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INDIE POP
Juni
2009

Review: Primavera Sound 2009

Freitag 29.5.2009

Zahara ist in allen Kaufhäusern mit ihrer aktuellen, nach Teenager-orientiertem, auf die Charts schielendem, Plastikpop aussehenden CD, vertreten. Hier im nach eine Online-Community benannten Salon (der überhaupt kein Salon ist, sondern ein Stand) ist sie halt ein Mädchen mit Gitarre, so etwas wie die spanische Claudia Koreck.

Crystal Stilts

Vor einem halben Jahr wurden sie noch als Band der Stunde (für etwa fünf Leute) über die in zwei Jahren keiner mehr spricht (Quelle: http://www.intro.de/forum/plink/1/1208973216/1228745428) gehandelt. Inzwischen hat sich ziemlich weit rumgesprochen, dass sie eine der Speerspitzen der großartigen neuen Noisepopszene aus Brooklyn, dem neuen Milton Keynes, sind. Auf ihrer LP klang der Gesang ja wie bei einer Single auf 33 1/3 (ich dachte schon es liegt an meinem Plattenspieler, aber die mp3s klagen auch nicht anders), live normaler, wenn man Ian-Curtis-Gesang als normal bezeichnen will. Das dylaneske Outfit und die Shane-MacGowan-Choreographie des Sängers passen hervorragend zum Jesus-And-Mary-Chain-Sound der Band. Die Ansagen bleiben dem Keyboarder vorbehalten, der das Publikum sehr unterhaltsam in europäischen Vorurteilen gegenüber Geographiekenntnissen von jungen Amerikanern zu bestätigen weiß: "There's an ocean over there! Is that the Pacific?". Der Höhepunkt des Festivals bisher.

Bat For Lashes hatte ich erst eine Woche vorher in München gehört aber leider nicht gesehen. Ein herzliches fuck you very much an dieser Stelle an die Betreiber des Ampere, die eine Bühnenhöhe von ca. 25 cm für angemessen für eine mittelgroße Halle halten. Nun weiß ich also nicht nur, dass Bat For Lashes live wesentlich besser klingt als auf der etwas enttäuschenden aktuellen LP, sondern auch wie Natasha Khan aussieht (super). Einzig das an allen drei Tagen die Hauptbühne verunstaltende, den Charme von Sonnenkollektoren ausstrahlende, Bühnenbild passt nicht so recht ins Bild. Es verspricht ein weiterer Höhepunkt zu werden, leider spielen auf der Vice-Bühne jetzt

Los Punsetes, eine Band, die mir vor einiger Zeit von last.fm empfohlen wurde und deren Album mit hübschem spanischem Indie-Rock man unter www.lospunsetes.com kostenlos herunterladen konnte. Beim herauspicken des individuellen Menüs aus dem überquellenden Festivalprogramm achte ich halt auch auf Einmaligkeit: Bat For Lashes wird ja vielleicht noch mal in meine Heimat kommen, Los Punsetes dagegen bestimmt nie. Die sehen zum Glück nicht so furchterregend aus wie auf den last.fm-Bildern, die Sängerin orientiert sich mit ihrer Bühnenshow allerdings an diesen lebenden Skulpturen, zunächst auf der Rambla hier in Barcelona und inzwischen in allen Fußgängerzonen der Welt versuchten einen Euro zu erheischen. Ich könnte mir das gerne länger als eineinhalb Lieder anhören, auf der Pitchfork-Bühne spielen jetzt aber die

Vivian Girls, eine weitere tolle Fuzzpop-Band aus New York. Live etwas weniger süß und etwas lärmiger als auf Platte sind sie der Höhepunkt des Festivals bisher. Den beliebten Sport des Instrumententauschs schaffen sie übrigens während eines Liedes.

Kurzer Abstecher zu Spiritualized vor großem Publikum auf der Rockdelux-Bühne, die amphitheatermäßig angelegt ist und so auch von der letzten Reihe aus gute Sicht bietet. Sich so weit entfernt begeistern zu lassen ist naturgemäß schwer. Macht nichts, denn nach ein paar Liedern muss ich eh zurück zur Pitchfork-Bühne zu

The Pains of Being Pure at Heart, dem letzten und poppigsten Teil des New Yorker Dreierpacks. Ihre Essenz aus allem was in den spät-80er Jahren gut war (also Tweecore und Shoegazing) macht sie zum Höhepunkt des Festival bisher.

Nach einer halben Stunde ist der Spaß leider vorbei, deshalb bleibt unerwarteterweise noch Zeit für fast den ganzen Auftritt von

Art Brut. Auf dem Weg zur Hauptbühne hört sich das, was von dort kommt allerdings ziemlich schrecklich an. In letzter Minute werden doch nicht etwa die Kings Of Leon für Art Brut eingesprungen sein? Bei näherer Betrachtung stellt sich diese öde Schmockrockband dann doch als Art Brut raus. Ich fand die allgemeine harsche Kritik an den letzten beiden Art-Brut-Alben ja immer völlig überzogen, schließlich enthalten die doch ein paar tolle Hits. Aber was die heute hier lustlos abliefern lässt die Subtilität ihrer Aufnahmen völlig vermissen. Selbst die Hits der ersten LP sind im Soundbrei kaum zu identifizieren. Einziger nett-humoristischer Moment ist der geänderte Text von "Moving To LA" (drinking Johnny Walker with Jarvis Cocker / Bacardi with Block Party ...). Das beste was man über diese Band heute sagen kann ist, dass nicht so beschissen geworden ist wie ihre Zeitgenossen Kaiser Chiefs und Futureheads. Ich glaube, dass sie sich noch 2009 auflösen werden.

Throwing Muses

Eigentlich wirklich gut, aber langsam beeinträchtigt die Reizüberflutung des bisherigen Festivals meine Aufmerksamkeit.

Jarvis Cocker sieht aus wie immer: groß, dünn und gelenkig. Sein erstes Soloalbum war ja wohl nicht so erfolgreich wie erhofft, was ich nie verstehen konnte, schließlich enthält es keine einzige schwache Nummer und mindestens drei ganz großartige. Welches Album kann denn das heutzutage noch von sich behaupten? Und "Angela" von der neuen LP hört sich ja auch schon mal recht vielversprechend an. Live gibt es keine Überraschungen. Natürlich nichts von der ex-Band; so viel Respekt vor den ex-Kollegen würde ich mir beispielsweise von Ian Brown auch wünschen. Jarvis weiß natürlich, wie man ein Publikum unterhält. Z.B. mit ein paar Worten auf Katalanisch: Im seinem Sprachführer hat er den wichtigen Satz "mein Luftkissenboot ist voller Aale" gefunden, leider ohne Lautschrift.

Überraschend viele Leute bei Saint Etienne, einer Band die man in den letzten Jahren eigentlich vor allem aus dem Ramschkisten der Plattenläden kannte. Aber ihr chilliger Dancepop eignet sich ja auch hervorragend, um den Abend ausklingen zu lassen.

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