgrenze liegenden U-Bahn-Endhaltestelle
Fürstenried West. Grundsätzlich bieten sich aus dieser Misere
drei Lösungsmöglichkeiten an, die helfen können, einen
großen Teil des Autoverkehrs auf öffentliche Verkehrsmittel zu
verlagern. Dies wird am Beispiel des Gebietes um Neuried kurz dargestellt:
- Verlängerung der U-Bahn von Fürstenried West über Neuried ins
Würmtal mit Anschluß an die S6. Das Optimum wäre hierbei eine
unterirdische Führung in Neuried und Planegg um die Ortskerne unterfahren
zu können. Zumindest in Neuried wäre jedoch auch eine oberirdische Umfahrung des Ortes möglich mit entsprechend schlechterer
Erschließungswirkung. In jedem Fall entstehen Investitions- und
Betriebskosten in einer Höhe, die kein potentieller Kostenträger zu
übernehmen bereit sein wird. Auf die Kosten von U-Bahn-Verlängerungen
werden wir weiter unten am Beispiel der U6-Nord konkreter eingehen.
- Optimierung des Busnetzes als Zubringernetz zu S- und U-Bahn. Hier hat
PRO BAHN in der Vergangenheit schon entsprechende Vorschläge gemacht,
die auch teilweise umgesetzt wurden. Letztendlich kommt es jedoch immer wieder
zu starken Behinderungen des Busverkehrs durch den Autoverkehr, so daß
auch nur ein ungefähres Einhalten des Fahrplanes in der Hauptverkehrszeit
unmöglich gemacht wird. Insgesamt ist ein Busnetz auch wegen dieser
Störungen nicht attraktiv genug, um Autofahrern ein Umsteigen auf
den öffentlichen Verkehr reizvoll erscheinen zu lassen.
Einschränkungen des Autoverkehrs um den Bussen ein ungestörtes
Durchkommen zu ermöglichen sind zur Zeit im notwendigen Umfang politisch
nicht durchsetzbar.
- Schaffung eines eigenständigen schienengebundenen, oberirdischen
Verkehrssystems („Stadtbahn") als Zubringer zu S- und U-Bahn und zur
Erschließung der Ortschaften im Umfeld des Landeshauptstadt. Hierdurch
können nicht nur die Pendlerströme aufgefangen werden, es können
die Ortskerne auch vom immer stärker werdenden Einkaufsverkehr entlastet
werden, indem den Bürgern der Umlandgemeinden eine attraktive Alternative
zum Auto geboten wird. Diese Lösung stellt hinsichtlich der Kosten
und den Konflikten zwischen Individual- und öffentlichem Verkehr einen
Kompromiß dar.
Weiter unten werden die Möglichkeiten der Stadtbahnlösung genauer
untersucht und Varianten für andere Bereiche im Umfeld von München
dargestellt. Zunächst stellt aber die Frage, was für ein Fahrzeugtyp
für ein solches Stadtbahnsystem sinnvoll ist. Hier gibt es mehrere
Optionen, die teilweise miteinander vereinbar sind:
- Ein Fahrzeug, das voll kompatibel zum Münchner Trambahnsystem ist. Das
Fahrzeug hätte dann eine Breite von etwa 2,30 m und müßte die
entsprechenden Anforderungen an Stromversorgung und Kurvenradien erfüllen.
Hierbei ergeben sich günstige Möglichkeiten der gemeinsamen Nutzung
von Infrastruktur (z. B. Werkstätten).
- Ein Fahrzeug, das oberirdisch unter Oberleitung fährt, daß aber
auch mit einem Seitenstromabnehmer die Münchner U-Bahn-Tunnel benutzen
kann. Ein Hauptproblem ist hierbei die Fahrzeugbreite. Die 2,90 m breiten U-
Bahn-Fahrzeuge sind für oberirdische Ortsdurchfahrten denkbar ungeeignet.
Schmalere Fahrzeuge führen zu einem Spalt zwischen Fahrzeug und Bahnsteig
in U-Bahnhöfen. Niederflurfahrzeuge können bei dieser Option nicht zum
Einsatz kommen. Im Gegenteil: Es sind aufwendige Hochbahnsteige oder sehr
flexible Zugangseinrichtungen am Fahrzeug erforderlich.
- Ein Fahrzeug, das in der Lage ist, sowohl als eine Art Straßenbahn
durch einen Ortskern zu fahren, als auch zwischen den Ortschaften die Gleise der
Deutschen Bahn AG zu benutzen. Das Problem der Fahrzeugbreite und der
Einstieghöhe läßt sich hierbei lösen indem ein Fahrzeug
verwendet wird, das eine relativ niedrige Einstieghöhe hat und schmaler als
ein S-Bahn-Zug ist. Dann kann neben einem S-Bahnsteig ein zweiter niedriger
Bahnsteig näher ans Gleis gebaut werden. Dieser Bahnsteig kann aufgrund
seiner niedrigen Bauhöhe auch von DB-Fahrzeugen ohne Problem passiert
werden. Ein solches Zweisystemfahrzeug kommt z. B. in Karlsruhe zum
Einsatz.
Es ist zu prüfen, ob die erste und dritte Option zu kombinieren sind. Das
Karlsruher Fahrzeug hat einen relativ hohen Einstieg (nicht Niederflur) und
könnte bei einer Breite von 2,65 m nur wenige Abschnitte des Münchner
Trambahnnetzes befahren.
Bei den im folgenden dargestellten Denkmodellen für Stadbahnlinien im
Raum München wird von einem reinen Stadtbahnfahrzeug oder einem
Zweisystemfahrzeug, das für DB-Strecken geeignet ist, ausgegangen. Zur
Unterscheidung sind im folgenden die Linien mit Großbuchstaben
gekennzeichnet:
A |
Fürstenried West U Neuried
Martinsried Planegg S Germering S Eichenau S
Fürstenfeldbruck S Fürstenfeldbruck Ortsmitte |
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Hierbei besteht die Möglichkeit,
zwischen Eichenau und Fürstenfeldbruck S-Bahn-Gleise zu benutzen. |
B |
Klinikum Großhadern U
Martinsried Planegg S Germering S Puchheim S
Gröbenzell S |
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Eine Verknüpfung mit dem
Münchner Trambahnnetz wäre mit einer Linie Innenstadt Harras
Lorettoplatz Klinikum Großhadern Martinsried
möglich. |
C |
Fürstenried West U Martinsried
Gräfelfing S Freiham S |
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In Freiham plant die Stadt München
ein neues Wohn- und Gewerbegebiet. Zu prüfen ist hier die Schaffung
einer Ringlinie in Kombination mit der Münchner Trambahn. Zum Beispiel:
Freiham Neuaubing Pasing Westend Harras
Plienganser Straße Obersendling / Siemenswerke Siemensallee
Aidenbachstraße (südl. Teil) Herterichstraße
Fürstenried West Gräfelfing Freiham Der im
Stadtgebiet München liegende Linienabschnitt sollte hierbei häufiger
befahren werden. |
D
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Schloß Schleißheim
Oberschleißheim S Unterschleißheim S Lohhof
Bezirksstraße Lohhof-Süd Hochbrück Siedlung
Hochbrück U Garching Ortsmitte Garching
Forschungsgelände Dietersheim Mintraching Neufahrn S
Gewerbegebiet Eching S Dietersheim |
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Hierbei trennt sich die Linie in
Dietersheim zu einer Schleife über Neufahrn und Eching. Zwischen
Oberschleißheim S und Unterschleißheim (etwa Höhe jetziger
Bahnübergang) könnten (noch zu bauende) eigene S-Bahn-Gleise
mitbenutzt werden. Zwischen Lohhof Süd und Hochbrück kann die
existierende Gleisverbindung zum BMW-Auslieferungslager genutzt werden. Ein
Anschluß ans Münchner Trambahnnetz könnte entlang des
Oberschleißheimer Flugplatzes in Richtung Hasenbergl
Dülferstraße geschaffen werden. Von dort könnte auch der
Betriebshof Kieferngarten erreicht werden, wo sich u. a. die
Hauptwerkstätte der Münchner Trambahnen befindet. Vorausgesetzt wird
hierbei die Existenz einer projektierten Trambahnverbindung Scheidplatz
Hasenbergl durch ehemaliges Bundeswehrgelände. |
Das Beispiel der Linie D zeigt, daß man mit einem Stadtbahnsystem
kostengünstig eine gute Erschließungswirkung mit einem modernen
Schienenverkehrsmittel erreichen kann. Dadurch, daß bei diesem Vorschlag
die geplante U-Bahn-Verbindung Hochbrück Garching
Forschungsgelände entfallen kann, ständen bereits 280 Millionen
Mark an Investitionsmittel für einen Einstieg in das Stadtbahnnetz
zur Verfügung. Außerdem wäre die kommunale Ebene von dem
großen Haushaltsrisiko der U-Bahn-Folgekosten entlastet. Allein den
Landkreis München würde seinen Anteil des Betriebskostendefizits
des U-Bahn-Abschnitts Hochbrück Forschungsgelände jährlich
40% der Summe kosten, die ihm für den öffentlichen Personennahverkehr
insgesamt zur Verfügung steht.
Dadurch, daß der Haltestellenabstand der Stadtbahn geringer sein kann
als bei S- und U-Bahn, kann dieses Verkehrsmittel von einem größeren
Einzugsgebiet aus zu Fuß erreicht werden (z. B. in Garching) und bietet
somit mehr Bürgern eine gute Alternative zum Auto. Das größere
Einzugsgebiet führt außerdem zu Einsparungen beim Buszubringerverkehr
und beim Bau von Park+Ride-Anlagen. Der durch P+R-Anlagen erzeugte Kfz-Verkehr
wird verringert.
Weitere Gebiete, in denen Stadtbahnlinien sinnvoll wären, sind der
südöstliche (Raum Ottobrunn) und der östliche Teil des
Landkreises München. Im Osten ist z. B. eine Verbindung Max Weber Platz
Steinhausen Riem Neue Messe Feldkirchen
Aschheim Kirchheim denkbar. Eine solche Linie wäre zusammen
mit einer leider nicht realisierten, die neue Messe erschließenden S-Bahn-
Strecke eine optimale Kombination von Schnellbahnanschluß und
Flächenerschließung gewesen. Heute muß man prüfen, wie
eine solche ergänzende Stadtbahnlinie einen Teil der negativen Konsequenzen
(wie mangelnde Anbindung des Umlandes) der unverzeihlichen Fehlentscheidung, den
U-Bahn-Anschluß zur Messe einer S-Bahn-Verbindung vorzuziehen, abmildern
kann.
Die Verfasser hoffen, daß ein Teil der geschilderten Visionen sich in
der Zukunft in Realität umsetzen lassen nicht zuletzt durch die
Arbeit von PRO BAHN.
© PRO BAHN Oberbayern
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