Dieser Text basiert auf einem Artikel
für die PRO BAHN Post Januar 2026.
Bearbeitungsstand:2.12.2025

 

Verlust der Fahrgastrechte durch Bauarbeiten
Deutsche Bahn verweigert Fahrkartenkauf

Wenn man in einem Ort mit einem Bahnhof oder Haltepunkt wohnt, geht man eigentlich davon aus, dass man für einen beliebigen Tag auch eine Fahrkarte zu einem Zielbahnhof irgendwo in Deutschland erwerben kann. Auch wenn die DB die Preisgestaltung inzwischen sehr wild gestaltet hat (siehe www.kurzlinks.de/vorlauf), ist das normalerweise auch dann möglich, wenn der erste Teil der Reise aus einer S‑Bahn-Fahrt zum Münchner Hauptbahnhof besteht, um dort in einen Fernzug umzusteigen. Ebenso sollte es für einen durchgehenden Fahrpreis kein Problem sein, wenn es irgendwo auf der Strecke eine Baustelle mit Umleitung oder gar SEV gibt.

Leider ist der voranstehende Satz zu Recht im Konjunktiv gehalten. Anfang November war der S‑Bahn-Verkehr in München zehn Tage lang stark eingeschränkt. Die S1 fuhr von außen kommend nur bis Moosach. Zur Weiterfahrt wurde auf städtische Verkehrsmittel der MVG verwiesen. Der Weg zum Hauptbahnhof erfordert dann meist ein Umsteigen zur U2 in Feldmoching. Da diese Linie am Wochenende auch unterbrochen war, empfahlen die Auskunftsmedien zeitweise eine Trambahnfahrt von Moosach zum Hauptbahnhof.

Eine Folge der Unterbrechung der S1 war, dass es beispielsweise ab Unterschleißheim keine durchgehenden Fahrkarten zu Zielen des DB-Fernverkehrs gab. Wer nach Berlin, Hamburg, Köln oder Frankfurt wollte, musste zusätzlich zur DB-Fahrkarte einen MVV-Fahrschein für die Fahrt zum Hauptbahnhof kaufen, sofern kein Deutschlandticket vorhanden war. Beides (MVV- oder Deutschlandticket) hat aber zur Folge, dass große Probleme entstehen, wenn Fahrgäste wegen S‑Bahn-, U‑Bahn- oder Tramverspätung den gebuchten Fernzug ab München verpassen. Mit einem durchgehenden Ticket ab Unterschleißheim können sie einfach in den nächsten ICE Richtung Ziel einsteigen und verlieren Zeit, aber kein Geld.

Skizze mit Linien S1, U2, U3, Tram 20 und den Stationen Unterschleißheim, Feldmoching, Moosach, Scheidplatz, Hauptbahnhof, Marienplatz. Gekennzeichnet ist, welcher Bereich Anfang November 2025 gesperrt war, und für welche Routen es keine durchgehenden Fahrkarten zum DB-Fernverkehr gab.
Prinzipskizze der Situation Anfang November 2025 im Münchner Nordwesten

Wenn aber nur ein Sparpreisticket ab München Hbf erworben werden kann, so verfällt das komplett, wenn der Zug verpasst wird – selbst wenn die Ursache dafür bei der S‑Bahn der DB liegt. Es muss dann zusätzlich ein teures Flexpreisticket gekauft werden, was dreistellige Mehrkosten pro Person zur Folge haben kann. Ein völlig unmöglicher Zustand. Wird die Fahrkarte sehr früh gebucht, kann es sein, dass die Baustelle noch nicht ins DB-Auskunftssystem eingepflegt ist. Dann sind zunächst durchgehende Fahrscheine erhältlich, z. B. von Unterschleißheim nach Köln. Ist die Strecke am Reisetag unterbrochen, muss aber trotzdem in die U‑Bahn umgestiegen werden. Auch in dem Fall gibt es Probleme, wenn wegen Verspätung oder Ausfall der entsprechenden U‑Bahn-Fahrt der Anschlusszug verpasst wird, da die Fahrgastrechte nicht über das System Eisenbahn hinausgehen.

Ob von der DB in den genannten Fällen nachträglich Kulanz gewährt würde ist unbekannt. Aber Einzelfallentscheidungen helfen Fahrgästen, die zu Recht vorab wissen wollen, ob ihre Reise durch Fahrgastrechte abgesichert ist, nicht viel weiter. Ähnliche Fälle von S‑Bahn-Unterbrechungen mit Verweis auf den städtischen Nahverkehr gibt es nicht nur bei der S1, sondern auch laufend an anderen Stellen in München, beispielsweise zwischen Giesing und Ostbahnhof. Die Hoffnung, dass spätestens nach Schilderung des Problems von verantwortlicher Seite eine rechtssichere und fahrgastfreundliche Lösung angestrebt würde, erwies sich als falsch.

Auf Nachfrage antwortete die Deutsche Bahn, dass ihre Entscheidung, Fahrkarten nur fahrplanbasiert zu verkaufen (also nur anhand der im Buchungssystem hinterlegten Eisenbahn-Verbindungen), eine rechtliche Situation geschaffen hat, deren Konsequenzen der Fahrgast zu tragen hat. Das ebenfalls angefragte und als nationale Durchsetzungsstelle für Fahrgastrechte agierende Eisenbahn-Bundesamt erklärte sich für nicht zuständig. Ob es über das Bundesverkehrsministerium und einige kontaktierte Abgeordnete zu einer politischen Lösung kommt, bleibt abzuwarten. Das ist allerdings ein eher langwieriger Weg. Alles könnte viel einfacher sein, wenn die DB nicht auf ihrer kundenfeindlichen Verweigerungshaltung beharren würde.

Edmund Lauterbach

 


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