Dieser Text (ohne Anhang) basiert auf
einem Artikel für die PRO BAHN Post Juni 2025. Bearbeitungsstand: 15.5.2025 |
S‑Bahn München vs. Fahrgäste
DB InfraGO vs. Arverio
Baustelle untersagt, findet aber trotzdem statt
Bonusbeispiel aus dem Busbereich
Baustellenfahrpläne S1 München
Unterlagen zu Bauarbeiten Arverio RE90
Beispiele Rhein-Main-Gebiet und linke Rheinstrecke
MVV-Linie 219, Baustellenumleitung
Weiterführende Dokumente
Verfehlte Information und kaputte Kommunikation bei Baustellen
Wie man Fahrgäste vergrault
Dass die Zahl der Baustellen im Bahnbereich zunimmt, hat trotz aller Widernisse für die Fahrgäste natürlich auch positive Aspekte. Endlich wird versucht, den Rückstand bei der Instandhaltung der Infrastruktur aufzuholen, der durch schlechte Verkehrspolitik und teilweise abweichende Interessen des DB-Konzerns entstanden ist. Entsprechend kann PRO BAHN als Fahrgastverband den Aktivitäten von DB InfraGO natürlich auch Positives abgewinnen. Leider muss man diesen Satz mit einem mehrfachen großen "Aber" versehen.
Wenn das Baustellenmanagement die Interessen der Fahrgäste und der betroffenen Verkehrsunternehmen angemessen berücksichtigen würde, wenn die Kommunikation geplanter Bauarbeiten frühzeitig stattfinden würde, wenn die Bahnunternehmen dies dann auch in rechtzeitige und richtige Fahrgastinformation umsetzen könnten, wenn die Baumaßnahmen in Ablauf und Zeitrahmen so stattfinden würden wie geplant, wenn die Ersatzverkehre eine ausreichende Alternative bieten würden und so funktionieren würden wie angekündigt – ja, wenn das alles so wäre, dann könnten wir Fahrgäste mit der erhöhten Bauaktivität leben, und würden für bessere Infrastruktur halt eine Weile die Einschränkungen ertragen. Man merkt schon: es gibt da viel zu viel Konjunktiv, als dass es wirklich gutgehen könnte.
S‑Bahn München vs. Fahrgäste
Im Folgenden zwei Beispiele wie es zumindest bezogen auf die Fahrgastinformation nicht gutgegangen ist. Am 27. April verschickte die S‑Bahn München über den Verteiler "DB Streckenagent" mehrere E‑Mails mit Baustellenfahrplänen. Darunter einen über verändere Fahrpläne der S1 auf der Stammstrecke und einen ab Laim auswärts. Die beiden Ersatzfahrpläne hatten eine zeitliche Überschneidung am Abend des 30. April und in der Nacht zum 1. Mai. Die Baustellenfahrpläne der S‑Bahn sind immer so knapp gehalten, dass betroffene Fahrgäste etwas extrapolieren müssen. So enthielt der zweite Fahrplan als einzige Stammstreckenstation Laim.
Abseits des teilweise eingerichteten SEV trafen die beiden Fahrpläne am ehesten in Feldmoching aufeinander. Richtung stadtauswärts fiel sofort auf, dass mehrere Fahrten in einem der beiden Fahrpläne verzeichnet waren, aber im jeweils anderen fehlten. Zurückgerechnet auf die Abfahrtszeit am Hauptbahnhof war beispielsweise unklar, ob um 23:22 Uhr oder um 23:42 Uhr ein Zug fahren sollte. Sich auf die spätere Abfahrt zu verlassen hätte fatal sein können, da im ungünstigeren Fall der nächste Zug erst um 4:22 Uhr fahren sollte.
Eine Rückfrage bei der S‑Bahn München ergab zunächst nur "an den verantwortlichen Fachbereich weitergeleitet". Die Fahrpläne wurden nicht geändert. Die BEG bekam als Aufgabenträger eine Kopie der E‑Mail an die S‑Bahn, hat sich aber nicht dazu geäußert. Anfang Mai kam eine weitere E‑Mail der S‑Bahn, die erklärte, dass nur der Baufahrplan ab Laim gegolten habe, was auch in der Online-Auskunft abgebildet war. Dass der Fahrplan zur Stammstreckensperrung irgendwie untergeordnet war, ging aus den E‑Mails vom 27. April nicht hervor. Man kann es wohl fahrlässige Fahrgastverwirrung nennen.
DB InfraGO vs. Arverio
Beim zweiten Beispiel geht es um eine Fahrt von Nürnberg nach Crailsheim am 10. Mai. Auf den Webseiten des Zugbetreibers Arverio Baden-Württemberg gibt es eine ganze Reihe von Meldungen zum betroffenen RE90. So zeigte Ende April der Ersatzfahrplan für den Zeitraum 9.5. bis 16.5., dass der Zug 12:34 Uhr ab Nürnberg zwischen Ansbach und Hessental ausfällt und durch einen Ersatzbus ersetzt wird, der ab Ansbach ohne Halt bis Crailsheim verkehrt. Zu einem Ziel über Crailsheim hinaus muss man einen Ersatzbus früher nehmen, den man ab Nürnberg um 11:21 Uhr erreichen würde, in späteren Fahrplanversionen 10:46 Uhr. Der Baustellenfahrplan ist für Fahrgäste mit wenig Erfahrung oder Ortskenntnis schwer lesbar. Dass nicht nur die Zwischenhalte ausfallen, sondern der Zug zwischen Ansbach und Hessental nicht fährt, ist nicht für jeden erkennbar. Bei der Abfahrt 16:38 Uhr ab Nürnberg gibt es eine Kennzeichnung, aus der nicht hervorgeht, ob der Zug bis Ansbach oder bis Crailsheim fährt.
Ganz anders stellte es sich jedoch in der Online-Auskunft der DB dar. Dort wurde den Fahrgästen zunächst empfohlen bis Eckartshausen zu fahren, und von dort wieder zurück bis Crailsheim. Ursache dafür war, dass die Halte Ansbach und Crailsheim mit "Hält nur zum Einsteigen" markiert waren. Auf die Probleme hingewiesen kam von Arverio die Antwort, sich an "bwegt Mobilität für Baden-Württemberg" zu wenden. Eine E‑Mail an die Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg (NVBW) und die BEG war zu diesem Zeitpunkt bereits unterwegs.
Die Online-Auskünfte der DB und von "bwegt" zeigten ab 30. April die Fahrt 12:34 Uhr ab Nürnberg nicht mehr an. Stattdessen sollte man um 12:21 Uhr mit der S‑Bahn fahren, um dann mit dem SEV-Bus ab Ansbach um 14:20 Uhr Crailsheim zu erreichen. Diese Verbindung ist im PDF-Fahrplan von Arverio nicht enthalten. Um 14:38 Uhr ab Nürnberg wurde im Auskunftssystem weiterhin die Fahrt mit RE90 angezeigt, nun allerdings mit Umsteigen zum SEV nach Crailsheim in Ansbach. Die "Fahrtinformation" zum RE90 enthielt allerdings den gesamten Zuglauf bis Stuttgart, ohne anzugeben, dass ein Abschnitt gesperrt wäre, und ohne Crailsheim und andere Stationen zwischen Ansbach und Hessental. Bei der DB-Auskunft war Ansbach mit "Hält nur zum Aussteigen" und Hessental mit "Hält nur zum Einsteigen" markiert.
Baustelle untersagt, findet aber trotzdem statt
Arverio gab nach der Rückfrage via NVBW an, die "Fahrplananordnung" von DB InfraGO erst am 6. Mai erhalten zu haben, so dass erst ab dann konkrete Fahrplanzeiten vorlagen. Am nächsten Tag war der RE90 12:34 Uhr korrekt als verkürzte Fahrt bis Ansbach mit Umsteigen zum SEV im DB-System enthalten. Kurz vor Beginn der Baustelle wurden auch die falschen Auskünfte für die Verbindung um 14:38 Uhr korrigiert, noch später für den Zug um 8:37 Uhr ab Nürnberg. Bei einem Update zum 8.5. erklärt Arverio auf der Webseite, dass die Baustelle zwischenzeitlich von der Bundesnetzagentur untersagt war, jetzt aber stattfinde, da eine kurzfristige Absage noch mehr Probleme erzeugt hätte. Eine E‑Mail der NVBW vom 9.5. stellt fest, dass die Auskünfte falsch sind, es aber "derzeit unklar ist, was endgültig richtig wäre", und dass "man in dieser Situation derzeit leider nichts ändern" kann.
Die beiden Beispiele zeigen, dass Fahrgastinformation bei Bahnbaustellen zu oft an rechtzeitiger Kommunikation scheitert, aber auch am Willen, vom Fahrgast aus zu denken. Welches Bild der SPNV dadurch nach außen erzeugt, hat bei Unternehmen und Aufgabenträgern eine zu geringe Priorität. Das gilt auch für die langfristigen Auswirkungen auf die Verkehrsmittelwahl. Da die Zustände in ähnlicher Form schon seit längerer Zeit auftreten, ist auf Einsicht und Besserung bei den verantwortlichen Stellen wohl kaum zu hoffen. Die Zunahme der Zahl der Baustellen lässt dagegen befürchten, dass alles noch viel schlimmer wird.
Edmund Lauterbach
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Anhang: Bonusbeispiel aus dem Busbereich
Dass nicht nur die Bahn von schlechter Kommunikation und kundenferner Handhabung bei Baustellen betroffen ist, zeigt ein Beispiel vom April. In Unterschleißheim war die direkte Verbindung nach Lohhof Süd (nicht zu verwechseln mit der MVV-Bezeichnung "Lohhof (S) Süd" am S‑Bahnhof) gesperrt, das von der Linie 219 bedient wird. Die Umleitung führte über die B13 mit zwei großen Kreuzungen und in einer Schleife durch Lohhof Süd. Die Fahrstrecke verlängerte sich um 1,7 Kilometer. Es gab zwar einen Baustellenfahrplan, der sah aber keine Zeitreserve für die Umleitungsstrecke vor. Wer die MVV-Auskunft nutzte, wurde zwar gewarnt, aber ohne Korrektur der Fahrplanzeiten. Es war unvermeidbar, dass die Busse in Unterschleißheim und Garching-Hochbrück mit Verspätung ankamen und viele Anschlüsse verpasst wurden. Der Fahrplan ist so gestaltet, dass die Busse gerade in der HVZ schon ohne Umleitung oft länger brauchen als vorgesehen.
Die Stadtverwaltung Unterschleißheim lehnt die Verantwortung für die Zustände ab, und verweist auf den MVV. Der MVV sieht die Herausforderung bei Umleitungskonzepten (wahrscheinlich eher für sich als für die Fahrgäste) und seine Schwierigkeiten dabei, "unterschiedliche Interessen und finanzielle Aspekte" zu berücksichtigen. Auch das Landratsamt nennt die Abwägung unterschiedlicher Interessen, und dass man von den "tatsächlichen Rahmenbedingungen der Sperre" spät erfahren habe (also schlechte Kommunikation zwischen Stadt und Landkreis). Man will die Auswirkungen der Umleitung genau betrachten und für die zukünftigen Sperrungen in diesem Bereich ggf. Anpassungen im Fahrplan vornehmen.
Ich hoffe, dass es keine zukünftigen Sperrungen gibt, da der Bus zur Zeit der Baustelle als Zubringer zur U6 für mich viel zu unzuverlässig war. Auf die Einsicht der Verantwortlichen, insbesondere beim MVV, und dass vielleicht in Zukunft etwas fahrgastfreundlicher vorgegangen wird, mit wirklich brauchbarer Fahrgastinformation und nutzbaren Ersatzfahrplänen, wage ich kaum zu hoffen.
Nachbemerkung vom 22.5.2025: Mein Wunsch, dass es keine weiteren Sperrungen gibt, geht nicht in Erfüllung. Aber für die Umleitung der Linie 291 vom 10. bis zum 20. Juni hat der MVV einen angepassten Fahrplan erarbeitet. Nachteil: Lohhof Süd wird nur einmal die Stunde angefahren, sonn- und feiertags nur alle 80 Minuten. Diese Fahrten haben dann einen zusätzlichen Zeitpuffer im Fahrplan, während die anderen Fahrten den direkten Weg über die B13 nehmen. Das ist natürlich für Fahrgäste aus Lohhof Süd nicht schön, aber zumindest ist der Fahrplan realistisch.
Baustellenfahrpläne S1 München 30.4./1.5.2025
Unterlagen zu Bauarbeiten Arverio RE90, 9.5. bis 16.5.2025
Alle verlinkten Verbindungsauskünfte und Zugläufe beziehen sich auf Fahrten am 10.5.2025.
– am 28.4.2025 veröffentlichte Version (archiviert)
Beispiele Rhein-Main-Gebiet und linke Rheinstrecke
(Ausfälle und verkürzte Zugläufe ab 2.5.2025)
MVV-Linie 219, Baustellenumleitung 7.4. bis 26.4.2025
Weiterführende Dokumente
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