Dieser Text basiert auf einem Artikel
für die PRO BAHN Post März 2018.
Bearbeitungsstand: 18.2.2018

 
 

 


Wie die Bundesregierung beinahe kostenlosen Nahverkehr versprach

Seit langem gibt es Initiativen, die einen kostenlosen Öffent­lichen Personen­nahverkehr (ÖPNV) fordern, also ein auf irgendeine Weise umlage- oder steuer­finanziertes "Bürger­ticket". PRO BAHN hat den Bestrebungen immer etwas skeptisch gegen­über­gestanden, da ein solches Finanzierungs­modell auch Probleme mit sich bringt, den Ruf des ÖPNV nicht unbedingt verbessert, und in einer leistungs­orientierten Gesellschaft als Fremd­körper erscheint. Trotzdem hat der Ansatz sowohl sozial­politisch als auch verkehrs­politisch einige Vorteile. Es muss allerdings gelingen, den Weg zu einem Bürger­ticket beginnend bei der heutigen, unzureichenden Situation zu definieren und zu gestalten, und eine stabile Finanzierung für den Mehrbedarf zu finden.

Bislang war die Diskussion dazu abgesehen von wenigen Modell­städten im In- und Ausland aber eher akademisch. Das änderte sich ganz plötzlich am 13. Februar, als das Online-Magazin politco.eu über einen Brief dreier Bundes­minister an die EU-Kommission berichtete, der einen Vorschlag für Tests in fünf bundes­deutschen Städten u.a. mit kostenlosem ÖPNV enthielt. Hintergrund dieser Initiative ist der krampfhafte Versuch von Autolobby und Politik, Fahrverbote für Diesel-PKW zu verhindern.

Jedenfalls waren plötzlich alle Medien voll von Artikeln, die sich danach anhörten, als ob wir in wenigen Wochen nichts mehr für Bus und Bahn bezahlen müssten. Die betroffenen Test­städte reagierten allerdings eher irritiert, während andere, nicht genannte Städte und Regionen gerne noch auf den Zug aufspringen wollten. Auf der Aktuell-Seite von PRO BAHN fragten wir "Zeiten­wende im städtischen ÖPNV in Sicht?" und konnten auch von ersten kritischen Reaktionen berichten

Die kritischen Reaktionen über­nahmen dann am nächsten Tag die Schlagzeilen in den Zeitungen. Entsprechend entliehen wir den Titel der nächsten Aktuell-Meldung von der Frankfurter Rundschau: "Kostenloser Nahverkehr – 10 Jahre zu spät?". Auf unserer Facebook-Seite wurden einige der Reaktionen zitiert, die von "völlig realitäts­fern" über "kein Allheil­mittel" bis "einen Versuch wert" reichten. Fachlich wurde nun in erster Linie die unzureichende und nicht schnell erweiter­bare Kapazität genannt, und dass nur über den (wegfallenden) Preis der ÖPNV auch nicht so attraktiv wie gewünscht werde.

Ebenfalls am 14. Februar reagierte PRO BAHN mit einer bundes­weiten Presse­mitteilung: "Mehr öffentlicher Nahverkehr – Ein Beitrag für bessere Luft in den Städten". Darin wurde begrüßt, dass der Brief der Bundes­minister eine breite Diskussion über Leistungs­fähigkeit und Qualität des ÖPNV ausgelöst habe, es wurden aber auch die bekannten Probleme von kostenlosem Nahverkehr benannt. Die Presse­mitteilung endete mit dem Vorschlag, das Wiener Modell einer 365-Euro-Jahres­karte zu prüfen, mit dem man für einen Euro pro Tag mit Bus und Bahn in der Stadt mobil ist.

Genau dieses Modell tauchte am nächsten Tag dann in einer Online-Petition auf, was wir auf der Aktuell-Seite von PRO BAHN mit einer weiteren Meldung würdigten: "ÖPNV: Kostenlos, 1 Euro und andere Modelle". Auch woanders wurde die Gelegen­heit genutzt, mit dem Thema in die Medien zu kommen. So wies die Universität Kassel mit der Erkenntnis, dass "der Autoverkehr ... die Kommunen das Dreifache des ÖPNV" kostet, auf ein seit mehreren Jahren laufendes Forschungs­projekt hin.

Weil sich auch die Stadt München dem Bund als weitere Testregion für kostenlösen Nahverkehr angedient hatte, reagierte am 16. Februar PRO BAHN München mit einer Presse­mitteilung, was sich auf der bayerischen Aktuell-Seite dann so las: "München muss handeln, statt auf den Bund zu warten". Die Pressemitteilung enthielt eine Liste von Maßnahmen, die PRO BAHN immer wieder angeregt hatte – zuletzt im Januar angesichts der Versprechungen der Stadtratsfraktionen von SPD und CSU zur "ÖPNV-Offensive". Da die Luft in München nur sauberer wird, wenn man auch den Einpendlern entsprechend gute ÖV-Angebote macht, wurde nochmals auf die Anfang Februar veröffent­lichten Vorschläge zum Ausbau des regionalen Bahnnetzes hingewiesen.

Alle hier erwähnten Aktuell-Meldungen findet man unter www.pro-bahn.de/aktuell und www.pro-bahn.de/bayern/aktuell_bayern.php; Presse­mitteilungen und Facebook-Beiträge sind dort verlinkt. Die Diskussion ist zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses der PRO BAHN Post noch nicht beendet. Wir erwarten weder dieses noch nächstes Jahr kostenlosen Nahverkehr, erhoffen uns aber positive Impulse dadurch, dass fast alle Medien auf das Thema eingegangen sind.

Edmund Lauterbach

Quellen und Querverweise:

 

 


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