Dieser Text basiert auf einem Artikel für die
PRO BAHN Post November 2005.
Bearbeitungsstand: 17.10.2005


 
 
SZ-Kommentar Quittung für verfehlte Verkehrspolitik
Wer Straßen sät, ...

Auch wenn es meist wenig Sinn macht, verpaßten Chancen nachzuweinen, sei hiermit aufgrund eines lokalen, aber exemplarischen Anlasses mal eine kleine verkehrspolitische Rückbetrachtung gemacht. Aus Fehlern der Vergangenheit zu lernen, ist sicher besser, als sie zu wiederholen.

1997 verfaßte PRO BAHN Oberbayern eine Studie, in der konkrete Vorschläge für ein von PRO BAHN und anderen vorgeschlagenes Stadtbahnsystem für München und sein näheres Umland erarbeitet wurden. Die Begründung dafür war die unbestrittene Beobachtung, daß Besiedlung und Verkehr genau dort am stärksten wachsen, wo der Öffentliche Verkehr eher schwach ist: in den Münchner Randgebieten und in den angrenzenden Gemeinden außerhalb der Stadtgrenze. Der Anteil des traditionellen Einpendelns ins Zentrum, das durch S- und U-Bahn unterstützt wird, sinkt in diesen Bereich. Der quer zu den Schnellbahnachsen verlaufende Verkehr hat dagegen stark zugenommen. Der Öffentliche Verkehr hat diese Entwicklung verschlafen.
Zum Nachlesen: http://www.stadtbahn-muenchen.de/

Ein paar Zitate aus den Einleitungskapiteln besagter Stadtbahnstudie:

[...] Andererseits zeigt die Bevölkerungsentwicklung im unmittelbaren Umland Münchens größere Wachstumsraten als in der Stadt selbst. Das Ergebnis dieser Entwicklungen sind die weiter steigenden Zahlen der Pendler, die auf dem Weg zur Arbeit ihr Auto benutzen. Während die Münchner zu über 50% den Öffentlichen Verkehr für ihre Wege benutzen, ist das im Umland aufgrund des mangelhaften Angebots nicht möglich. Die Tatsache, daß der außerhalb des Stadtgebiets zur Verfügung stehende Platz zum großzügigen Straßenbau genutzt wurde, hat die negative Entwicklung noch verstärkt. [...] Da neue Straßen aber auch mehr Verkehr anziehen, ist jede Lösung nach dieser Methode nur temporär. [...] Es fehlen – innerhalb und außerhalb der Münchner Stadtgrenze – leistungsfähige Tangentialverbindungen des Öffentlichen Verkehrs.

Das Stadtbahnkonzept wurde abgelehnt.

Heute – keine 10 Jahre später – sind wir nun soweit, daß das von PRO BAHN ohne Stadtbahn vorhergesagte progressiv steigende Verkehrswachstum nicht nur spürbar, sondern schmerzlich geworden ist. Aktuell gibt es dazu das Beispiel der Stadt Garching, die trotz U-Bahn-Anschluß seit Jahrzehnten zwiebelschalenartig Umgehungsstraßen um ihren Ortskern legt.

Daß neue Straßen keine Probleme lösen, sondern meist welche schaffen, hat sich inzwischen sogar bis zu den Medien herumgesprochen. Der nebenstehende Kommentar aus der Landkreisausgabe der Süddeutschen Zeitung bewertet das Geschehen in Garching. Diese Bewertung ist aber leicht auf andere Gemeinden übertragbar. Auch der Kommentator erkennt heute, daß man mit der Ablehnung des Stadtbahnkonzepts Chancen verpaßt hat und nun die Rechnung für die damaligen Entscheidungen erhält.

Woran scheitert bis heute die Umsetzung des Stadtbahnkonzepts oder wenigstens einer Pilotstrecke? Das Stadtbahnsystem scheitert an Leuten, die vierspurige Straßen weniger störend finden, als zwei Straßenbahngleise in einer Ortsstraße. Es scheitert daran, daß die Planungsaufgaben für den Öffentlichen Verkehr häufig durch Stellen wahrgenommen werden, die einfach unfähiger sind als entsprechende Stellen, die Straßen planen. Es scheitert an Landräten, die Öffentlichen Verkehr im wesentlichen als Luxus betrachten. Es scheitert an der Deutschen Bahn AG, die so etwas im Raum München nicht auf ihren Gleisen haben will. Und es scheitert an der Verzagtheit der Verantwortlichen, beispielsweise der Münchner Stadtspitze, die nur mit unzureichenden Mitteln darauf reagiert, daß die Pendler die Verkehrsprobleme des Umlands ins Stadtgebiet importieren.

Ganz in der Nähe von Garching gibt es weitere Beispiele für negative Entwicklungen. Zwischen Oberschleißheim und Dachau scheiterte vor Jahren die Einrichtung einer Buslinie daran, daß sich die beteiligten Landratsämter nicht auf die Dauer einer Probezeit einigen konnten. In Hochbrück versucht man seit 2002 Holzschnitzel von der Straße auf die Schiene zu bekommen. Trotz erklärtem Willen und anerkannter Sinnhaftigkeit wird das Projekt seit Jahren zwischen den Mühlsteinen von Kommunen, Behörden und der DB zerrieben.

Dem Eindruck, daß im Verkehrssektor häufig eine Art Kartell der Unfähigkeit zugange ist, kann man sich nicht ganz entziehen. Unter solchen Randbedingungen immer am Ball zu bleiben, und überall, wo es notwendig wäre, präsent zu sein, erfordert einen langen Atem. Dies ehrenamtlich zu leisten ist bei der begrenzten Personal- und Finanzaustattung von PRO BAHN nicht immer einfach.

Daß beispielsweise die Befürworter einer Stadtbahn schon 1997 Recht hatten, hilft weder ihnen, noch den Bürgern der Region. Es zeigt höchstens, daß richtige Ideen auch richtig bleiben, wenn es Widerstände gibt und die Unvernunft zunächst einmal siegt.

Was aber helfen kann, ist, wenn sich mehr Leute für Verbesserungen im Öffentlichen Verkehr aktiv einsetzen. Ein Teil des Scheiterns zukunftsweisender Konzepte wie der Stadtbahn, liegt auch immer an zuwenig Information, zuwenig Präsenz der Leute, die für solche Ideen werben. Gemeinderäte, Bürgermeister, Landräte, Verkehrsplaner aber auch die Bürger wollen überzeugt werden.

Was wir brauchen, ist eine Massenbewegung für richtige und intelligente Entscheidungen in der Verkehrspolitik. Es kann nicht sein, daß Probleme, unter deren Auswirkungen am Ende alle Bürger leiden, in der Politik einen geringen Stellenwert haben. Fehlentscheidungen von Gemeinden, Landkreisen und anderen Institutionen dürfen nicht einfach hingenommen werden. Mündige und informierte Bürger müssen sich verstärkt in die Verkehrspolitik einmischen. PRO BAHN bietet hierfür eine geeignete Plattform und ist immer froh, neue Mitstreiter zu gewinnen.


 
Querverweise:

Stadtbahn München
 
Stadtbahnvisionen
 
Stadtbahn für München?
 
Stadtbahn – Ein ergänzendes Verkehrssystem für München und sein Umland
 
Bessere Mobilität anstatt mehr Verkehr
 


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